Anfang der Neunziger begann man in Brisbane, einer Stadt im amerikanischen Bundesstaat Kalifornien, mit dem Bau von Gitarrenverstärker. Grundlage für das eigene Design waren die historischen Vorbilder aus den Vereinigten Staaten genau so wie die Klassiker aus dem fernen Europa. Ganz oben auf der Prioritätenliste stand und steht bis heute der Anspruch, dem Gitarristen mit einem VHT-Amp die Möglichkeit zu bieten, seinen ganz eigenen Ton zu verwirklichen. Wie viele andere Hersteller hat man auch bei VHT die Fertigung gesplittet. Während die handverdrahteten Verstärker nach wie vor aus USA kommen, lässt man eine günstigere Serie im Fernen Osten fertigen. Designt in USA – Made in China.
Wie wir wissen, bringt diese Philosophie bei vielen Marken erstklassige Produkte zu einem erstaunlich günstigen Preis hervor. Wir haben uns aus der Lead-Serie den 20 Watt Combo zum Test kommen lassen und waren gespannt, ob auch er unter diese Rubrik fällt. Was dabei herauskam und ob man mit einem Lead-Amp auch Rhythmus spielen kann, das erfahrt ihr hier.
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Details
Gehäuse/Optik Der kompakte Kraftprotz kommt in einem Gehäuse aus Birkenholz, das sehr ordentlich mit schwarzem Tolex verkleidet ist. Hinter dem ebenfalls schwarzen Bespannstoff auf der Front, umrahmt und verziert von einem dicken weißen Keder, arbeitet ein 12“ Celestion. Das Gehäuse ist fast geschlossen, lediglich auf der Rückseite gewähren zwei Lochblech-Platten den Röhren etwas Frischluftzufuhr, denn mit dieser Bestückung kann es durchaus etwas wärmer werden. Im Inneren werkeln immerhin vier 12AX7 in der Vor- und zwei EL84 in der Endstufe. Mittig auf der Oberseite befindet sich der Tragegriff aus Kunststoff und dahinter das Bedienfeld. Da sich das schwarze Paneel mit den ebenfalls schwarzen Reglern auf der Oberseite befindet, gehört dieser Amp in die Klasse der Toploader. Das Chassis ist mit vier großen Schrauben am Gehäuse befestigt und auf der Rückseite sind die nötigen Anschlüsse angebracht. Standfestigkeit beweist der Lead 20 zwar grundsätzlich mit seinen vier Metallfüßen, auf glatten Böden wie Holz oder Stein erweisen sich diese aber nicht unbedingt als rutschfest. Aber keine Angst, mit seinen immerhin fast 24 Kilo wird der Combo es wohl kaum aus eigener Kraft bis zum Bühnenrand schaffen. Auch mit seinen Maßen von 591 x 464 x 267 (B x H x T) mm ist er in der oberen Gewichts- und Größen-Klasse der 1×12 Combos anzusiedeln. Aber bekanntlich sagt ein altes, wenn auch nicht unbedingt bestätigtes Sprichwort, dass nicht klingt, was nichts wiegt. Im Praxisteil wird sich auch diese These beweisen müssen.
Bedienfeld Der Lead 20 ist mit zwei Kanälen ausgestattet, die sich eine Dreiband-Klangregelung (Treble, Middle, Bass) teilen. Der erste Kanal ist für Cleansounds zuständig und bietet lediglich einen Volumenregler. Der Overdrive-Channel kann außer einem Volumenpoti auch einen Gainregler vorweisen. Im Master-Bereich findet sich neben dem Master-Volumen ein Reverb-Regler, mit dem das Signal des Federhalls dem Originalsound zugemischt werden kann. Zum Umschalten der beiden Kanäle dient ein kleiner Taster zwischen Clean-Level und Overdrive-Gain. Wenn der Clean-Kanal aktiviert ist (Taster oben), leuchtet die grüne, bei Overdrive (Taster gedrückt) die rote LED. Den Eingang für das Gitarrenkabel finden wir links, die Schalter für Power und Standby rechts auf dem Bedienfeld.
Rückseite Auf der Rückseite verfügt der Combo über die nötigen Anschlüsse, unter anderem zwei Lautsprecherausgänge mit 8Ω und 16 Ω. Ist einer der beiden belegt, schaltet sich der interne Speaker aus – eine gute Sache beim Recording, wenn man mit dem Amp im Regieraum sitzt und die externe Box im Aufnahmeraum lärmt. Will man allerdings für mehr Druck im Live-Betrieb einen Lautsprecher mehr anschließen, ist diese Betriebsweise etwas nachteilig. Über den Footswitch-Anschluss (Klinke Stereo) findet der mitgelieferte Zweifach-Fußschalter Anschluss, mit dem die Kanäle um-, und der Hall ein- und ausgeschaltet werden. Der Effektloop des Amps mit Send- und Return-Buchsen lässt sich im seriellen oder parallelen Modus betreiben; den dazugehörigen Schalter findet man zwischen den beiden Buchsen.
Für den Praxistest verschaffen wir uns erst einmal einen Überblick über den neutralen Cleansound. Dafür stelle ich alle Regler der Klangregelung und das Clean-Volume-Poti auf die 12-Uhr-Position. Wir erhalten einen ausgewogenen Cleansound, bei dem der Bassbereich leicht dominiert.
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Clean Flat
Mit einem kleinen Eingriff in die Klangregelung lässt sich aber auch sehr schnell ein schlanker Cleansound für perkussive Spielweise zurechtbiegen. Bässe und Mitten etwas zurück und die Höhen weiter aufgedreht, und schon sind knackige Funk-Grooves aus dem 12“ Speaker zu hören.
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Clean Funk
In dieser Einstellung haben wir einen schönen knackigen Sound, die Endstufenkompression ist sehr deutlich hör- und spürbar. Man kann hart anschlagen und der Ton wird knackig wiedergegeben. Allerdings reicht der Schalldruck bei dieser Einstellung noch nicht für eine „laute Band“, aber ohne Weiteres für einen entspannten Jazz-Gig. Beim Einsatz mit den Kollegen in einer lärmenden Funk-Band mit Bläsern und Keyboards allerdings müsste man noch eine Schippe drauflegen. Aber wir sind ja auch erst bei 12 Uhr Clean-Volume. Also dann, ein Viertel mehr …
Aha! Hier ist sie also, die Bühnentauglichkeit. Wo andere Amps nach 12 Uhr eher in die Knie gehen und nur noch etwas mehr Verzerrung an den Tag legen, kommt der VHT etwas stärker in Fahrt. Klar, der Ton ist ein wenig verzerrt, aber es ist ausreichend Schalldruck vorhanden, den Kollegen in der Band Paroli zu bieten.
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Clean 15
Jetzt treiben wir ihn einmal etwas in die Enge, der Clean-Volume-Regler wird voll aufgedreht und eine Humbucker-Gitarre angeschlossen. Mal sehen, wie weit er sich zum Zerren bringen lässt. Damit es nicht zu trocken klingt, habe ich etwas Reverb hinzugefügt.
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Clean Max. Gain
Respekt! Auch bei voll aufgedrehtem Volumen und Humbucker-Gitarre lässt sich dem Lead 20 nur eine leichte Verzerrung entlocken, das Ganze bei gehobener Übungsraum-Lautstärke. Da der Clean-Kanal also auch bei hohen Lautstärken noch unverzerrt ist, kann man sehr gut mit den beiden Kanälen im Live-Betrieb arbeiten.
Jetzt geht es weiter zum Overdrive-Channel. Auch hier zuerst die 12-Uhr-Einstellung, alle Regler in die Mitte, Reverb ausgeschaltet.
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Overdrive Flat
Mit der Strat gibt es eine Medium-Verzerrung, das Klangbild ist dem Cleansound entsprechend warm und rund, keine übermäßigen Anhebungen in einem bestimmten Frequenzbereich. Diesem Thema widmen wir uns als nächstes, weil wir die Klangregelung genauer unter die Lupe nehmen.
Bass Der Bassregler geht frequenzmäßig sehr weit nach unten, also lässt sich mit ihm der Tiefbass-Bereich einstellen. Die Unterschiede bei den Hörbeispielen werdet ihr über iPod-Kopfhörer oder Notebook-Lautsprecher vermutlich nicht deutlich hören, denn der Haupt-Einsatzbereich ist bei 120 Hz und tiefer. Ihr hört im folgenden Beispiel zuerst den Bass-Regler komplett abgedreht, dann auf 12 Uhr und danach voll auf.
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Bass
Middle Der Mittenbereich liegt tief und wird um 800 Hz „badewannenförmig“ abgesenkt. Komplett abgedreht ist der Klang sehr weich, voll aufgedreht gibt es ein klares britisches Mittenbrett. Hier ist von Metalsounds mit abgesenkten Mitten bis zum Classic-Rock alles machbar.
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Middle
Treble Ab 2 kHz aufwärts wird heftig abgesenkt. Bei komplett zurückgedrehtem Regler erhalten wir einen sehr muffigen Sound, dreht man den Treble-Regler voll auf, wird er extrem bissig. Ein sehr guter Wirkungsbereich, mit dem sich allerhand einstellen lässt.
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Treble
Als Resümee kann man sagen, dass die Klangregelung sehr gut arbeitet und man mit ihr recht viel bewirken kann. Aber leider ist die Anpassung der beiden Kanäle nicht ganz gelungen. Hat man beispielsweise einen knackigen, höhenbetonten Cleansound eingestellt und wechselt dann auf den verzerrten Sound, ist dieser schon fast zu bissig. Nimmt man die Höhen weg, dann hat man einen sehr muffigen, unverzerrten Ton.
Das heißt, die Klangregelung muss mit viel Fingerspitzengefühl und der Bereitschaft zu klanglichen Kompromissen bedient werden. Auf der nächsten Seite warten ein paar Klangvariationen des Overdrive-Channels.
Los geht es mit einem typischen Classic-Rock-Sound mit mittenbetonter Verzerrung. Die SG bleibt angeschlossen und am Amp werden die Mitten und Höhen etwas aufgedreht. Mit relativ geringer Gain-Einstellung kommen wir dem typischen britischen Rocksound sehr nahe.
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Classic Rock
Jetzt das andere Extrem: ein Metal-Sound mit viel Gain und einer Mid Scoop Einstellung. Hier lassen sich sehr viele Klangfacetten mit dem Einsatz des Treble-Reglers realisieren. Bei der Aufnahme stand er auf 14 Uhr, aber schon ein klein wenig mehr macht den Sound spitzer, weniger erheblich dumpfer. Wer gerne mit solchen kleinen Soundveränderungen arbeitet, wird hier seinen Spaß haben. Den Bassregler habe ich nicht weiter aufgedreht, denn der liefert bei höherer Einstellung einen heftigen Tiefbass-Schub, der schon mit dem Sound des Bassisten in der Band kollidieren könnte.
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Metal
Als nächstes kommt eine Einstellung, die sehr gut zum Solospielen geeignet ist. Mit weit aufgedrehtem Gain erhält man einen fetten Ton mit gutem Sustain und einer sehr guten Durchsetzungsfähigkeit im Bandgefüge.
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Lead
Jetzt nehmen wir die Reaktion auf das Volumenpoti bei hoher Gain-Einstellung unter die Lupe. Dreht man den Volumenregler an der Gitarre zurück, dann wird auch die Verzerrung entsprechend geringer. Ähnliches passiert auch mit der Anschlagsdynamik, allerdings ist Akkordwiedergabe bei voll aufgedrehtem Volumen an der Gitarre etwas undifferenziert und leicht matschig.
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Dyna Poti
Mit dem Reverb kann ich mich nicht so ganz anfreunden, denn es klingt etwas blechern und hat eine recht lange Nachhallzeit. Bei Einstellungen von acht bis zehn Uhr ist der Sound noch recht dezent, aber dann ist der Federhall nur noch als purer „Effektsound“ einsetzbar. Es ist leider nicht der übliche warme Federhall, der vor allem von Puristen so geschätzt wird. Im folgenden Beispiel hört ihr drei Einstellungen des Reverbs, zuerst auf 9, dann 12 und danach auf 15 Uhr.
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Reverb
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Der VHT Lead 20 bringt einen soliden Grundsound mit macht insgesamt einen guten Job. Der cleane Kanal besitzt ausreichend Reserven, sich auch unverzerrt in einer größeren Bandbesetzung durchzusetzen. Der Overdrive-Channel punktet mit facettenreichen Zerrsounds, die mit der sehr gut arbeitenden Klangregelung einstellbar sind. Leider ist die klangliche Abstimmung beider Kanäle nicht so ganz gelungen. Schaltet man von einem knackigen Cleansound auf den Overdrive-Kanal, ist dieser fast schon zu bissig. Der zweite Kritikpunkt ist der etwas mittig und daher leicht „blechern“ klingende Hall – hier gibt es Raum für Verbesserungen. Wer aber die Kanäle hauptsächlich einzeln nutzt und keinen Wert auf Hall legt, der hat mit dem Lead 20 Combo einen sehr flexiblen Partner an seiner Seite. Das Preis-Leistungsverhältnis ist gut.
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
Arbeitsweise und Wirkungsgrad der Klangregelung
Cleansound bleibt auch bei hohen Lautstärkeeinstellungen unverzerrt
Endstufenkompression beim Cleansound
Verarbeitung
Contra
Reverb klingt etwas blechern
Klangliche Anpassung zwischen Clean- und Overdrive-Channel
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