Ich kann mir schon den Eintrag in unserer Kommentarfunktion vorstellen: “Hey, Leute von bonedo.de, das habt ihr doch schon mal getestet!” – Haha, denkste, lieber Leser: haben wir nicht. Aber gut aufgepasst! Das vorliegende JZ Microphones Vintage 47 teilt mit dem Vintage 67 nicht nur den Großteil seines Namens, sondern auch das Aussehen! Doch soll man nach diesem bekanntlich nicht urteilen, also wird auch das 47er auf den Mikroständer gehievt.
Anhand von Produktbezeichnung wird heutzutage gerne die Nähe zu Geräteklassikern suggeriert. Wenn ein Kompressor beispielsweise NY-2A getauft wird, so möchte man offenbar mitteilen, dass man klanglich ein Gerät ähnlich des beliebten LA-2A zu erwarten hat (außerdem wird in diesem Fall eine nicht unerhebliche Portion Humor deutlich.). JZs Herangehensweise ist ebenfalls offensichtlich: Vintage V67 soll dem Neumann U67 nahe sein, das mittlerweile ebenfalls erhältliche JZ V12 dem AKG C12 und das hier getestete V47 einem der U47-Klassiker von Neumann. Im Falle des JZ V67 fand ich den Vergleich nicht wirklich gelungen, halte das Mikrofon aber dennoch für hervorragend –wie übrigens alle JZs, mit denen ich bislang gearbeitet habe.
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DETAILS
Das JZ Vintage 47 ist ein transformerloses Grossmembran-Mikrofon mit einer Nierenkapsel. Neumanns umschaltbares U47 verwendete eine VF 14 von Telefunken, das ist eine (Stahl!-)Röhre. Deutlich später nahm Neumann ein U 47 FET ins Sortiment, welches als nicht unwesentlich klangbildenden Bestandteil einen Feldeffekttransistor in seinem Inneren und daher auch in der Produktbezeichnung aufweist.
Auch im V47 kommt die spezielle Sputtering-Methode der “Golden Drops” zum Einsatz, die in den vorigen Tests ja bereits hinlänglich beschrieben wurde. Der wesentliche Unterschied zu den Brüdern der Vintage-Familie liegt darin, dass eine nicht vorpolarisierte 1”-Druckgradientenempfänge-Kapsel verbaut wurde, die so gut wie alleine für die Charaktereigenschaften des alten Vorbilds sorgen soll. Das mit der üblichen Phantomspannung von 48 Volt zu versorgende JZ verfügt den Angaben nach über ein breites Frequenzspektrum, einen maximalen Schalldruckpegel von 134 dB SPL (5% THD), einen Übertragungsfaktor von 22 mV/Pa und ein Eigenrauschen von flüsterleisen 6 dB(A).
Auch der Korpus des Vintage 47 ist mit dem Designelement “Loch” ausgestattet. Juris Zarin setzt es offenbar gerne als Markenzeichen seiner Mikros ein. Das an einen Flachmann erinnernde Gehäuse kann mit einem praktischen Kugelgelenk ausgerichtet und bei gefundener Position mit einem Feststellring sicher fixiert werden. Glitzern tun alle Varianten der Vintage-Serie, allerdings muss man sich um die Abriebfestigkeit Sorgen machen. Eine externe elastische Halterung ist nicht erhältlich, aber laut Hersteller auch nicht nötig: Die Membran ist im großen Korb ausreichend geschützt aufgehängt, vor der Inbetriebnahme muss man daher eine Schraube auf der Rückseite entfernen. Soll das 47 transportiert werden, ist man sicher gut beraten, diese Schraube wieder zu befestigen.
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PRAXIS
Der Praxistest sorgt für erstaunte Gesichter. Es ist die Sängerin, die zuerst feststellt, dass das Mikrofon rauscht. Ich bin in der Regie nach Aktivierung der Phantomspeisung noch mute, sie hört das ungepegelte Signal bereits leise über den Studiokopfhörer. Als ich den Kanalzug freischalte, um mit ihr reden zu können, fällt es mir dann auch auf. Dabei ist dieses V47 sogar schon das Zweite: Das Erste hatte ich mit der Angabe, dass es offensichtlich defekt sei, zurückgeschickt – denn es rauschte erheblich. (Dennoch habe ich auch damit aufgenommen, die Files von beiden Mikros findet ihr in diesem Test). Im Vergleich dazu verhält sich die zweite Version immerhin etwas moderater. Erstaunlich ist aber, dass ein starker Unterschied in der Art des Rauschens auszumachen ist. War es beim Ersten ein brummeliges Geräusch mit seinem wesentlichen Anteil in den unteren Mitten, ist das des Zweiten eher hochfrequent. Ich glaube sicher nicht, dass die technischen Daten frei erfunden sind, doch 6 dB(A) sind das im Leben nicht, eher 26. Ich überprüfe wie immer in solchen Fällen Kabel und Preamps, benutze alle greifbaren Vergleichsmikros und tausche herum, was das Zeug hält. Mal ganz abgesehen davon, dass der Test mit dem ersten V47 in einem völlig andern Studio mit komplett anderen Komponenten durchgeführt wurde. Es ist also klar: ein erneuter Defekt! Wenn mal ein Mikrofon rauscht, mag das ein Montagsprodukt gewesen sein. Aber wenn das Nächste nicht viel besser ist…?
Das folgende File habe ich, entgegen der Gepflogenheiten bei bonedo, mit ordentlich Vorlauf versehen, damit ihr den Unterschied zum dagegen getesteten Equitek E200 (auch nicht gerade als Rauschabstandswunder bekannt) deutlich wahrnehmen könnt. Hart, oder? Danach habe ich das Signal so komprimiert, wie ich es mit Vocals dieser Art auch in einer Produktion tun würde…bitte festhalten:
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E200 weibl. Vocals, 15 cm AbstandV47, weibl. Vocals, 15 cm AbstandE200, weibl. Vocals, 5 cm AbstandV47, weibl. Vocals, 5 cm AbstandE200, weibl. Vocals, 35 cm AbstandV47, weibl. Vocals, 35 cm AbstandE200, weibl. Vocals, 35 cm Abstand, komprimiertV47, weibl. Vocals, 35 cm Abstand, komprimiert
So weit wird die Vintage-Liebe doch wohl bei JZ nicht gehen, dass man sich an einem stark gealterten und oft durchaus stark rauschenden Original-47er orientiert! In den folgenden Beispielen könnt ihr das (zuerst getestete) V47 mit seinem Bruder V67 vergleichen.
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V67, männl. VocalsV47, männl. VocalsV67, GitarreV47, GitarreV67, Song mit männl. VocalsV47, Song mit männl. VocalsV67, Song mit weibl. VocalsV47, Song mit weibl. VocalsV67, DrumsV47, Drums
So viel steht fest: Wenn zwei Testobjekte einen ähnlichen Fehler aufweisen, dann muss das einfach zur Abwertung führen! Ich entscheide mich aber dennoch dafür, den Test weiterzuführen, schließlich ist im Rauschen ein Signal zu erkennen, welches durchaus Freude machen könnte. Kümmern wir uns also um die Klangeigenschaften. Einen Direktvergleich mit Original-U47ern zu starten, wäre ein umfangreiches Unterfangen, denn die heute verfügbaren Mikrofone unterscheiden sich klanglich oft sehr deutlich voneinandern –was also der ureigene U47-Sound ist, ist gar nicht so einfach zu definieren.
Die Höhen klingen jedoch wie zu erwarten deutlich moderner als bei alten 47ern. Nicht nur die Tatsache, dass oberhalb von 10 kHz beim V47 mit viel Pegel übertragen wird, das JZ wirkt insgesamt recht “schnell” und spritzig. Vielen Vocals kommt dieser Grundcharakter sicher zugute, vor allem, wenn keine “Dickmacherei” gefragt ist. Das Signal ist präsent, aber nicht überpräsent. Dazu gesellen sich moderate Bässe und untere Mitten, die den Griff zu Shelf und High-Pass oft unnötig machen – ohne, dass das Aufgenommene fundamentlos klänge. Im absoluten Nahbereich habe ich schon oft einen angenehmeren Proximity-Effekt gehört, auf mich wirkt er beim V47 etwas zu dröhnig. Wäre da nicht das Rauschproblem, könnte ich das JZ reinen Gewissens in eine Reihe mit dem V67 stellen. Dass hier trotz einiger deutlich unterschiedlicher technischer Grundlagen eine klangliche Verbindung zum U67 hergestellt wird, erscheint übrigens beim JZ Vintage 47 deutlich nachvollziehbarer als bei U67 und V67.
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FAZIT
Ich muss vorweg unterstreichen, dass ich von JZ-Mikrofonen generell sehr überzeugt, teilweise sogar wirklich begeistert bin. Davon zeugen die bislang drei Tests auf bonedo.de, vor allem das wirklich absolut grandiose 301BT und die BH-Serie haben es mir angetan. Super Mikros, vor allem das Kapseldesign ist wirklich hervorragend! Zu bemängeln hatte ich bislang im Wesentlichen die fehlende Verfügbarkeit einer elastischen Halterung und eine meiner Meinung nach äußerst unpassende Produktbezeichnung. Nicht viel also. Bei dem Modell in diesem Test, dem “Vintage 47”, sieht die Sache aber anders aus – obwohl es optisch mit dem ebenfalls guten “Vintage 67” absolut identisch ist. Es klingt wirklich ordentlich und transportiert klanglich auch einen “modernisierten” Vintage-Charme, doch ist das Rauschverhalten eines Mikrofons dieser Preisklasse im Jahr 2011 überhaupt nicht angemessen. Selbst wenn euch der generelle Klangcharakter des 47 zusagen sollte, mein Tipp ist eindeutig: Wenn ihr auf Nummer sicher gehen wollt, seht euch lieber woanders im JZ-Produktportfolio um!
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