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Focusrite Control 2802 Test

PRAXIS

Es dürfte deutlich geworden sein: Das Focusrite Control 2802 kann viel, es vereint ein ausgewachsenes analoges Mischpult mit einer recht umfangreichen DAW-Steuerung – und damit bietet es sich als Schaltzentrale für Projektstudios unterschiedlichster Auslegung an. Insbesondere die Routing-Möglichkeiten des 2802 sollte man nicht unterschätzen. Das Pult kann viel, sogar viel mehr, als man vielleicht auf den ersten Blick denken könnte. Darin liegt aber auch eine Herausforderung: Das Focusrite verlangt dem Anwender etwas Kreativität und vor allem Überblick ab, wenn man die Funktionalität wirklich ausreizen möchte. Dies wiederum setzt eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Materie voraus, erst recht, wenn man das Pult geschickt mit einer externen Patchbay verkabeln möchte. Generell hilft bei all diesen Dingen das Blick ins Handbuch, und glücklicherweise ist eben jenes beim 2802 nicht nur sehr umfangreich, sondern dank zahlreicher farbiger Abbildungen und Routing-Block-Diagramme auch recht fluffig in der Lektüre.
Ist diese Hürde aber genommen, kann das 2802 mit einer Ausstattung, der es an kaum etwas mangelt, seine Aufgaben übernehmen. Dank zahlreicher Funktionen kann man das Pult wahrlich als Herzstück eines Projektstudio-Setups bezeichnen. Seine Vorzüge kann die kleine Focusrite–Konsole dann in einer Vielzahl von Anwendungssituationen ausspielen. Das 2802 eignet sich mit seinen Mic-Preamps und dem Quasi-Inline-Routing hevorragend für Recording-Zwecke bei kleineren Band-Setups, und zudem ist man auch bestens für die Audio-Mischung aufgestellt, wobei das 2802 dann als Summierer und Routing-Zentrale fungiert und dank des Kompressors sogar Möglichkeiten zur Klanggestaltung bietet.

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Trotzdem müssen wir einen Blick werfen auf die Dinge, die das 2802 nicht bietet. So müssen wir auf einen EQ in den Mic/Line-Kanälen ebenso verzichten wie auf Subgruppen/Busse. Für Letzteres bieten die Routing-Optionen des Pultes zwar einen gewissen Workaround, aber flexibel oder gar übersichtlich ist das dann noch lange nicht.
Natürlich ist neben all diesen technischen Details auch der Klang selbst ein entscheidender Faktor. Zunächst die Mic-Preamps: Generell agieren diese im positiven Sinne unauffällig. Sie stellen den Charakter des Eingangssignals gut heraus, ohne diesen mit deutlicher, eigener Prägung zu versehen. Bei einem zeitgemäßen Mischpult ist das ein sehr gängiges Verhalten. Auch SSL-Preamps werden nicht unbedingt für ihren (kaum vorhandenen) Eigencharakter geschätzt, sondern vielmehr für die Eigenschaft, einer Vielzahl von Signalen nicht im Wege zu stehen. Wenn sich überhaupt eine Eigenschaft der Vorverstärker ausmachen lässt, dann die, dass sie die Tendenz haben, Signale etwas zusammenrücken zu lassen, subjektiv erscheint der Ton etwas weicher und dicker, was in vielen Fällen kein Nachteil sein muss. Im Gegenteil – scharfe, aggressive Signale erzielt man meist im Handumdrehen, während die elegante Verrundung allzu ausgeprägter Ecken und Kanten oftmals eine wesentlich delikatere Aufgabe darstellt.

Audio Samples
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Audiobeispiel

Ähnlich arbeitet auch der weitere Teil des Audiosignalwegs im 2802. Bei der Summierung darf man keine vordergründigen, plakativ gefärbten Resultate erwarten. Vielmehr liegen die Vorzüge auch hier im Bereich der Feinheiten: Grundsätzlich überzeugt das Focusrite-Pult mit sehr sauberem, transparentem Klang. Nichtsdestotrotz sorgt die Summierung für einen ähnlichen Effekt, wie wir ihn auch beim Mic-Preamp beobachtet haben: Der Klang wird kompakter, die Signale rücken mehr zusammen, ohne dass das Klangbild klein oder eng wird, vor allem wird das Airband etwas runder und weicher, so dass hochfrequente Artefakte etwas zurücktreten und stattdessen die schön körperlichen Mitten mehr in den Fokus rücken. Vielleicht wird dazu noch der Bassbereich eine Idee konturierter hervorgehoben. Auch wenn es platt klingen mag: Durch das 2802 summiert klingt eine Produktion in der Tat „analoger“ als das rein digital gerenderte Pendant. Dieser Effekt ist weit entfernt von vintagemäßig-schraddeliger Zerr-Ästhetik, je nach Perspektive mag man ihn als subtil bis sehr subtil bezeichnen. Zumal man gute Peripherie benötigt, um wirklich das Optimum aus solch einem Setup herauszukitzeln – in diesem Falle Wandler von Lavry und Lynx (geclockt vom Lavry), hochwertige Kabel von Mogami und Kimber sowie eine stabile Stromversorgung. Jedenfalls klingt das Focusrite definitiv eher nach „großer Konsole“ als nach Kompaktpult. Das ist auch kein Wunder, denn es ist ja direkt mit dem Audient-Flaggschiff ASP8024 verwandt, auch wenn mittlerweile der Name „Focusrite“ draufsteht.
Der Summenkompressor ist eine gerne mitgenommene Zugabe; nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. Tatsächlich ist die Dynamikeinheit recht vielseitig, und dank der niedrigen Ratio-Einstellungen und der Softknee-Abstimmung auch für eher sanfte Summen-Einsätze ganz gut zu gebrauchen. Allerdings reagiert der VCA-Kompressor in manchen Situationen etwas zickig, die Feineinstellung hat es durchaus in sich. Zudem ist er eben nicht um einen diskreten VCA aufgebaut und hat deswegen den selben eng-aggressiven Grundcharakter wie auch seine Pendants von SSL, Smart Research, usw. Eventuell wäre eine Hardknee-Abstimmung, die die drahtig-zackigen Aspekte noch unterstreicht, vorteilhafter und „ehrlicher“ gewesen. So gibt sich der Kompressor etwas unentschlossen. Man kann durchaus vorteilhafte Ergebnisse herauskitzeln, allerdings kann er sich nicht mit high-endigen Vertretung seiner Gattung messen – was bei dem Preis vielleicht auch etwas zu große Erwartungen wären. Der Kompressor kann durchaus Pegel herausholen und den Klang insgesamt kompakter machen, ingesamt denke ich jedoch, dass das 2802 mit seinem smoothen Grundklang sich mit einem eher seidig-dicken Kompressor besser verträgt, als mit einer VCA-Einheit solcher Couleur. Aber: Man ist ja nicht gezungen, den Comp auf die Summe zu legen, sondern kann ihn auch extern auf einzelne Signale patchen. Und wer weiß, vielleicht gefällt dem einen oder anderen Anwender sein Charakter ja gerade gut?

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