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Electro-Voice RE50B Test

Der amerikanische Hersteller Electro-Voice ist unter anderem für ein dynamisches Mikrofon bekannt, welches so gut wie keine Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt aufweist: Das RE20 nutzt erfolgreich ein aufwändiges akustisches System, das das Mikro allerdings absolut riesig werden lässt.

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Muss es nicht unbedingt ein Mikrofontyp sein, der richtend ist, also Schall aus bestimmten Richtungen ausblendet, kann man alles auch deutlich einfacher haben: Nutzt man einen Druckempfänger statt eines Druckgradientenempfängers, dann gibt es diesen Effekt nicht.
Das EV RE50B ist ein solches Mikrofon und präsentiert sich äußerst schlicht, wie man auf den Fotos schon unschwer erkennen kann. Sein Hauptanwendungsfeld ist Sprache, vor allem dann, wenn kein konstanter Abstand und kein konstanter Winkel eingehalten werden können, also vor allem in Interviewsituationen im Außeneinsatz.

Details

Ist das EV RE50B Omni-Exot?

Die Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt kann durchaus gewünscht sein, sorgt sie doch für die durchsetzungsfähige „Bierwerbungsstimme“. Allerdings ist diese oftmals recht unnatürlich. Außerdem ist das Problem die Veränderung der Klangfarbe, wenn man sich vor dem Mikrofon bewegt. Im ersten Absatz dieses Reviews ist es schon zu erkennen, viele unter euch Lesern werden es wissen: Ein Druckempfänger hat im Gegensatz zum Gradientenempfänger immer eine bestimmte Richtwirkung. Und das ist die Kugel! Moment: Sprache, vor allem Interviews, womöglich noch auf der Straße, und ein Kugel-Pattern, passt das zusammen? Ja, es passt, und das Electro-Voice RE50B ist kein Exot! Schon das Sennheiser MD 21 verfolgte dieses Konzept, das Mikrofon war lange Reporterstandard. Unsere westlichen Nachbarn in Frankreich nutzten (und nutzen noch!) gerne das LEM DO21B, das Funkberater PGH aus der DDR war hinter dem eisernen Vorhang beliebt. Und auch heute sind dynamische, omnidirektionale Mikrofone wie das Audio-Technica 8004, das Sennheiser MD 42 oder das Beyerdynamic M56 im regen Einsatz. 

Fotostrecke: 3 Bilder Typisch omnidirektionales Reportermikro: einfacher Aufbau

Optisch eigenschaftsloses Mikrofon

Wie alle Kugeln benötigt auch das Electro-Voice RE50B keinen Schalleinlass von der Rückseite, weil sich hinter der Membran ein abgekapseltes Luftvolumen befindet und weder eine weitere Membran oder ein Laufzeitglied, wie es bei allen Nieren-Mikros der Fall ist, noch einfach nichts, wie bei echten Achten. Schaltfunktionen gibt es keine, die Form ist absolut simpel, sodass man das RE50B böswillig als etwas eigenschaftslos bezeichnen könnte. Der Aluminiumkorpus, also der „Griff“, wird durch einen Zylinder geformt, aufgesetzt ist der Kopf, der auf der Vorderseite ein typisches Drahtgitter besitzt. Nimmt man den Kopf ab, blickt man auf eine Schaumstoffkonstruktion, unter der sich die Membran mit der aufgeklebten Tauchspule befindet. Unten im Fuß befindet sich eine XLR-Buchse, sonst gibt es tatsächlich nichts zu berichten.

80 Hz bis 13 kHz

Obwohl es kein großes Problem darstellt, die Übertragung auch dynamischer Mikrofone im Druckempfängerprinzip im tiefsten Frequenzbereich beginnen zu lassen, hat das RE ein deutliches Roll-Off von etwa 6 dB/oct, sodass die untere Grenzfrequenz mit 80 Hz angegeben wird. Für die Aufnahme der menschliche Stimme – wofür das Mikrofon ja nun in erster Linie entwickelt wurde – ist das natürlich vorteilhaft, denn schließlich möchte man das sonore Brummen des vorbeifahrenden Busses nicht unbedingt aufnehmen. Äußerste Linearität ist nicht das Spezialgebiet eines Tauchspulenmikrofons, so ist es auch bei dem Electro-Voice. Zwischen 5 und 10 kHz findet man eine Überhöhung, sicher ebenfalls zur Optimierung der Stimmwiedergabe. Mit 13 kHz ist die obere Grenzfrequenz angegeben. Das RE50B wird mit 150 Ohm Impedanz an allen Mikrofonvorverstärkern funktionieren, auch an mobilen. Eine Batterie oder Phantomspeisung ist natürlich nicht nötig – das Mikrofon wird angeschlossen und funktioniert. Mit 1,6 mV/Pa ist es ungefähr so empfindlich wie ein Shure SM58, ein maximaler Schalldruckpegel ist nicht angegeben – aufgrund des pegelresistenten Prinzips auch nicht nötig, erst recht nicht bei der Aufzeichnung von Sprache. 

1,6 mV/Pa: üblicher Wert für ein dynamisches Mikro
1,6 mV/Pa: üblicher Wert für ein dynamisches Mikro

Verschiedene Windschutze… und Schreibweisen

Das Mikro kommt mit Reißverschlusstasche und Stativadapter, als Zubehör sind verschiedene Windschutze und ein Tischstativ verfügbar. Übrigens: Ich habe selbst in offiziellen Unterlagen von Electro-Voice die Bezeichnungen RE50B, RE50-B und RE50/B gefunden. Da kann sich also jeder was aussuchen.

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Praxis

Prinzipbedingt robust und zuverlässig

Im schlimmsten Fall muss ein Reporter den ganzen Tag lang Fußgängerzonen auf- und abrennen, um mehr oder weniger sinnvolle Ergüsse der Menschen einzufangen. Insofern ist es natürlich vorteilhaft, wenn das Mikrofon, mit dem man vor den Gesichtern herumstochert, gut in der Hand liegt. Rein gewichtsmäßig trifft das auf das Electro-Voce RE50B zu, denn mit 270 Gramm ist es etwas leichter als etwa ein SM58, aber dennoch nicht so leicht, dass es schnell aus der Hand fällt. Das 20 Zentimeter lange Mikro könnte für größere Hände gerne etwas dicker sein oder zumindest konisch geformt, weil man es üblicherweise weit unten am Schaft hält. Ich habe recht große Hände und mich bei Nutzung eines ähnlichen Mikros schon mal dabei erwischt, das Kabel um den Korpus zu wickeln, um bei langem Gebrauch besser greifen zu können. Wichtiger in jedem Fall: Das Ding wirkt sehr robust, es gibt eigentlich nichts, was abbrechen oder sonst wie kaputtgehen könnte. Körbe mit Dellen kann man austauschen, Kratzer nennt man „Patina“ und Tauchspulenmikros arbeiten auch bei -20 Grad genauso zuverlässig wie bei 40 Grad und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit.  

Schaft vielleicht etwas schmal, aber ein sehr robustes Mikrofon: RE50B
Schaft vielleicht etwas schmal, aber ein sehr robustes Mikrofon: RE50B

Klang variiert kaum

Die Soundbeispiele zeigen, dass (wie zu erwarten) der Klang nicht sonderlich variiert, wenn man vergisst, dem Gegenüber das Mikrofon rechtzeitig auf die Nasenspitze zu richten und sich Einsprechwinkel und Abstand ändern. Das stabilste Polardiagramm hat die Richtcharakteristik Acht eines Einzelmembran-Mikros, Kugeln haben immer eine leichte Höhenanhebung bei frontaler Besprechung, weil sich für rückwärtigen Schall das Mikrofon quasi selbst im Weg ist – und das macht sich bei geringen Wellenlängen, also hohen Frequenzen zuerst bemerkbar. Dennoch ist es klanglich zu verzeihen, wenn etwas Bewegung im Spiel ist oder zwei Takes zusammengeschnitten werden müssen. Die Höhenanhebung durch den nur bei Druckempfängern auftretenden Druckstau fällt erst bei geringer Besprechung ins Gewicht, aber auch das nicht sonderlich stark.

Audio Samples
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Electro-Voice RE50B Sennheiser MD 441 Sennheiser MD 21 Shure 545SD DPA d:facto II Interview

Natürlicher Klang

Ganz generell klingt eine Kugel sehr natürlich, das gilt auch für das EV RE50B. Natürlich nimmt man mit der Kugel viele Umgebungsgeräusche auf und kann in lauten Umgebungen schlecht freistellen. Im Audiobeispiel fährt gerade die Bahn vorbei – da spart man sich quasi die zusätzliche Atmo-Aufzeichnung. Im Vergleich zu richtenden Mikros wie dem Shure 545SD oder dem Sennheiser MD 441 fällt auf, dass der Bass deutlich trockener und schwächer ist, die Natürlichkeit kann auch als „Langweiligkeit“ interpretiert werden. Das gilt aber nur im Direktvergleich, langfristig sind Kugel-Klänge durchaus angenehmer. Mit dem Electro-Voice erhält man ein rauscharmes Signal, das frei von Popplauten ist und auch extremes Umgreifen, ja sogar Schlagen gegen einen Gegenstand nicht mit einem irrsinnigen Pegelschub und einer automatisch unbrauchbaren Aufnahme quittiert. 

Das RE50B ist recht präsent und macht seine Sache gut.
Das RE50B ist recht präsent und macht seine Sache gut.

Hohe Sprachverständlichkeit

Das Mikrofon ist darauf getrimmt, Sprache verständlich aufzunehmen und nutzbar zu machen, wenn es mal schnell gehen muss, auch ohne den Einsatz von EQ und ausgefuchster Kompression. Während die Dynamik erstaunlich weit ist und auch Details sehr flott wiedergegeben wird, ist die Präsenzanhebung durchaus merklich. Diese der Verständlichkeit von Sprache zuträgliche Eigenschaft ist zunächst vorteilhaft und genau passend für typische kurze Radio- oder EB-Beiträge, bei längeren Interviews oder Dokumentationen stellt sich ein, dass der Charakter etwas zu bissig wirkt und das Gehör überanstrengt. Schlimm ist das überhaupt nicht, denn längere Beiträge werden ja üblicherweise geschnitten und auf diesem Wege auch audiomäßig optimiert (sofern es Budget und Kompetenzen/Personal zulassen). Bell-Filter bei 7 kHz, Q von 1,5, Gain von -3 dB – fertig ist man mit dem Thema und hat das EV „entschärft“.

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Fazit

Electro-Voice bietet mit dem RE50B ein Arbeitstier an, welches durch die genau richtigen Eigenschaften um Käufer buhlt. Es kostet nicht übertrieben viel, ist robust, auch von Laien einfach zu bedienen, funktioniert an eigentlich allen relevanten Systemen, benötigt keine Batterie, Phantomspeisung oder sonstige Aufmerksamkeit, liefert ein rauscharmes, natürlich klingendes Signal mit hoher Sprachverständlichkeit. Der etwas schmale Schaft kann bei langer Benutzung genauso stören wie der auf Dauer etwas spitze Klang – all dies ist jedoch kein Beinbruch.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • natürlicher Klang bei gleichzeitig hoher Sprachverständlichkeit
  • einfachstes Handling
  • kaum Klangfarbenänderung bei Variation von Winkel und Abstand
  • unempfindlich gegen Popplaute und Handling-Noises
  • robust
  • preiswert
  • spannungsunabhängig
Contra
  • für lange Sprachbeiträge etwas anstrengender Klang
Artikelbild
Electro-Voice RE50B Test
Für 299,00€ bei
Electro_Voice_EV_RE50B_8
Features und Spezifikationen
  • Wandlertyp: dynamisch (Tauchspule)
  • Empfängertyp: Druckempfänger
  • Richtcharakteristik: Kugel
  • Frequenzgang: 80 Hz – 13 kHz
  • Übertragungsfaktor: 1,6 mV/Pa
  • Preis: € 282,– (UVP)
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1,6 mV/Pa: üblicher Wert für ein dynamisches Mikro

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