Steinberg Wavelab Pro 9 Test

Früher gab es zahlreiche Audio-Editoren, die für die Bearbeitung von Samples, aber auch zum Mastern verwendet wurden. Mittlerweile ist der Markt sehr ausgedünnt. Zum Glück ist Steinbergs Flaggschiff Wavelab gerade in der Version 9 vorgestellt worden und wurde um allerlei spannende neue Funktionen erweitert.

Wavelab_9_Aufmacher


Meine ersten Berührungen mit Wavelab liegen lange zurück. Damals ging es mir vor allen Dingen darum, mit dieser Software Audio-CDs zu brennen. Das war zu Zeiten, als nicht nur professionelle Mastering-Studios diese Aufgabe zu erledigen hatten, sondern jeder Tonschaffende seine Arbeitsergebnisse auf Audio-CDs (oder DAT-Cassetten) weitergab. Die Zeiten haben sich seitdem sehr geändert und ich habe meine Arbeitsergebnisse schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf einer Audio-CD abgegeben. Für Wavelab gibt es trotzdem noch zahlreiche Einsatzgebiete. Dazu gehört natürlich immer noch der Bereich Mastering, also der letzte Bearbeitungsschritt einer Audioproduktion, bei dem die verschiedenen Werkteile klanglich aneinander angepasst und am Ende zum Beispiel in ein Presswerk oder zu den Musik-Online-Stores geliefert werden. Aber auch viele andere Anwendungen sind denkbar: Zum Beispiel im Bereich Broadcasting, wo neben der klassischen Audiobearbeitung auch ein Lautheits-Processing stattfinden muss, um die Audiodateien auf Sendepegel zu bringen, wo aber auch Stapelbearbeitungen oder umfangreiche Scriptings anfallen können, um die Audiodateien in ein Dateimanagement einzubinden. Wavelab ist eigentlich überall da das richtige Werkzeug, wo die klassische Mehrspur-Mischpult-Funktionalität von DAWs nicht benötigt wird. Gucken wir mal rein. 

Details

Allgemeines

Wavelab ist eigentlich ein „Stereo Editor“ im klassischen Sinne, was dem Programm jedoch in mindestens zweierlei Hinsicht nicht gerecht wird: Erstens kann Wavelab auch Surround-Formate handhaben und zweitens lassen sich auch mehrere Spuren gleichzeitig abspielen. 
In Ermangelung eines DAW-ähnlichen Mischpults ist diese Mehrspurigkeit jedoch nicht dafür gedacht, eine herkömmliche Mehrspuraufnahme abzumischen, sondern eher, um beispielsweise Überlappungen an Übergangen zu ermöglichen. Die funktionale Abgrenzung zu einer DAW sollte damit klar sein.

Fotostrecke: 2 Bilder Das neue Master Rig …

Anfänglich muss man sich ein wenig in die Wavelab-Welt einarbeiten und vor allen Dingen den Unterschied zwischen normalen Audiodateien, Audiomontagen (einer Anordnung mehrerer Audiodateien) und einigen anderen Wavelab-Spezialbegriffen verstehen. An dieser Stelle nur soviel: Mit den Basisfunktionen in Wavelab ist man recht schnell vertraut. Die Software kann jedoch noch viel mehr bis hin zu komplexem Batch-Processing und Skripting. Wer das Programm in seiner ganzen Tiefe ausnutzen möchte, benötigt aber einige Zeit zur Einarbeitung.
Um die Bedienung zu erleichtern, hat man mit Wavelab Pro 9 ein neues Ein-Fenster-Konzept eingeführt, das dem Nutzer über das sogenannte Ribbon im zentralen Bereich des Programmfensters immer gleich die Funktionen anbietet, die er in einer bestimmten Arbeitssituation benötigt. Um das zu gewährleisten, unterscheidet sich die Anzeige je nach dem gerade ausgewählten Funktionsbereich. 
Fenster auch für Mac
Darüber hinaus ist es aber auch möglich, den Wavelab-Arbeitsbereich nach eigenen Wünschen mit Fenstern zu bestücken und diese Anordnung als Layout zu speichern. Selbstverständlich sind auch mehrere dieser Layouts innerhalb eines Projekts speicherbar. 
Für Mac-Anwender wie mich ist das Fenster-Handling zwar gewöhnungsbedürftig, weil es sich einer für mich ungewohnten Fenster-Logik bedient, nach ein bisschen Einarbeitung habe ich aber alles so anordnen können, wie ich es mir vorgestellt habe. Die Fenster können „docked“ arrangiert sein, also alle ordentlich nebeneinander, aber auch als Float-Fenster mit beliebigen Überlappungen. 
Die Möglichkeiten, die Bedienoberfläche des Programms den eigenen Wünschen anzupassen, sind gigantisch. Neben diesen optischen Verbesserungen sind es aber vor allen Dingen die Klangbearbeitungsmöglichkeiten, die an Wavelab Pro 9 interessant sind. 

Praxis

Das Master Rig

Diese neue Plug-In-Kombination wertet Wavelab Pro 9 gegenüber den Vorgängerversionen erheblich auf, soviel sei vorab schon verraten. Steinbergs Master Rig besteht aus zehn unterschiedlichen Klangbearbeitungskomponenten, die sich in beliebiger Reihenfolge in einem Plug-In-Fenster miteinander kombinieren lassen. In diesem Fenster werden immer nur die Processing-Parameter des gerade ausgewählten Moduls angezeigt, alle Prozesse können einzeln auf Bypass oder Solo geschaltet werden. Eine gewisse Ähnlichkeit mit der Bedienlogik von Izotopes renommiertem Mastering-Werkzeug Ozone ist dabei nicht zu verhehlen. Letztendlich wird mit dieser Anordnung aber nur der normale Workflow eines Mastering-Engineers in einem Plug-In nachempfunden – und das ist auch gut so.


Die Anordnungsmöglichkeiten der Prozessoren im Master Rig ähneln denen von Izotopes Ozone.
Die Anordnungsmöglichkeiten der Prozessoren im Master Rig ähneln denen von Izotopes Ozone.

Vollständige M/S-Unterstützung

Die Abkürzung „M/S“ steht für Mitte-Seite-Stereophonie und für eine andere Art des Stereo-Handlings als das allseits bekannte L-R-Schema. Für die Zwecke dieses Tests soll die Erklärung reichen, dass man mit dieser Methode das Mittensignal und das Seitensignal getrennt bearbeiten kann. Für den Mastering-Engineer ist diese Methode häufig die effektivste, um ein Stereo-Master noch klanglich zu optimieren. Grundsätzlich lässt sich mit dieser Methode aber auch nachträglich der Stereoeindruck verändern, also verringern oder vergrößern. Und an dieser Stelle liegt das größte Risiko dieser Methode: Der Einsteiger dreht immer mehr Seitensignal rein und findet, dass der Klang besser wird. Das stimmt aber leider nicht immer. Letztlich gibt es zwei Probleme, die folgen können:

  • Man zieht das Seitensignal so weit hoch, dass die Balance mit den in der Mitte platzierten Instrumenten auseinanderfällt.
  • Das Abhören des Songs in Mono hat erhebliche Klangunterschiede zur Folge, er ist nicht mehr monokompatibel.

Im folgenden Klangbeispiel habe ich das ausgewogene Master gegen eine Version geschnitten, bei der der Stereoeffekt übertrieben ist und die Balance zwischen Mitte und Seiten nicht mehr stimmt:

Audio Samples
0:00
too much Stereo

Steinberg hat bei der Umsetzung der M/S-Technik keine halben Sachen gemacht und diese Technik in allen möglichen Bereichen umgesetzt. Alle Prozessoren im Master Rig (außer Limiter und den Imager) können das Mitten- und das Seitensignal getrennt bearbeiten und sogar die Wellenformdarstellung kann auf diese Darstellung umgestellt werden. Im Master Rig entscheidet der Benutzer pro Band, ob er im (Standard)-Stereo-, im M/S- oder im L/R-Modus arbeiten möchte. Eine größere Flexibilität kann man sich kaum vorstellen. Doch auch alle anderen Plug-Ins, die nicht für eine M/S-Bearbeitung ausgerüstet sind, können M/S-mäßig bearbeiten: Für jede Plug-In-Instanz in Wavelab Pro 9 lässt sich einzeln einstellen, welchen Signalanteil sie bearbeitet. Somit steht die M/S-Funktionalität letztlich allen Plug-Ins zur Verfügung.

Dank der Einstellungen zur Kanalbearbeitung kann jedes Plug-In in Wavelab auch nur den Mitte- oder Seitenbereich bearbeiten.
Dank der Einstellungen zur Kanalbearbeitung kann jedes Plug-In in Wavelab auch nur den Mitte- oder Seitenbereich bearbeiten.

In der Praxis wird jeder professionelle Mastering-Engineer froh sein, mit Wavelab sehr weitreichende Zugriffsmöglichkeiten auf Stereofiles zu haben. Wer seine eigenen Mixes mit Wavelab mastert, hat zusätzlich noch die Möglichkeit, das DAW-Projekt zu öffnen und dort die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.
Eng verbunden mit den M/S-Fähigkeiten in Wavelab sind auch die verbesserten Abhörmöglichkeiten im Masterbereich. 


Um zu überprüfen, ob man dem Track zu viel Stereobreite zugestanden hat, sollte man die Arbeitsergebnisse immer auch mal in Mono abhören.
Um zu überprüfen, ob man dem Track zu viel Stereobreite zugestanden hat, sollte man die Arbeitsergebnisse immer auch mal in Mono abhören.

Mit dem Umschalten auf Mono lässt sich schnell überprüfen, ob man es mit der Stereoverbreiterung übertrieben hat. Aber auch die Möglichkeit, nur einzelne Kanäle abzuhören ist in der Praxis unverzichtbar. Nun benötigt man dafür keine externen Geräte oder Plug-Ins, sondern kann die Quellenwahl gleich in Wavelab vornehmen – prima. 

Im folgenden Klangbeispiel habe ich das Master gegen die Mono-Version geschnitten, im direkten Vergleich ist der Unterschied sehr auffällig:

Audio Samples
0:00
Mastered vs. Mono

Weitere Neuerungen

Neben den großen Neuerungen gibt es allerlei kleine Workflow-Verbesserungen, die den Arbeitsalltag mit Wavelab Pro 9 erleichtern:

  • Direkter Dateiaustausch mit Cubase und Nuendo: Eine alte Funktion, die es zu Zeiten von Cubase VST 5 schon mal gab, lebt wieder auf: Wavelab Pro 9 hat eine direkte Verbindung zu den Steinberg-DAWs. Die Kooperation ist bidirektional und erlaubt nicht nur, dass man Wavelab als Sample Editor der DAWs verwendet. 
  • Das Send-Level von Clip-Effekten kann mit Wavelab Pro 9 dynamisch automatisiert werden. Zur Steuerung werden Automationshüllkurven verwendet.
  • Für die CD-Herstellung können CD-Text oder ISRC-Codes aus Textdokumenten oder Excel-Sheets ausgelesen werden. Endlich können Marker zwischen zwischen Audiodateien und Montagen kopiert und eingefügt werden.
  • Im Master-Abschnitt gibt es nun eine Resampling-Einheit, die für hochwertige Samplerate-Konversion sorgt, wenn das benötigt wird. Neben den bekannten Fest-Samplingrates kann man bei Bedarf auch ein beliebiges eigenes Format bestimmen.
  • Wavelab Pro 9 bietet ein flexibel gestaltbares Benennungsschema für die mit der Software gerenderten Audiodateien.
  • Neben den oben genannten Effekten sind auch ein Multiband-Envelope-Shaper und Multiband-Expander neu im Wavelab Pro 9 Angebot. Beide Effekte arbeiten ebenfalls in vier frei verschiebbaren Frequenzbändern.

Fazit

Steinberg Wavelab Pro 9 ist ein ausgereiftes Produkt mit einer Vielzahl an neuen Funktionen und erstaunlichen Gestaltungsmöglichkeiten für einen Audio-Editor. Die vielfältigen Möglichkeiten führen beim Einsteiger schnell dazu, dass die Software ein wenig unübersichtlich wirkt, das gibt sich aber, wenn man eingearbeitet ist. Das neue Master Rig klingt aus meiner Sicht hervorragend und die M/S-Funktionalität wertet das Programm noch einmal deutlich auf. Daumen hoch.

Pro
  • Master Rig
  • M/S-Funktionalität
  • dockbare Fenster
Contra
  • an manchen Stellen etwas unübersichtlich
Wavelab_9_Aufmacher
FEATURES:
  • Audio Editing und Mastering Software
  • unbegrenzte Anzahl an Audiospuren
  • bis zu 384 kHz
  • User Interface basierend auf einem Menüband mit Registerkarten
  • MasterRig High-End Mastering PlugIn Suite mit Equalizer, Dynamic EQ, Compressor, Limiter, Saturator und Imager sowie M/S Unterstützung
  • SoX-basierter Resampler
  • Multiband Expander und Multiband Envelope Shaper
  • direkter Austausch mit Cubase und Nuendo (Cubase 8.5.10 oder neuer und zukünftige Nuendo Versionen)
  • Projekt-Manager
  • Masterbereich mit 12-Slot Effektsektion
  • Funktionen wie DDP Unterstützung, Spektrometer, Bit-Meter, Phasescope, Wavescope
  • unbegrenzte Dateigröße
  • Audio-Analyse und Fehlerkorrektur
  • Marker-Werkzeuge
  • Brenner-Engine
  • CD/DVD-Audio Unterstützung
  • globale Audio-Analyse
  • 3D Spektrum-Analyse
  • Spektroskop und Oszilloskop
  • Lautsprecher Management System
  • EBU-konformes Loudness Metering und Processing
  • Master Transport Panel
  • Metadaten Unterstützung
  • Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch
  • für Windows 7/8/10 und MAC OSX ab 10.10
PREISE:
  • Wavelab Pro 9: 569 Euro
  • Update von Wavelab 8.5: 99,99 Euro
  • Update von Wavelab 8: 149 Euro
  • Update von Wavelab 7: 199 Euro
  • Update von Wavelab 6: 249 Euro
  • Update von Wavelab Elements 7/8/9: 479 Euro
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Master Rig
  • M/S-Funktionalität
  • dockbare Fenster
Contra
  • an manchen Stellen etwas unübersichtlich
Artikelbild
Steinberg Wavelab Pro 9 Test
Für 369,00€ bei
Hot or Not
?
Wavelab_9_Aufmacher Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1