Electrodyne 511 Test

Praxis

Klassische Tonblende

Abgesehen von den Peaking-Filtern, die nicht bei jeder Eckfrequenz zu Verfügung stehen, erklärt sich der Electrodyne 511 vollkommen von selbst. Einbauen, anschalten, loslegen! Dass es sich bei einem Entzerrer dieser Bauart nicht um ein „chirurgisches“ Frequenzwerkzeug handelt, sollte jedem halbwegs versierten Anwender beim Anblick des Fotos, spätestens aber beim Überfliegen der Specs klar sein. Stattdessen bietet der Electrodyne 511 die klassische Funktionalität einer Tonblende, mit welcher zu dumpf geratene Signale aufgehellt oder zu dünne Quellen angedickt werden können – kurzum, solch ein Sweetening-EQ dient der optimalen Anpassung eines an sich heilen Signals in seinen Kontext, wobei eine gleichzeitige Anhebung von Bässen und Höhen auch wunder wirkt, wenn ein Signal „größer“ gemacht werden soll. Nicht zuletzt wegen solcher Qualitäten wird der Pultec heute noch so geschätzt, und auch der Electrodyne liefert hier Resultate, die seiner kompakten Form keineswegs entsprechen. Fett, groß, gewichtig, das sind Klangattribute, die einem hier in den Sinn kommen.

Natürlich ist der 511 kein Präzisionswerkzeug für Reparaturen – das Signal muss auf der anderen Seite der Regieraumscheibe schon "richtig" vorliegen.
Natürlich ist der 511 kein Präzisionswerkzeug für Reparaturen – das Signal muss auf der anderen Seite der Regieraumscheibe schon “richtig” vorliegen.

Weiche Abstimmung von Bauteilen unterstützt

Ansonsten glänzt der Electrodyne 511 auch durch all die Dinge, die er gerade nicht macht: „phasiger“, verdrehter Sound: Fehlanzeige. Deutlich als solche wahrnehmbare EQ-Bearbeitung: Niemals! Stets klingt das bearbeitete Signal nach einer besseren Version von sich selbst. Nur eben schwerer, heller, offener oder dicker, ganz wie im jeweiligen Falle gewünscht. Die sehr weichen Abstimmungen der Filter begünstigen diesen Klangeindruck natürlich bereits auf dem Papier, aber die Transistoren, Kondensatoren, Spulen und Übertrager müssen es schlussendlich auch liefern. Und genau das ist hier der Fall. Auch bei maximaler Filteramplitude klingen die Höhen nur dann scharf, wenn dies im Ausggangssignal bereits deutlich so angelegt ist – auch in extremen Situationen bleibt die Natürlichkeit des Klangbildes immer erhalten.

Audio Samples
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Bass Original Bass +4dB @ 40 Hz Bass +4dB @ 40 Hz, +4dB @ 3 kHz  Bass +9dB @ 40 Hz, +4dB @ 3 kHz  Guitar Original Guitar +6dB @ 3 kHz Guitar +6dB @ 3 kHz, +2 dB @ 250 Hz Guitar +6dB @ 5 kHz, +2 dB @ 100 Hz Vocals Original Vocals +6dB @ 5 kHz Vocals +9dB @ 5 kHz Vocals +6dB @ 5 kHz, +6dB @ 250 Hz  Vocals +6dB @ 10 kHz, +6dB @ 100 Hz 

Zwischen Neve und API

Zwar klingt der 511 eben ausgesprochen sauber und natürlich, aber er ist auch nicht völlig frei von Charaktereigenschaften. Diese sehe ich ausdrücklich als Feature und nicht als Bug, zumal der Electrodyne mit einem ganz speziellen Naturell glänzen kann. Dieses lässt sich ungefähr auf halbem Wege zwischen Neve und API verorten. Fast könnte man sagen, er vereint das beste beider Welten. Zu hören gibt es die samtigen, weichen Höhen des Neve und dessen großen Larger-than-life-Bass. Allerdings wird das Ergebnis nie zu „woolly“, der Ton behält stets den trockenen Punch und die Konturen, die man eher einem API unterstellt. Lieblingssignale hat der 511 übrigens kaum: Als waschechter Konsolen-EQ bearbeitet er alles, womit man ihn füttert, mit der gleichen Qualität.

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