Ear Trumpet Mabel Test

Mikrofone von Ear Trumpet Labs sind absolute Hingucker. Das raue Industriedesign erinnert sofort an Steampunk, übersehen wird man diese Mikrofone wohl nie.

Ear_Trumpet_Labs_Mabel_ETL_1

Nun ist es besonders bei einem Studiomikrofon wie dem Ear Trumpet Labs Mabel durchaus zweitrangig, wie es aussieht: Es muss klanglich liefern. Andere Mikros des Hersteller, etwa Edna, Louise oder Myrtle, genießen in ihrem Heimatland USA einen guten Ruf, dementsprechend interessant ist es zu erfahren, was das Großmembran-Condensermic mit der umschaltbaren Richtcharakteristik an seinem XLR-Ausgang so anzubieten hat.  

Details

Perfektes Design – bis auf ein Teil

Simpel ist der Aufbau des kauzigen Mikros: Die mittenkontaktierte Braunmühl-Weber-Kapsel sitzt in einem runden „Tee-Ei“-Korb, der über zwei Pole mit einer Klammer verbunden ist und auf der Achse zwischen den beiden verdreht werden kann. Die Kapselsignale verlassen das Gebilde über ein flexibles Kabel, welches den im „Griff“, also dem Zylinder untergebrachten Impedanzwandler füttert. Das sieht alles zusammen durchaus ansprechend aus, zudem kommt das Mabel in einer unfassbar schicken roten Blechkiste. Was allerdings negativ auffällt, ist die Mikrofonhalterung: Eine Gummiklemme mit Shure-Aufdruck ist das letzte, was man bei so viel Designaufwand erwarten würde. Bei einem Preis von weit über eintausend Dollar wäre es sicher machbar gewesen, eine stilistisch passende Halterung herzustellen und beizulegen.  

Fotostrecke: 4 Bilder Im “Tee-Ei” arbeitet eine Doppelmembrankapsel.
Fotostrecke: 3 Bilder Formschönes Steampunk-Gehäuse

Kugel, Niere, Acht

Auf dem Kopf des Mikrofons befindet sich ein kleiner, dreistufiger Schalter, mit dem die Kapselverschaltung und somit die Richtcharakteristik bestimmt werden kann. Kugel, Niere und Acht stehen zur Verfügung. Kleine Icons sind dort auch eingraviert, doch richtig gut erkennen kann man sie leider nicht. Mit Petitessen wie Zwischenstufen gibt sich das ETL nicht ab, auch sonst häufig anzutreffende Schalter für Hochpassfilterung zur Kompensation des Proximity Effect oder einer Vordämpfung zur Ermöglichung einer stets verzerrungsarmen Übertragung gibt es nicht. Eine Angabe zum Maximalpegel ist in den Unterlagen nicht zu finden, wohl aber zur unteren Dynamikbegrenzung, dem Rauschteppich. Dieser liegt mit 17 dBA etwas über dem modernster Großmembranmikrofone, geht aber in Ordnung. Auf Kugel und Acht geschaltet werden pro Pascal 12 Millivolt ausgegeben, bei der Niere sind es aufgrund der höheren Richtwirkung 23 mV/Pa. Schön: Die Ausgangsimpedanz liegt bei geringen 50 Ohm, wodurch keinerlei Anpassungsschwierigkeiten oder Probleme bei langen Kabeln zu erwarten sind. Allerdings wird damit die Wirkung eines möglicherweise vorhandenen „Impedance“-Schalters eines Mikrofonvorverstärkers auch weniger Gewicht haben. Den Frequenzgang gibt Ear Trumpet Labs mit 20 Hz bis 18 kHz an. Sehr schön ist, dass hier keinerlei Beschönigung stattfindet: Es sind die -3dB-Punkte und die Werte sind absolut typisch für diese Mikrobauart.

Patternwahlschalter auf Mabels Kopf
Patternwahlschalter auf Mabels Kopf

Praxis

Tiefen unaufgeregt

Durch seine Bauform lässt sich das Ear Trumpet Labs Mabel besonders gut ausrichten, in kleinen, beengten Setups ist das wirklich wertvoll. Bei extremen Neigungen des Kopfes arbeitet das Kabel zwischen Head und Body leider dagegen, aber es gibt genügend Achsen, um es auszurichten und zu fixieren. Schon der erste Check zeigt, dass man es beim Mabel nicht mit einem Bassmonster zu tun hat, die Tiefen zeigen sich aufgeräumt und unaufgeregt, mit ein wenig negativer Grundeinstellung würde man sagen: dünn. Allerdings hat das auch den entscheidenden Vorteil, dass selbst bei naher Besprechung keine übertriebene Verbassung stattfindet. Dafür gibt es im Nahbereich eine andere kleinere Einschränkung, auf die man achten muss, denn das Design zeigt sich nicht ganz unanfällig für Popps durch B- und P-Laute. Ein vernünftiger Poppfilter davor und man ist gefeit vor derartigen Problemen.  

Ein Poppschutz verbaut die Sicht auf das hübsche Mikrofon, ist aber durchaus anzuraten.
Ein Poppschutz verbaut die Sicht auf das hübsche Mikrofon, ist aber durchaus anzuraten.

Weich, aber trotzdem detailliert

Die Mitten und Höhen passen insofern sehr gut ins Gesamtbild, als dass sie eher weich statt eckig abgestimmt sind, wodurch sie vielen Stimmen schmeicheln. Für ein Großmembran-Kondensatormikrofon werden scharfe Konsonanten angenehm zart ausgegeben. Zwar kann das bei der Abnahme besonders von cleanen Gitarrenamps oder der Resonanzfellseite der Snare genau in die falsche Richtung gehen, aber eben auch in die richtige – man muss eben wissen, wofür man welches Mikrofon einsetzen will. Sehr positiv ist, dass das Ear Trumpet Labs Mabel die Weichheit nicht auf Kosten der Auflösung erkauft, denn das Klangbild ist dennoch sehr fein gezeichnet und detailliert. Grobdynamisch darf man zufrieden sein, wenngleich ein Pad durchaus wünschenswert für die Interessenten wäre, die ein Mikrofon suchen, das man gedankenlos dem lauten Trommler unter die Snare oder an die Hi-Hat hängen oder mit dem man im Nahbereich den voll aufgerissenen Fender Twin mikrofonieren kann. Unter meiner Snare hat das Mabel leider gekratzt. Ich bin aber auch ein notorischer „Hard Hitter“.

Audio Samples
0:00
ETL Mabel, 10 cm, Niere ETL Mabel, 30 cm, Niere ETL Mabel, 30 cm, Kugel ETL Mabel, 30 cm, Acht ETL Mabel, 30 cm, Niere, 45 Grad ETL Mabel, 70 cm, Niere Audio-Technica AT5045, 10 cm Audio-Technica AT5045, 30 cm Aston Spirit, 30 cm, Niere Aston Spirit, 30 cm, Kugel Aston Spirit, 30 cm, Acht Mojave MA-201FET, 10 cm Mojave MA-201FET, 30 cm

Niere besser als die anderen Patterns

Das etwas grob und „hausbacken“ wirkende ETL-Mikrofon hat seine Stärke im Nierenmodus – eine Eigenschaft, die es mit wohl 90 Prozent aller umschaltbaren Mikrofone teilt. Die Acht zeigt typische Eigenschaften kombinierter Achten, die Frequenzkapriolen der bei 90 und 270 Grad eintreffenden Signale sind zwar recht hoch, aber im Pegel gering genug, um dort auszublendende Signale unterbringen zu können. Im Achtermodus ist das Mabel ein wenig kerniger und direkter, was eine gelungene Soundalternative darstellt. Die Kugel wiederum leidet unter starker Klangfärbung seitlicher Signale, was bei hohem Raumanteil zu einem etwas hohlen Sound führen kann. Der genau rückseitige Schall klingt aber durchaus angenehm, wodurch das Mikro bei simultan gesungenen Duetten oder bei Backings eine gute Figur macht.  

Fazit

Das Ear Trumpet Labs Mabel ist alles andere als ein Allerweltsmikrofon. Alleine aufgrund der Steampunk-Optik sollte man es einfach kaufen. Wie das aber bei besonderem Werkzeug nun mal so ist, muss man für die Individualität manche Dinge einfach akzeptieren. Oftmals, und so auch hier, ist das nicht zuletzt der Preis, denn das Mabel kann man nicht unbedingt als Schnäppchen bezeichnen. Klanglich recht weich, aber dennoch detailliert, vielleicht ein bisschen poppempfindlich, ist es für manchen Anwender genau das richtige Mikro für die eine oder andere Aufgabe – vor allem den Gesang. Generell gilt: Wer das Besondere sucht, kann bei ETL-Mikrofonen durchaus fündig werden!

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • angenehm weicher Grundsound
  • hohe Auflösung und Detailtreue
  • klein, flexibel positionierbar
  • herausstechender Steampunk-Look
  • schönes Case
Contra
  • hoher Preis
  • stilistisch nicht passende Halterung
  • Lesbarkeit der Umschaltung
Artikelbild
Ear Trumpet Mabel Test
Ear_Trumpet_Labs_Mabel_ETL_13
FEATURES UND SPEZIFIKATIONEN
  • Wandlerprinzip: Kondensator, Doppelmembran
  • Empfängerprinzip: Druckgradient
  • Membrangröße: groß (1“)
  • Richtcharakteristik:Kugel, Niere und Acht
  • Frequenzgang: 20 Hz – 18 kHz (-3 dB)
  • THD+N: 17 dB(A)
  • Empfindlichkeit: 23 mV/Pa (N)
  • maximaler Schalldruckpegel: n.a.
  • Preis: $ 1200,– (Onlinepreis ohne Versand und Zoll am 10.07.2017)
Hot or Not
?
Formschönes Steampunk-Gehäuse

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)
  • LD Systems ICOA Pro Series - All you need to know!
  • Watch THIS if you use analog gear! Everything you need to know about the Freqport FreqInOut FO1