Effektpedale mit der Akustikgitarre richtig einsetzen

Wer heute E-Gitarre spielt, lebt in goldenen Zeiten: Nie gab es eine derart breite Palette an Soundformern, die man zwischen Gitarre und Amp schaltet, und die auch als Effektpedale, Bodeneffekte, Bodentreter oder gar “Tretminen” bekannt sind. Das letztgenannte Wort würde ich allerdings gerne aus dem kollektiven Gitarristenwortschatz streichen, denn es verharmlost das Gedenken an all jene, die mit einer solchen zu tun hatten.

(Bild: © Lizenzfreie Stockfoto- Nummer: 698002291 Von Ongkan)
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Die überwiegende Mehrzahl der aktuellen Effektpedale ist für die Elektrofraktion konstruiert. Dafür spricht schon, dass sich gefühlt mindestens die Hälfte der erhältlichen Geräte um mehr oder weniger kräftige Verzerrung bemühen, was sich in Bezeichnungen wie Overdrive, Fuzz oder Distortion niederschlägt. Dennoch gibt es genügend Effektpedale für Akustikgitarristen sowie mindestens noch einmal so viele, die für Akustikgitarren einsetzbar sind. Die entscheidende Frage ist jedoch: Sollten wir das auch wirklich tun?

Eines vorweg: Will man eine Akustikgitarre durch ein Effektgerät schicken, muss sie über einen eingebauten Tonabnehmer verfügen. Das mag selbstverständlich scheinen, aber sicher ist sicher.

Inhalte
  1. Effektpedal ist nicht gleich Effektpedal
  2. „Unhörbare“ Effekte: Soundprozessoren
  3. Hörbare Effekte: Breit- und Weichmacher
  4. Für ganz Unerschrockene: Verzerrer

Auf der rein elektrischen Seite gibt es ansonsten nichts weiter zu beachten: Alle marktüblichen Geräte sind in Sachen Impedanz, Empfindlichkeit und Anschlüsse miteinander in etwa kompatibel. Akustikgitarren liefern üblicherweise ein unsymmetrisches Signal, wie es E-Gitarren auch tun, und sie werden mit handelsüblichen Klinkenkabeln angeschlossen. Die ganze Effektwelt steht also auch uns Akustikern offen.
Offen vielleicht, aber was ist sinnvoll? Und wie setzt man die Geräte ein? Auch aus einem passenden Effektgerät kann man nämlich einen unpassenden Sound herausholen. Damit euch das nicht passiert, haben wir diesen Workshop geschrieben.

Effektpedale auf der Akustikgitarre: Quick Facts

  • Brauche ich Effektpedale?
    Natürlich braucht man weder als Akustiker noch als Elektriker ein Effektpedal. Aber richtig eingesetzt können sie den Unterschied zwischen einem sehr guten und einem großartigen Sound ausmachen.
  • Muss ich spezielle Pedale für Akustikgitarren verwenden?
    Grundsätzlich funktionieren alle Gitarren- und Basspedale, vom Verzerrer bis zum Looper. Allerdings sind spezielle Akustikgitarren-Pedale auf die Soundvorstellungen der Mehrzahl der Akustikgitarristen ausgerichtet.
  • Was muss ich beim Einsatz von Effekten beachten?
    Weniger ist mehr. Bei zu viel Effektanteil leiden die Transparenz und die Ortbarkeit.
  • Welche Effekte eignen sich besonders gut?
    Bevorzugen solltet ihr die Effekte, die den Sound nicht radikal ändern. Ein Clean Booster mit Klangregelung, ein Chorus oder ein Phaser und vielleicht ein Kompressor bilden eine gute Grundausstattung.

Effektpedal ist nicht gleich Effektpedal Ich möchte eine Einteilung unserer Effektpedale in “hörbar” und “unhörbar” vorschlagen. Natürlich sind die “unhörbaren” Effektgeräte nicht wirklich unhörbar, denn sonst könnte man sie auch gleich weglassen. Sie sorgen jedoch dafür, dass unsere Akustikgitarre nach wie vor wie eine Akustikgitarre klingt, nur eben besser. Sie kann sich besser durchsetzen, und sie klingt trotz Verstärkung natürlicher. In diese Abteilung gehören Effekte wie Kompressor, Hall oder auch eine simple Klangregelung.
Die Bezeichnung “Effektgerät” ist dann strenggenommen nicht richtig, “Sound Prozessor” träfe es wesentlich genauer, denn man stellt sie ein und lässt sie dann auch eingeschaltet. Da es sich aber meist auch um kleine, bunte Treter handelt, bleiben wir bei “Effektgerät”.
In die “hörbare” Kategorie gehören dem entsprechend alle Geräte, die den Gitarrensound dezent bis grundlegend verändern. Modulationseffekte oder Delays mit langen Verzögerungszeiten zählen dazu.
Für den Einsatz von Effekten gilt bei jeder Instrumentengattung der Grundsatz: nicht übertreiben! Es mag sein, dass Leistung durch nichts zu ersetzen ist als durch mehr Leistung, für Effektgeräte gilt das nicht. Ob Kompressor, Chorus oder Delay – die große Überschrift über jedem Effektgeräteeinsatz lautet: Weniger ist mehr!

“Unhörbare” Effekte: Soundprozessoren

Beginnen wir mit den “unhörbaren” Effekten Klangregelung, Kompressor und Hall beziehungsweise Delay. Sie sind bei einer elektrischen Verstärkung sehr hilfreich, weil zum einen die Tonabnehmer jeder Akustikgitarre anders tönen als eine akustische Gitarre “in echt”. Zum anderen hat eine verstärkte Akustikgitarre ohne ein wenig Unterstützung mit zunehmender Lautstärke Probleme, sich in einer Band gegen die anderen Instrumente durchzusetzen. Hinzu kommen Erscheinungen wie Resonanzen oder gar Feedback, die uns das Leben schwer machen.

Diese Geräte helfen uns, damit eine Akustikgitarre auch über eine PA noch immer nach Akustikgitarre klingt. Ein Kompressor sorgt dafür, dass wir uns in der Band besser durchsetzen können und einen insgesamt druckvolleren Sound haben. Allerdings ist ein komplett ausgestatteter Kompressor schwer zu verstehen, wenn man nicht weiß, was die einzelnen Regler bedeuten, und was sie tun. Er darf nicht extrem eingestellt sein, weil er uns sonst wieder Feedback beschert und unnatürlich tönt. Eine Ratio von 2:1 bei einer Gain-Reduktion von 9 dB ist ein guter Startpunkt, wenn der Kompressor diese Parameter bietet – der MXR M76 ist dafür ein gutes Beispiel.
Viele der gängigen E-Gitarrenkompressoren sind zwar einfach einzustellen, weil sie mit wenigen Reglern auskommen, sie sind für unsere Zwecke allerdings nicht so gut geeignet, da sie deutlich hörbar sind und teilweise sehr extrem eingreifen. Das kann in dem einen oder anderen Fall auch für eine Akustikgitarre funktionieren, dann aber als echter Effekt, speziell, wenn man den Anschlag betonen will.
Hall zähle ich ebenfalls zu den unhörbaren Effekten, zumindest, wenn man ihn dezent dosiert. Er ist dafür da, das Instrument in einen Bandkontext oder einen Raum einzupassen, so dass es nicht wie ein Fremdkörper wirkt. Hierfür sollte man keine ewig lange Hallzeit wählen – was man bei dem verwendeten Gerät natürlich auch einstellen können muss. Aber die gängigen Multieffekten können das alle. In vielen Fällen ist übrigens ein Delay besser geeignet, wenn man seinen Sound räumlicher gestalten will. Es schmiert den Sound nicht so zu, sondern zieht ihn einfach etwas auseinander. 15 bis 20 ms bei sehr niedrig eingestelltem Feedback (zwei bis maximal drei Wiederholungen) sollten den gewünschten Effekt erzeugen. Im Prinzip ist es das, was die Rockabilly-Gitarristen als Slapback-Echo kennen, nur darf es nicht so laut wie bei denen sein, sondern wird nur vorsichtig zum Signal hinzugemischt.
Was sich schließlich im Setup eines Akustikgitarristen immer gut macht, ist ein Clean Booster, speziell, wenn er mit einer Klangregelung verbunden ist. Auf diese Weise haben wir eine zweite Einstellung für Soli oder Picking parat, die vielleicht noch mit einer dezenten Mittenanhebung kombiniert ist. Speziell für Soloeinstellungen sollten wir zudem die Bässe etwas absenken, denn zum einen finden wir in vielen Bands einen Bassisten, zum anderen sind die meisten Piezo-Pickups nach unten nicht begrenzt und übertragen Klopfgeräusche oder Deckenresonanzen mit gnadenloser Deutlichkeit.

Hörbare Effekte: Breit- und Weichmacher

Kommen wir zu den hörbaren Effekten und zu einer überraschenden Erkenntnis: Da gibt es gar nicht so viel. Die Overdrive-, Distortion- und Fuzzeffekte fallen in der Regel für den normalen Akustiker weg. Dann bleiben eigentlich nur noch die Modulationseffekte übrig, also Chorus, Phaser, Flanger, Roto-Speaker und wie sie alle heißen.
Sie alle werden benutzt, um den Sound räumlich, sphärisch und möglichst breit zu gestalten. Das ist eine feine Sache, solange man seinen Mitmusikern dabei nicht in die Quere kommt. Speziell die verbreiteten Kombinations-Presets von Hall und Chorus, die wir aus Akustikverstärkern oder Effektmultis kennen, sind gefährlich. Sie tönen gigantisch, solange man sie alleine ausprobiert, aber sobald man mit anderen Musikern zusammen spielt, sorgen sie für akustischen Nebel. In den meisten Fällen gilt also: Finger weg!
Beliebt ist hingegen der Chorus, und das zu Recht: Er gibt dem Akustiksound einen wunderbaren Schimmer. Auf der anderen Seite sorgt er aber leider auch dafür, dass er seine Natürlichkeit einbüßt. Außerdem tönt es wiederum sehr indirekt und unkonkret, wenn man zu viel davon benutzt. Ich selbst setze in einem solchen Fall gerne mal einen Phaser ein, der auch eine nette Modulation erzeugt, dabei aber etwas durchsichtiger bleibt.

Für ganz Unerschrockene: Verzerrer

Abschließend noch ein Tipp für die ganz Unerschrockenen und Experimentierfreudigen unter euch, zumindest, wenn ihr eine Nylonsaitengitarre spielt: der Verzerrer! Was mit normalen Steelstrings so gar nicht funktionieren mag, kann mit Nylonsaiten zu überraschenden und authentisch klingenden Ergebnissen führen – was uns freilich nicht davor bewahrt, uns mit dem dann auch extrem werdenden Feedback auseinanderzusetzen. Aber wie im richtigen Leben gilt: Dem Mutigen gehört die Welt!

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