Chandler Ltd. Little Devil Compressor Test

Zu Chandlers Little-Devil-Trio gehört natürlich auch ein Kompressor im API-500-Kassettenformat. Und was soll man sagen: Dieses Teil ist schlicht „anders“ – aber trotzdem saugut! Wie auch bei den beiden anderen kleinen Teufelchen hat sich Chandler-Mastermind Wade Goeke beim Design des Little Devil Comps an einer Reihe von Vorbildern orientiert.

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In diesem Falle handelt es sich dabei um den hauseigenen LTD-2, also einen Clone des ehrwürdigen Neve 2254 sowie um die Neve-Boliden 2264 und die jüngere Stereo-Version 33609. Auch der Germanium Compressor aus Goekes Feder darf als Pate für den Little Devil zur Verfügung stehen. Mit Ausnahme des Germanium Comps handelt es sich bei all diesen Geräten um Kompressoren, deren Regelelement aus einem Dioden-Netzwerk besteht: Ein Schaltungstrick, der vor allem in England und in den 60er-Jahren Anwendung fand – mit den genannten Neve-Geräten sowie den TG-Limitern der EMI als prominentesten Beispielen.

Details

Beim Design dieses Kompressors hat sich Wade Goeke in besonderem Maße auf sein Gehör verlassen, was die Auswahl und Abstimmung der Funktionen und Parameter betrifft. Das bedeutet, dass beispielsweise die Ratio-Settings und Zeitkonstanten nicht in absoluten Werten angegeben werden können, weil sie schlicht nicht exakt ermittelt worden sind – eine sehr musikalische Herangehensweise, und mit genau diesem intuitiven Spieltrieb sollte man sich dem Modul auch bei der Anwendung nähern. Ein paar Funktionen sind ziemlich ungewöhnlich, und hier sollte man versuchen, einfach über den Klang und das Gehör heranzugehen und all das, was man mal über Standard-Kompressoren gelernt hat, für einen kurzen Zeitpunkt zu vergessen.

Die Frontplatte des Little Devil Comps wird vom Art-déco-VU-Meter beherrscht
Die Frontplatte des Little Devil Comps wird vom Art-déco-VU-Meter beherrscht

Weiches Compression Knee oder Germanium-Mode

Herzstück des Devil Comps sind zwei Dioden-Netzwerke im Regelelement. Wahlweise kann man mit Zener- oder mit Germaniumdioden arbeiten, beide Systeme wurden grundverscheiden abgestimmt – und übrigens auch ganz anders als beim EMI TG Zener Limiter von Chandler, der sehr anders reagiert als das Zener-Setting des Teufelchens. Hier wurde es nämlich so hingetunt, dass es mit einem extrem weichen Knie arbeitet – so weich, dass die gesamte Übertragungsfunktion des Kompressors praktisch ein einziges Knie ist, vergleichbar mit dem Soft-Setting des Vertigo Sound VSC-2. Demgegenüber geht das Germanium-Setting erheblich brutaler zu Werke. Mit diesen beiden Optionen vereint der Devil Comp also schon mal zwei ganz unterschiedliche Charaktere in einem 500-Gehäuse.

Vielseitige Einstellmöglichkeiten: Der Little Devil Comp verfügt über ein Wet/Dry-Poti und einen Sidechain-Hochpass
Vielseitige Einstellmöglichkeiten: Der Little Devil Comp verfügt über ein Wet/Dry-Poti und einen Sidechain-Hochpass

Unübliche Bedienstruktur

Interessant ist, dass das Attack-Poti gleichzeitig den Threshold einstellt. Dies ist einer der sehr ungewöhnlichen Punkte beim Devil Comp und eine Eigenschaft, der man sich am besten eben intuitiv nähert, da diese Kombination auf dem Papier erst einmal seltsam klingt, in der Praxis aber im Rahmen des Gesamtkonzepts durchaus sinnvoll ist. Die Kompressionsrate kann in drei Stufen von soft bis krass geschaltet werden, die Release-Zeit ist ebenfalls dreistufig. Daneben verfügt der Little Devil Compressor noch über ein Wet/Dry-Poti für Parallelkompression sowie einen Sidechain-Hochpass, der bei 30, 60, 90, 150 sowie 300 Hz greifen kann. Ebenso wie beim EQ kann auch der Kompressor mit einem Hardwire-Bypass komplett aus dem Signalweg genommen werden. Prominentestes Bauteil auf der Frontplatte ist wohl das schön vintage-gelblich hintergrundbeleuchtete VU-Meter im von anderen Chandler-Geräten bereits bekannten Art-Déco-Look

Fotostrecke: 3 Bilder Vorne im Blick die beiden Übertrager des Little Devil Compressors

Unter der Haube kommt auch der Little Devil Comp mit den gleichen Features daher, die von den anderen Modulen dieser Serie bekannt sind. Die Kassette wurde durchweg mit hochwertigen Teilen aufgebaut. Die Übertrager stammen von Carnhill und (vermutlich) Altran, der Drehschalter des Sidechain-Filter wurde von ELMA geliefert, und das gesamte Modul wurde in traditioneller, diskreter Class-A-Technik mit herkömmlichen „Through-the-hole“-Bauteilen konstruiert. Insgesamt geht es beim Kompressor im Gehäuse ein kleines Bisschen „luftiger“ zu, der Schaltungsaufwand ist ein gutes Stück geringer – deswegen wohl auch der im Vergleich zum EQ etwas günstigere Preis. Gespart wurde allerdings nirgends: Der gesamte Hardware-Aufbau ist ebenso robust wie bei den anderen Little-Devil-Modulen. Das ist allererste Sahne.

Praxis

Dicker und runder Sound vor allem dank Übertrager

Im praktischen Einsatz fällt auf, dass die Kassette den gleichen dicken Ton liefert, den wir auch von den anderen Little Devils kennen. Hier macht sich der Einsatz der diskreten Transistorstufen und vor allem der speziellen Übertrager doch sehr bezahlt. Und das bedeutet, dass der Little Devil Comp mit seinem runden, dicken Grundsound schon einmal überzeugen kann.

Audio Samples
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Vocals Original Vocals Zener-Modus, Medium Ratio, Fast Attack/Release Vocals Germanium-Modus, Medium Ratio, Fast Attack/Release Drum Room Original Drum Room Zener-Modus, High Ratio, Fast Attack/Release Drum Room Germanium-Modus, High Ratio, Fast Attack/Release Rhodes Original Rhodes Zener-Modus, Medium Ratio, Fast Attack/Release Rhodes Zener-Modus, Medium Ratio, Fast Attack/Release

Ein wenig schneller könnte es gerne zugehen

Ich hätte mir schnellere Attack- und Release-Werte gewünscht, um den aggressiven Biss der Kompression noch stärker herausstreichen zu können. Insbesondere der Attackparameter ist auch in seiner schnellsten Position immer noch zu langsam, als dass der Devil Comp in Urei-1176- oder API-525-Manier als krasser Lautmacher eingesetzt werden könnte. Wann immer mehr Punch gefragt ist, passen die Attackwerte aber sehr gut. Auch die Release dürfte in ihrer schnellsten Position noch etwas straffer klingen, um beispielsweise Raummikros noch effektiver crushen zu können. Sehr positiv schlagen wiederum das Wet/Dry-Poti und das Sidechain-Filter zu Buche, zwei Funktionen, die man sich eigentlich an jedem Kompressor wünscht, und die ihre Wirkung beim Little Devil keineswegs verfehlen – in vielen Fällen sind dies hevorragende Tools, um den Sound des Kompressors weiter zu verfeinern.

Fazit

Das bedeutet in seiner Gesamtheit, dass der Little Devil Compressor ein echtes Charaktertier ist, und zwar was alle seine Eigenschaften betrifft: den an Neve angelehnten Signalweg selbst, den speziellen Charakter der Kompression, und auch die sehr eigentümlich Auswahl und Abstimmung der Parameter. Die Bauqualität ist von allererster Güte, was das betrifft, reiht sich der Kompressor nahtlos in die anderen Module der Little-Devil-Reihe ein.Doch während sowohl der Preamp als auch der EQ bei allem Charakter, den sie zweifelsohne mitbringen, trotzdem wirkliche Allrounder sind, Geräte, die sich für praktisch alle denkbaren Anwendungen eignen, sieht dies beim Kompressor etwas anders aus – denn hier steht der Charakteraspekt stärker im Vordergrund, was seine Vielseitigkeit etwas schmälert. Bei einem Straßenpreis von gut 1200 Euro kann man daher keine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen. Preamp und EQ würde ich quasi blind empfehlen, die können in jedem Studio eine echte Bereicherung sein, aber der Kompressor ist einfach ein etwas spezielleres Teil, das man entweder lieben oder nicht ganz so gut finden wird. Aber so ist das eben mit Charakterköpfen: Sie können auch anecken. Ob die speziellen Qualitäten dieses Kompressors den Kaufpreis rechtfertigen, kann deswegen in diesem Fall nur der individuelle Test im eigenen Setup zeigen. Das schmälert nicht die Qualitäten dieses Teils. Sie werden einfach nur nicht jeden Geschmack treffen.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • gute Klangeigenschaften
  • Zusatzfunktionen wie Wet/Dry-Poti und Sidechain-Filter
  • eigenständiges Konzept
Contra
  • spezieller Charakter eignet sich nicht für alle Anwendungen
Artikelbild
Chandler Ltd. Little Devil Compressor Test
Für 1.239,00€ bei
Vor- und Nachteile: Chandler Little Devil Compressor
Vor- und Nachteile: Chandler Little Devil Compressor
Technische Spezifikationen
  • zwei unterschiedliche Regelelemente auf Dioden-Basis
  • voll diskreter Class-A-Aufbau mit Ein-/Ausgangsübertragern
  • Wet/Dry-Poti für Parallelkompression
  • Sidechain-Filter mit 5 Eckfrequenzen
  • Preis: € 1462,- (UVP)
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