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Pearl Rhythm Traveler Gig Drumset Test

Ein kurzer Blick auf die Spritpreis-Tafel meiner Stamm-Tankstelle, und mir wird schlagartig klar, dass meine 300 Euro Gage heute wahrscheinlich komplett für Auto-Verschleiß und Fahrtkosten drauf gehen werden. Die schier grenzenlose Liebe zum Trommeln macht den Schock natürlich wieder erträglicher, aber irgendwann will man ja auch mal einen Sack Reis für sich und seine Familie kaufen, wenigstens um ganz grob so gerade eben zu überleben. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre doch, wenn man etwas genauer kalkulieren könnte, was am Ende des Tages vom Ertrommelten übrig bleibt. Die Deutsche Bahn hat natürlich direkt den passenden Rechenschieber parat und schlägt mir eine relativ einfache Kalkulation vor: ‘Wenn du eine Bahncard 50 kaufst, dann kosten dich die Hin- und Rückfahrt auf der Strecke Hamburg – Frankfurt 114,00 €. Ahhhh…schade, dass du Schlagzeuger bist, und deine Drums transportieren musst, denn das geht natürlich in der Bahn nicht…’. Und dann wird man einen Mitarbeiter von Pearl rufen hören: ‘Wetten doch, dass das geht? Mit unserem “Rhythm-Traveler-Gig”-Kit!’. ‘Das werde ich mal unter die Lupe nehmen’, erwidere ich und klemme mir das Drumset unter den Arm.

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Das Pearl Rhythm-Traveller-Kit ist klein, extrem günstig und lässt sich wie eine russische Matrjoschka ineinander stapeln. Ob das Ding allerdings tatsächlich die perfekte Reiselösung darstellt und ob man damit überhaupt vernünftig trommeln kann, erfahrt ihr in diesem Test.

DETAILS

Um das Schlagzeug klein, günstig und transportabel zu halten, bedient sich Pearl vieler kleiner Tricks. Unter anderem sind die Kessel kurz und die Durchmesser gering. Die Toms werden außerdem nur einseitig bespannt, was jeweils einen ganzen Satz Böckchen, Schrauben, Felle und Rims einspart. Auf der Kesselrückseite ist nach durchschnittlich zehn Zentimetern ganz unromantisch Schluß mit Holz. Da freuen sich natürlich alle Spar-Fanatiker, weil man für die Rückseite keinen Gratungs-Maestro braucht – der auf der Gehaltsliste ungleich weiter unten stehende Azubi mit der Laubsäge kann das auch. Die Snare und die drei Toms werden mit Halte-Armen aus Stahl auf der Bassdrum-Oberseite befestigt, was bereits einiges an Ständermaterial einspart. Des Weiteren sind alle Kessel mit Triple-Flange-Hoops ausgestattet. Alle, sogar die Bassdrum! Die Kick sieht mit den Rims aus wie eine Standtom, die man waagerecht gelegt hat. Die dennoch Bassdrum genannte Trommel steht auf vier Füßen, die dafür sorgen, dass das Instrument etwa auf zehn Zentimeter über den Boden gestemmt wird, damit der Klöppel jeder handelsüblichen Fußmaschine möglichst mittig auf der Trommel aufschlägt.

Das Pedal wird an einer Klemmvorrichtung montiert, die zwar etwas improvisiert aussieht (eine Art Klemme mit Haltelasche wird an einem verkürzten Stück Rohr befestigt, das unterhalb der Bassdrum in den Kessel gesteckt wird), aber einen stabilen Eindruck macht. Für den guten Ton sollen jeweils sieben Lagen Mahagoni-Holz sorgen. Jedenfalls wird aller Orten behauptet, dass es sich um Mahagoni-Holz handele. Sollte das den Tatsachen entsprechen, kann nicht das üblicherweise dunkle Kernholz gemeint sein. Das wiederum verwundert nicht, aber dass sieben Lagen Mahagoni aussehen können wie ein Integrationskindergarten für Holzsorten macht mich etwas stutzig, wenngleich die Reihenfolge der Schichten offensichtlich einem bestimmten System folgt – auf dem Foto von der Gratung ist das gut sichtbar.

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Echte Trommelästheten können spätestens an dieser Stelle im Text die Biege machen, denn jetzt geht’s um die Folierung, die sich an jeder Trommel aufgrund des etwas mangelhaften Klebers leicht ablöst. Ich kann aber jetzt schon vorwegnehmen, dass es sich bei diesem Set sowieso nicht um High-End-Studiodrums handelt. Alles, was es können soll, ist Schlagzeug-Einsteiger glücklich zu machen und professionellen Drummern ein gutes Übedrumset zu sein. Und wenn man das Rhythm-Traveler-Gig tatsächlich mit der Bahn und einer Schubkarre zum Gig rollt, ist vermutlich alles Mögliche wichtig, nur nicht, ob sich die Folie an einigen Stellen vom Kessel löst. Jetzt zu einem wesentlichen Aspekt guter Mobilität: Alle Trommeln passen in die Bassdrum. Sogar ein paar Softcases würden noch hineinpassen. Die Hardware findet leider keinen Platz mehr in der 16 mal 14 Zoll große Basstrommel und müsste separat transportiert werden.

Alle Trommelkanten (abgesehen von den Unterseiten der Toms) sind mit einer 45 Grad gefrästen Gratung versehen, als Fellauflage dient die zweite Holzschicht von außen, die etwas breiter ist als die anderen Schichten. Besonders gut verarbeitet ist die Fellauflage der Bassdrum und der zehn Zoll großen Snare. Letztere ist ausgestattet mit einem 20-spiraligen Snareteppich aus Stahl. Der Strainer arbeitet simpel aber effektiv, wenngleich ein paar Nieten an Stellen sitzen, an denen für längere Haltbarkeit besser geschraubt worden wäre.

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PRAXIS

Das Rhythm-Traveler-Kit ist nicht das erste Drumset, das für den leichten Transport konstruiert wurde. Wohl am bekanntesten ist das Hipgig von Yamaha, dessen Produktion allerdings zu Beginn des Jahres 2012 aufgrund zu geringer Absatzzahlen eingestellt wurde. Das aktuell einzige wirklich portable Set aus einer Großproduktion ist das Pearl Rhythm-Traveler und das zu fast einem Fünftel des Preises des Hipgig. Bei Thomann bekommt man das Drumset sogar schon für 289 Euro, was auch eine Nutzung als Blumenkübel rechtfertigen würde – aber das Traveler kann mehr, viel mehr! Zuerst eine kleine Kritik: Will man die Trommeln praktisch ineinander stapeln, muss man eines der beiden Bassdrumfelle abschrauben. Da bringt es einem auch wenig, dass es sich lediglich um sechs Schrauben handelt, denn dieser Handgriff nervt, wenngleich er schnell erledigt ist. Das Problem ist, dass das Fell jedes Mal neu gestimmt werden muss. Praktisch wäre gewesen, man hätte wieder den Azubi gebeten, die Bassdrum in der Mitte durchzusägen und mit Haltescharnieren zu versehen, ganz nach dem großen Vorbild Yamaha Hipgig. Vermutlich wäre dieser Vorgang aber zulasten einer Frequenzbereich gegangen, der bei der Rhythm-Traveler-Bassdrum sowieso unterrepräsentiert ist: dem Bass. Egal wie man die liegende Tom stimmt, alles was sich verändert sind Attack und Tonhöhe – denn mehr Saft als eine Standtom hat der 16 mal 14 Zoll große Eimer nicht. Auch das Sustain bleibt durchweg relativ schwach. Bei den Test-Aufnahmen unterstützt deshalb eine Subkick das MD421 an der Bassdrum, denn auf weniges verzichte ich so ungerne wie auf Subbass! Aber hochwertiges und spitzenmäßig verarbeitetes Holz würde auch zu einem deutlichen Lautstärkeplus führen, was dem Rhythm-Traveller, der von Pearl vor allem als Übe-Kit beworben wird, nicht unbedingt zugute käme. Alle fünf Trommeln bilden eine homogene Einheit, die sogar mit einiger Kraft gespielt noch ein spannendes Hörerlebnis entwickelt.

Und genau das ist wahrscheinlich die große Stärke der Mini-Schießbude: Sie macht einfach Spaß, ist klein, nicht zu laut und klingt fast wie ein echtes, erwachsenes Drumset. In Kombination mit dem entsetzlich niedrigen Preis ist das kompakte Kit der ideale Partner für Anfänger und solche Hobbydrummer, die nach der Arbeit gerne mal im Keller Dampf ablassen wollen. Die Hardware übersteht vermutlich sehr viele Wutausbrüche und Stick-Gewitter. Alles wirkt grundsolide, die Scharniere sind aus dickem Stahl und kleine Plastikball-Gelenke sorgen für absolute Beweglichkeit der Toms und der Snare. Die Standfestigkeit des fertig aufgebauten Sets ist hingegen nicht ganz so solide – wenn man die vier Bassdrumfüße nicht mit absoluter Sorgfalt montiert, droht dieses umzukippen. Hat man dann die Füße endlich richtig platziert, wünscht man sich ein paar Memory-Locks, von welchen aber weit und breit keine Spur ist – ein weiteres Risiko in Sachen stabiler Stand. Sehr stabil hingegen ist das Tuning der Toms ohne Resonanzfell. Zwar entwickeln diese so gut wie kein Sustain und klingen ein wenig nach den Roto-Drums der 80er-Jahre, haben aber dafür auch keine Chance, nervig zu flirren oder sich in schier endlosen Raschel-Arien mit der Snare zu verlieren.

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Toms Boing Tomgroove

Der eine oder andere Trommelneuling ist wahrscheinlich ob der fehlenden Tom-Rückseite dankbar, denn nichts ist komplizierter, als eine Tom mit Schlagfell und Resonanzfell zum Klingen zu bringen. Die vormontierten Protone-Felle von Pearl mit dem eingebauten Verstärkungsring machen das Stimmen dann so einfach, dass man die Felle nur irgendwie festschrauben muss und schon entfalten die Drums beinahe ihr komplettes Potenzial. Da stellt sich die Snare schon etwas komplizierter an, aber auch nicht wesentlich. Sie ist mit etwas mehr Sustain ausgestattet als die anderen Trommeln. Mit diesem Sustain lässt sich dann tatsächlich auch eine Menge anfangen. In folgenden Soundfiles ist einmal der leicht schneidende Oberton im hohen Tuning gut zu hören und dann wiederum klingt die Trommel wie eine ganz große mit viel Bauch im tiefen Tuning. Für eine zehn mal vier Zoll große Snare beweist sie Vielseitigkeit, ohne besonders laut zu knallen.

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Snare Second Line LooseLowSnSloppy
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FAZIT

Das Rhythm-Traveler-Kit lohnt sich vor allem für Heimanwender und im Speziellen für Anfänger. Es lässt sich schnell in einer Ecke im Hausflur verstauen, klingt gut, ist angenehm spielbar und unglaublich günstig – so leicht kann der Einstieg ins Drumming sein. Dieselben Vorteile kann es auch für Profis ausspielen. Abgesehen von ein paar kleinen Mängeln ist der Rhythm Traveler von den Kesseln bis zur Hardware gut verarbeitet. Natürlich kann man keine Vergleiche zu hochpreisigen Drumsets ziehen, aber für einen Kaufpreis, der knapp unter 300 Euro liegt, ist dieses Kit einfach top. Extrem transportabel ist es auch: Wem die Schlepperei mit Bus und Bahn zu aufwändig ist, der passt ab jetzt vielleicht mit allen Bandmitgliedern in einen Kombi. So oder so, mit dem Pearl Rhythm-Traveler spart man auf allen Ebenen bares Geld.

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Laid Back Groove Groovy Short Break Bea Rim Break
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SPEZIFIKATION

Set: Bassdrum, Snare, drei Toms
  • Material: Mahagoni-Holz
  • Finish: Folie
  • Verfügbare Farben: Steel Blue, Pure White, Jet Black, Red Wine
  • Größen: 16“ x14“ Bassdrum, 8“x3,5“ Tom, 10“x4“ Tom, 12“x5“ Tom, 10“x4“ Snare
  • Hardware: Tom- und Snarestative, Bassdrumfüße, Pedalhalterung f. Bassdrum
  • Besonderheiten: Die Toms haben kein Resonanzfell
  • UVP: 387,00 €
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis
  • lässt sich gut verstauen
  • ist portabel
  • gutes Einsteiger-Set
Contra
  • leichte Verarbeitungsmängel
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Pearl Rhythm Traveler Gig Drumset Test
Für 289,00€ bei
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Profilbild von Drummer hh

Drummer hh sagt:

#1 - 12.10.2022 um 12:55 Uhr

0

Vergleich zu richtigen.Drumsets sind irregulär das ist für kleine Gigs 2-3 Mann OK ich spiele jetzt ca. 5 Jahre zu zweit u. bin voll zufrieden

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