An so ziemlich jedem Musikinstrument gibt es mannigfaltige Techniken und Spielweisen zu meistern, sodass wir unser ganzes Leben lang immer wieder etwas Neues lernen können. Das Schlagzeug ist ein perfektes Beispiel dafür, so benutzt ein Metal-Schlagzeuger meist ganz andere Techniken und erzeugt andere Sounds als ein Drummer, der im Jazz– oder Klassikbereich aktiv ist. Doch wie sieht es bei den musikalischen Kernkompetenzen aus, die wir zum Musizieren brauchen? Für uns Schlagzeuger sind rein technisch betrachtet folgende zwei Dinge besonders wichtig: Timing und Koordination.

In diesem Workshop möchte ich erläutern, was „Timing“ eigentlich ist, und wie wir unsere „innere Uhr“ verbessern können. Zudem möchte ich spezifisch auf die Rolle des Schlagzeugers als Timekeeper in unterschiedlichen Bandbesetzungen eingehen.
Gute Koordination am Schlagzeug ist ohne richtiges Timing wenig zielführend
Unsere Koordination bestimmt, wie gut wir unterschiedliche Rhythmen mit Händen und Füßen kombinieren können, während unser Timing darüber bestimmt, wie gleichmäßig wir all diese Rhythmen spielen können. Fehlt uns eine dieser Kernkompetenzen, bringen uns auch die fortschrittlichsten Techniken nichts – wir werden nicht in der Lage sein, unsere musikalischen Ideen am Schlagzeug auszudrücken. Auch eine gute Koordination hilft uns wenig, wenn wir nicht gleichmäßig im Tempo spielen können, denn mit einer schlechten Time kann niemand unserem Schlagzeugspiel folgen. Eine gute Time ist somit sogar die wichtigste Kernkompetenz, die wir als Schlagzeuger beherrschen sollten.
Timing – worum geht es da konkret und welche Verantwortung hat der Schlagzeuger?
Wie der Begriff schon sagt, geht es im Kern um die Fähigkeit, Zeit richtig einzuschätzen, zu fühlen und zu zählen. Da wir Schlagzeuger meist als „Timekeeper“ oder Motor einer Band gesehen werden, fällt uns oft die Hauptverantwortung zu, wenn es darum geht, Tempi anzugeben und das Tempo eines Songs zu halten. Meistens sind es die Schlagzeuger, die den Rest der Band zusammenhalten.
Jost Nickel (Drummer von Jan Delay, Seed etc.) schreibt in der Einleitung seines Groove Books:
„In einer Band sind alle Musiker verantwortlich für den Groove, aber wir als Schlagzeuger tragen den größten Teil dieser Verantwortung.“ Jost Nickel: Groove Book, S.6, Z 11-12
Ein Schlagzeuger mit einer guten Time ist unerlässlich für eine gut klingende Band, allerdings müssen auch alle anderen Instrumentalisten und Vokalisten ein gutes Timing haben, damit es wirklich zusammen grooven kann. Daher macht es auch keinen Sinn, grundsätzlich den Schlagzeuger dafür verantwortlich zu machen, wenn am Timing der Band etwas nicht stimmt. Auch Gitarren, Bässe oder Vocals können unbeabsichtigt „treiben“ oder „schleppen“ – hier kann auch der Schlagzeuger mit dem besten Timing wenig retten. Daher ist es unerlässlich, als Band viel zusammen zu spielen und sich aufeinander einzugrooven, damit auch alle Instrumente gut zusammen spielen.
Die Rolle des Schlagzeugers als Timekeeper kann in unterschiedlichen Besetzungen und Musikstilen sehr unterschiedlich ausfallen – ich selbst habe in meinen bislang zehn Jahren als freiberuflicher Schlagzeuger schon einige verschiedene Situationen kennengelernt. Im Großen und Ganzen läuft es aber auf einen zentralen Unterschied hinaus: Das Spielen mit oder ohne einen Click. Ich möchte hier mal zu beiden Situationen eine grobe Übersicht geben.
Schlagzeugspielen mit Click (Metronom)
Diese Situation ist mittlerweile längst zum Standard im Musikbusiness geworden. Vor allem im Pop-/Rock-/Metal-Bereich sind Bands, die ohne Click spielen, mittlerweile zur Seltenheit geworden. Der Click ist hier auch der übergeordnete Time-Chef.
Im besten Fall hören alle Musiker auf der Bühne den Click und können dazu spielen. Es gibt aber auch viele Bands, bei denen nur der Schlagzeuger den Click hört und seine Mitmusiker einzählt.
Hier geht es für den Schlagzeuger hauptsächlich darum, gut zum Click zu spielen. Das Spielen mit den anderen Musikern wird hier zweitrangig – man ist ja sowieso an den Click gebunden.
Hier hatte ich vor nicht allzu langer Zeit eine interessante Situation mit einer Band, in der nur ich den Click hörte. Wir haben ein riesiges Open Air gespielt und ich merkte förmlich, wie der Rest der Band, getrieben vom Adrenalin, vor mir davon lief. Ich konnte nur nicht mitziehen, da ich als Schlagzeuger die Aufgabe hatte, möglichst nah am Click zu bleiben und die Band und die Backingtracks zusammenzuhalten. Hier sind wir dann auch bei einem zentralen Nachteil des Spielens mit Click angelangt – es ist einfach nicht so flexibel und man ist quasi sklavisch an das vorgegebene Tempo gebunden.
Schlagzeugspielen ohne Click
Ich selbst habe schon viele Konzerte mit Jazz-/Pop- oder Akustik-Rock-Bands gespielt, welche komplett ohne Click liefen. Mit einer Akustik-Rock-Band habe ich zum Beispiel so viel gespielt, dass wir uns als Musiker schon komplett aufeinander eingegroovt hatten. Wir hatten sogar unterschiedliche Time-Chefs je nach Song auserkoren – bei einigen Nummern hat beispielsweise der Gitarrist das Tempo vorgegeben und sogar eingezählt. Das hat prima funktioniert – bis wir dann doch mal in unterschiedlichen Besetzungen spielen mussten.
Und hier sind wir beim Nachteil vom Spielen ohne Click: Es ist schlichtweg fordernder und braucht mehr Zeit, bis es auch wirklich gut klingt. Die einzelnen Musiker müssen gut aufeinander eingespielt sein und allesamt ein gutes Timing haben. Und besonders wichtig: Jeder muss auf den anderen hören! Hier kann man sich nicht mehr auf einen Clicktrack verlassen.
Natürlich sind das jetzt nur zwei Beispiele – hier gibt es wohl so viele unterschiedliche Variationen und Situationen wie es Bands gibt. Statt einem Click kann es zum Beispiel auch ein Dirigat oder einen Musical Director geben, wie es oft bei Big Bands und Orchestern der Fall ist. Grundsätzlich übernimmt aber in so ziemlich jeder Situation der Schlagzeuger eine besondere Verantwortung für das Timing.

Das bringt uns zu der entscheidenden Frage: Wie können wir unser Timing trainieren und verbessern?
David Garibaldi (langjähriger Schlagzeuger von Tower of Power) schreibt in seinem Buch „Future Sounds“:
„If you were to sit down and listen to all the great groove players in contemporary music, the way each performs within the framework of the time will be very much the same – a machine-like consistency from beat to beat and from section to section within a tune.“
In diesem Zitat stecken schon ein paar Erkenntnisse drin. Das Naheliegendste zuerst: Gutes Timing, welches meistens in der Form von präzise aufeinanderfolgenden Schlägen und Pausen erkennbar ist, ist eine Grundvorraussetzung für gut klingende Grooves. Doch mit den Worten „from beat to beat and from section to section“, beschreibt Garibaldi auch, dass der Begriff Timing den Abstand zwischen einzelnen Schlägen (beat to beat) ebenso wie das Tempo von ganzen Songparts beschreiben kann.
Konkrete Timing-Übungen für Einsteiger
Ich werde mich in diesem Workshop beidem widmen: Die Time als Abstand zwischen einzelnen Schlägen, hier genannt Mikro-Time. Und dann die Time über längere Sektionen, hier genannt Makro-Time.
Makro-Time
Hier möchte ich euch eine Übung präsentieren, die unser Empfinden für die Makro-Time verbessern kann. Wir stellen unser Metronom auf einen normalen Viertelclick ein. Wählt am besten zunächst ein individuelles Wohlfühl-Tempo – ich habe im Beispiel 80 beats per minute verwendet.
Dann programmiert ihr Takte ein, in denen der Click aussetzt und ihr ohne das Metronom „klarkommen“ müsst – sogenannte Gaps. Viele Metronom-Apps haben diese Funktion, ich stelle euch hier aber auch Clicktracks zum Üben bereit.
Zunächst spielen wir drei Takte zum Click, dann setzt der Click für einen Takt lang aus. Versucht das Tempo möglichst präzise zu halten, sodass ihr auf der „1“ vom nächsten Takt mit dem Click zusammen seid. Hier merkt ihr sofort, ob ihr das Tempo gut gehalten habt oder ob ihr euch neu auf das Metronom einstellen müsst. Und denkt dran: Das Metronom lügt nie.
Im Anschluss verlängern wir die Gaps:
Hier müssen wir schon ziemlich lange selbständig das Tempo halten, ohne eine Rückmeldung vom Metronom zu bekommen. Sobald der Click wieder loslegt, wissen wir, wie gut wir das Tempo gehalten haben.
Diese Übung wird übrigens schwieriger, wenn wir zusätzlich Fills spielen. Da Fills meistens eine zusätzliche Herausforderung sind und mehr zu spielende Noten beinhalten als normale Grooves, tendieren wir zunächst eher dazu, sie schneller zu spielen – also zu „rushen“. Probiert das gerne mal aus – hier könnt ihr euch super selbst kontrollieren!
Hier gibt es einmal die Clicktracks zum Üben:
Mikro-Time
Bei der Mikro-Time-Übung arbeiten wir wieder mit dem Metronom. Aber dieses Mal stellen wir einen sehr schnellen Click ein. Ich habe in meinem Beispiel 200 bpm verwendet, wobei der Click die Achtelnoten angibt. Dazu spielen wir einen Groove mit Achtel-Hi-Hat und gerne auch ein paar Achtelnoten in der Bassdrum:

Durch das Achtelmetronom bekommen wir eine sehr genaue Rückmeldung, ob unsere Achtelnoten auch synchron mit dem Click sind. So lassen sich auch sehr gut bestimmte „Störfaktoren“ erkennen, wie zum Beispiel eine Bassdrum, die zu früh kommt und so den ganzen Groove aus dem Gleichgewicht bringt.
Durch die präzise Rückmeldung des Achtelclicks können wir hier an der Positionierung der Bassdrum arbeiten. Ich führe vor meinen Schülern gerne das Beispiel an, dass wir mit einem Bügeleisen über unseren Groove gehen und so die Falten glätten:
Schwieriger wird es, wenn wir den Click noch schneller stellen und ihn als 16tel-Noten interpretieren. In meinem Beispiel verwende ich 300 bpm und spiele den folgenden Groove:

Das Metronom gibt uns jetzt also eine Rückmeldung darüber, wie präzise unsere 16tel-Noten sind. Hier spiele ich jetzt mal bestimmte Noten zu schnell, wodurch mein Groove aus dem Gleichgewicht gerät:
Dadurch, dass ich die zwei Bassdrum-Schläge auf „3und“ und „3de“ zu früh spiele, gerät sogar mein Backbeat (die Snare auf „4“) zu weit nach vorne. Durch das direkte Feedback vom Metronom kann ich diese Noten aber mit dem Click synchronisieren und so meinen Groove „glätten“.
Natürlich kann man mit dieser Übung nicht nur Grooves „glätten“. Mit Fills, die noch unrund wirken, funktioniert das natürlich auch!
Fortgeschrittene Übungen
Hier kommen wir zu ein paar schwierigeren Übungen, mit denen wir unser Timing nochmal einem richtigen Härtetest unterziehen können. Beschäftigt euch am besten erstmal mit den Einsteiger-Übungen, bevor ihr die hier versucht.
Makro-Time – Übungen für Fortgeschrittene
Stelle das Metronom extrem langsam ein und versuche, einen simplen Groove zum Click zu spielen. Ich habe in meinem Beispiel 10 bpm verwendet. Hier kann es schon eine echte Herausforderung sein, überhaupt das richtige Viertel-Tempo herauszufinden.
In meinem Beispiel hört man bei 0:11, dass ich etwas vor dem Click lande – Teil der Herausforderung ist es, sein Timing entsprechend anzupassen, sodass man besser auf dem darauffolgenden Click landet. Ich lehne mich also leicht nach hinten, um nicht vor dem Click wegzulaufen.
In diesem Beispiel habe ich am Ende (ab 0:30) mein Tempo bewusst erhöht, um statt einem 4/4tel-Takt einen 9/8tel-Takt zwischen zwei Clicks zu bekommen. Ich nenne das „Time-Shifting“ – hier sind wir schon so weit, dass wir die Time bewusst strecken und stauchen, sie also bewusst manipulieren.
Mikro-Time Übungen für Fortgeschrittene
Bei der Mikro-Time-Übung für Fortgeschrittene arbeiten wir wieder mit einem herkömmlichen Viertelclick. Allerdings versuchen wir hier, den Click neu zu interpretieren, sodass wir ihn jetzt auf anderen Zählzeiten hören. Ich habe in meinem Beispiel wieder 80 bpm benutzt und interpretiere den Click in folgenden Varianten.
- 0:00 – Click auf allen Viertelnoten
- 0:07 – Click auf jeder zweiten 16tel-Note, also auf „1e“, „2e“ usw.
- 0:13 – Click auf allen Achtel-Offbeats – also auf allen „und-Zählzeiten“.
- 0:19 – Click auf jeder vierten 16tel-Note, also auf „1de“, „2de“ usw.
- Als Bonus für die besondere Herausforderung interpretiere ich den Click noch folgendermaßen:
- 0:30 – Click als punktierte Achtel (auf jeder dritten 16tel-Note)
- 0:58 – Click als Fünfer-Überlagerung (auf jeder fünften 16tel-Note)
Hier spielen wir nicht mehr nur zum Click – wir fangen an, mit dem Click zu spielen. Der Click wird quasi zu einem perkussiven Instrument in unserem Groove und wir lernen, ihn auf unterschiedlichen und bislang ungewohnten Zählzeiten zu hören. Das verschafft unserem Timing zusätzliche Sicherheit
Wenn ihr den Aspekt mit dem perkussiven Click noch weiter auf die Spitze treiben wollt, könnt ihr euch auch einen ganz eigenen Click-Rhythmus bauen und dazu üben. Ich gebe hier mal ein Beispiel:

Dieses Beispielpattern ist schon eine Herausforderung, da es einen sehr synkopierten Rhythmus hat und es keinen Click auf der „1“ gibt. Hier müsst ihr schon sehr fest im Sattel sitzen, was das Timing angeht und zudem müsst ihr euch das Pattern sehr gut einprägen, da ihr es nach dem Einzähler selbstständig und ohne einen festen Click richtig interpretieren müsst. Hier gibts nochmal das Clickpattern für euch zum Üben, denkt euch aber auch gerne eigene Rhythmen aus:
All diese Übungen haben mir sehr dabei geholfen, mein Timing zu verbessern. Ich wünsche euch ganz viel Spaß damit!