Numark V7 Test

Details

Der erste Eindruck
Numarks MIDI-Plattenspieler ist mit seinen sieben Kilogramm Lebendgewicht nichts für den Rucksack-DJ auf Tour durch die Kölner Altstadt (obwohl er nur knapp die Fläche eine Maxi-Single besitzt – um genau zu sein 31,7 x 35,5 x 9,6 cm). Vielmehr dürften die Betreiber der nächtlichen Beschallungstempel aller Güteklassen zum engeren Zirkel der anvisierten Zielgruppe gehören. Für die mobile Disco geht’s natürlich ins Flightcase und auch zuhause und im Studio weiß der futuristische Bursche zu gefallen. Zwei Pfund des Gesamtgewichtes entfallen derweil auf den waschechten Plattenteller. Rock-solid – no Comment. Das Case besteht überwiegend aus Metall. Ein schicker silberner Alurahmen macht optisch richtig was her, der Überstand ist abgerundet, aber etwas mit Vorsicht zu genießen. V7 ist übersichtlich aufgebaut und wirkt nicht überladen. Ich sehe große CUE-/PLAY-Buttons in stabiler abriebfester Gummiausführung, griffige gummierte Regler, Browse-Encoder, Shortcuts und einen langen Pitchfader. Alles sitzt angenehm fest, sämtliche Ingredienzien sind eindeutig beschriftet. Da lacht das Tester-Herz. Insgesamt bringt der stylishe Numark-Player 35 Taster, drei Switches, zwei Fader, einen streifenförmigen Ribbon-Controller, einen Kippschalter, drei Drehregler, zwei Push-Encoder und den Turntable mit. Strom-, USB-, Netzwerk und Cinchkabel gehören zum Lieferumfang. Sollte es bei der Installation Unstimmigkeiten oder Fragen geben, helfen hoffentlich die Schnellanleitung oder Internetseiten der Hersteller weiter.

Bevor es an die Verkabelung und ans Mixen geht, müssen die einzelnen Komponenten des USB-Controllers fixiert werden. Das dauert keine fünf Minuten, die Fotostrecke dokumentiert die einzelnen Montagehandgriffe.

Und los geht´s!

Audio-Interface und Backpanel
Numark bestückt seinen jüngsten Controllerspross mit einem 4-Kanal-Audio-Interface. Die Hardware arbeitet mit einer maximalen Auflösung von 24 Bit und einer Samplerate von 44,1 kHz und kann auch mit anderer Software genutzt werden, denn die Treiber stehen systemweit zur Verfügung. Die Wandler liefern ein sauberes, transparentes Signal, ein Kopfhörerausgang ist zu meinem Bedauern nicht vorhanden. Zwei unsymmetrische Stereocinch Pärchen leiten die Audioströme der beiden Decks an die Kanäle des externen Mischpults weiter. An der Rückseite bietet der futuristische Audiospieler neben einem Kaltgeräteanschluss für das interne Netzteil und einer USB 2.0-Schnittstelle für ein Notebook auch eine RJ45-Buchse, die zwei V7-Einheiten miteinander vernetzt. So ist eine Vierdecksteuerung oder ein nahtloser Übergang zwischen mehreren Akteuren zu realisieren. Numark warnt im Handbuch ausdrücklich davor, mehrere identische Kontrolleinheiten über USB an einen einzelnen Rechner zu stöpseln. Ich habe nur ein Testmuster hier und kann daher nicht über den Ausgang eines Fehlanschlusses spekulieren. Sicher ist aber: POWER macht Saft, MOTOR schaltet das Drehmoment um, DECK-LOCATION ist laut Hersteller für zukünftige Anwendungen konzipiert. Neben der Netzbuchse sorgen Belüftungsschlitze für die Wärmeabfuhr. Das macht Sinn bei einem High-Torque Antrieb. Wohl niemand möchte den Hitzetod seines V7 erleben, daher braucht´s halt Ventilatoren. Das Lüftergeräusch bewegt sich etwa auf dem Niveau eines Mittelklasse-PCs. Was soll´s, dann mach´ ich die Musik halt lauter. Ich wollte schon lange mal wieder die benachbarte Bürobevölkerung ein wenig musikalisch verwöhnen.

Turntable
V7 ist eine konsequente Weiterentwicklung des Plattenspielers mit traditionellen Komponenten wie Teller, Vinyl und Slipmat. Der Alu-Platter ist ein echter Blickfang. Jeder gelernte Turntablist, der auch an vergleichsweise kleinen 3“-Quasi-Wheels arbeitet, wird nicht nur seine bloße Anwesenheit, sondern auch die laut Herstellerangaben 10-fache MIDI-Auflösung zu schätzen wissen. Für eigene Maxis ist der Plattenteller zwar zu klein, aber gegen individuelle Singles hätte er bestimmt nichts auszusetzen, obgleich das Numark-Label in meinen Augen stimmig ins visuelle Gesamtkonzept passt. Der Antriebsmotor lässt sich im modernen TTX-High-Tourque-Modus oder nach klassischer „1210er“- Methode mit niedrigem Drehmoment betreiben. Das Steuer-Vinyl ist an der Spindel montiert. Will man den Beat zweier Tracks mixen, schubst und bremst man entweder an den Tellerseiten, dreht an der Spindel oder benutzt die Pitch-Bend Tasten. Egal welche Verfahrensweise der Nutzer anwendet, das Gefühl dabei ist sehr „echt“. Wird der Motor ausgeschaltet, ist anders als beim NS7 kein „Power Off“-Sound zu hören. Ausgeschaltet haben Bewegungen am Plattenteller oder der Spindel keinen Einfluss mehr auf die Laufrichtung und Geschwindigkeit des laufenden Tracks. Statt dessen verwendet der DJ PITCHBEND zur Korrektur. Motor-Off hat beim Betätigen der CUE/PLAY-Buttons einen Instant-Start/-Stop zur Folge, da die Simulation von Anlauf- und Bremsverhalten fehlt. Bei eingeschaltetem Antrieb wird sie direkt an der Konsole reguliert.

Stripsearch
Wo man keine Schallplatte auflegen kann, braucht man keinen Tonarm, aber eine Möglichkeit, die gewünschte Stelle im Song anzusteuern, benötigt man in jedem Fall. Bei manchen DJ-Produkten geschieht dies unter Verwendung einer Shift-Jogdial-Kombination. Bei Plattentellern mit hohem Drehmoment stelle ich mir so ein Verfahren schwer zu realisieren vor.  Ausschalten wäre eine Alternative, aber dann wird ja auch die Spindelübermittlung unterbrochen. Alles viel zu kompliziert. Strip-Search macht es einfach. Der kleine Silberstreifen auf 12 Uhr mappt quasi die komplette Wellenform auf seinen berührungsempfindlichen 90 Millimetern. Der virtuelle Needledrop geschieht in dem Moment, wo der DJ den Finger auf den gefühlsechten Streifen plaziert. Ein „Fingerdrop“ sozusagen. Die Präzision hängt einerseits von der Beschaffenheit der eigenen Extremitäten, andererseits von der Länge des Musikstücks ab. Ein Zahlenbeispiel: Ein Millimeter auf dem Ribbon-Controller repräsentiert bei einem „Sechsminüter“ vier Sekunden Audiomaterial. In einem knackigen „3-Minuten-Track“ navigiert es sich also präziser als im „15-Minuten-Epos“. Das Verfahren ist nicht superexakt, aber viel schneller als ein Shuttle-Rad oder „>“-Buttons. Manchmal verspringt der Positionsmarker beim Schieben. Es wäre schön, wenn hier noch ein wenig nachgebessert würde. Zum Beispiel könnte „SHIFT“ eine temporär feinere Auflösung ermöglichen, aber schließlich gibt’s ja auch noch Cuepunkte.

Pitch
Die Auflösung des sehr sanften 100 mm Pitchfaders reicht von acht über 16 bis 50 Prozent in jede Richtung. Eine Kontroll-LED zeigt an, ob er sich in der Nullstellung befindet. An den Polen hat er zwar einen guten Millimeter „Deadzone“, doch selbst bei einer Pitch-Range von +/- 50 Prozent passt er das Tempo mit einer Präzision von 1/100 BPM an. Das ist rekordverdächtig!

MASTER aktiviert die automatische Tonhöhenkorrektur, die bis zu einem Wert von 3% artefaktfreie Ergebnisse liefert. Die Pitchbend-Taster beschleunigen oder bremsen den Song mit konstant steigender Geschwindigkeit, wenn diese gedrückt gehalten werden. Für den negativen Wertebereich bedeutet dies eine Umkehrung der Laufrichtung, so dass die Platte für einen Moment zum Stillstand kommt und dann rückwärts mit zunehmendem Tempo abspielt.

Trackverwaltung
Die Musikbibliothek wird mit Hilfe der Software erstellt und die Analyse des Audiomaterials kann nur im Vorfeld geschehen. Dazu muss V7 allerdings auch offline sein. Dass die automatische File-Analyse der Bibliothek oder einzelner Crates nur bei ausgeschalteter Einheit zur Verfügung steht, stößt bei mir nach wie vor auf Unverständnis. Während des Gigs wählt der DJ seine Songs bequem von der Steuereinheit aus. FILES, PREPARE und CRATES öffnen die entsprechenden Links, der Endlos-Encoder navigiert durch die vorausgewählte Liste. FWD und BACK ermöglichen den Wechsel zwischen den unterschiedlichen Software-Panels und tauchen tiefer in umfangreichere Ordnerstrukturen ein. Ein Shortcut für die History-Playlist ist auch diesmal nicht zugegen. LOAD A und LOAD B befördern den ausgewählten Song ins jeweilige Deck. LOAD-PREPARE in die Prepare-Liste. Praktisch ist die neue hardwareseitige Sortierfunktion mittels SHIFT und CRATE, PREPARE, FILES, FWD oder BWD. In dieser Reihenfolge ordnen sie die Ansicht nach Song, Artist oder BPM, Album oder Tracknummer.

Fotostrecke: 2 Bilder V7-Browser aktiv

WIR HABEN UNS ALLE BLEEP
An der linken Außenseite residiert ein weiterer Eyecatcher in Form eines extravaganten, großen Kippschalters. Steht dieser auf REVERSE, läuft der Plattenteller rückwärts. Kippt man ihn in Richtung Bleep (eine Feder verhindert eine Dauerstellung in der Position) läuft der Track ebenfalls rückwärts und spielt losgelassen an der Stelle weiter, wo er sich in Echtzeit ohne User-Interaktion befunden hätte. Der Zwischenraum wird unhörbar übersprungen. Ein toller Effekt, aber nicht der Einzige. Die restlichen besprechen wir im Praxisteil. Als dedizierte Steuereinheit von Itch fließt Seratos Software mit in die Gesamtwertung. Ich möchte sie daher zunächst kurz vorstellen.

Serato Itch
Itch ist ein DJ-Mix Programm des neuseeländischen Softwarehauses Serato Audio Research und läuft nur in Verbindung mit ausgewählten Konsolen, wobei die Hardware als Software-Dongle dient. Itch „versteht“ Audiofiles der Formate WAV, AIFF, MP3, AAC, OGG-Vorbis und Apple Lossless. Die Software bietet eine klar strukturierte Benutzeroberfläche mit Trackverwaltung und Decksektion. Ein Session-Rekorder wie beim Vestax VCI-300 ist in der V7-Fassung nicht mehr implementiert. Das verwundert auch nicht weiter, da hier am externen Mischpult gearbeitet wird. Die Wellenformanzeigen der Audiodateien lassen sich alternativ rechts oder links des Screens plazieren und in einem monochromen 3-Band-Spektrum statt der farbcodierten Darstellung anzeigen. Ich bleibe lieber beim Standard-Layout, welches Wellenformanzeige und Software-Player im unteren GUI-Segment unterbringt. Zwei Decks liefern Track- und Tempo-bezogene Informationen, wie Titel, Artist, Laufzeit, BPM, Loop-, Pitch- und Playback-Status. Die Wellenformübersicht ist mit vertikalen grauen Linien durchzogen. Dünne Linien kennzeichnen einen Zeitabschnitt von einer Minute, dicke Linien fünf Minuten. In der höchsten Auflösungsstufe entspricht der sichtbare Teil des Wellenausschnitts etwa acht Sekunden. Die blauen Bereiche repräsentieren die Hochtöne, Rot zeigt Bassfrequenzen und Grün die Mitten. Überlagernde Frequenzbereiche erzeugen Mischtöne. Zwei visuelle Mixhilfen sind auch an Bord. Nummer eins signalisiert Beatsynchronität bei exakt vertikal übereinander liegenden Transienten. Direkt darunter liegt der orange-blaue Tempomatcher.

Itch Online

Die obere Hälfte der Bildschirmoberfläche nimmt die Musikbibliothek mit optionalem iTunes-Menü und Seratos Crates ein. Ihnen steht mit PREPARE eine temporäre Playlist zur Seite, deren Titel nach Wiedergabe oder Programmende gelöscht werden. BROWSE navigiert durch die Library (Genre, BPM, Artist, Album). FILES browst durch den Dateibaum. Die HISTORY zeigt vergangene Mixsessions an und exportiert sie als Text, Excel-Datei oder M3U-Playlist. Itch liest gängige ID3-Tags, hat aber leider kein Bewertungssystem unter der Haube. Ich finde das sollte zum Standard eines anwenderfreundlichen Musikprogramms gehören. Besonders, wenn sich der DJ offline (im Zug von München nach Berlin etwa) durch Bemusterungen durchhört, die ja eventuell auch Seratos Service „Whitelabel.net“ kommen könnten.

Itch Offline

Mein Testmuster wurde mit Itch-Version 1.4 ausgeliefert, auf der Website steht bereits Nummer 1.5 zum Download bereit, das einige Windows- und Leopardenprobleme beseitigt, Itunes-Bugs ausräumt und Controller-spezifische Komplikationen behebt. In Bezug auf V7 bringt das neue Patch aber nicht nur Bugfixes und Performancegewinne, sondern auch neue Features.

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