Neumann TLM 49 Test

Der Sound der 1950er Jahre wurde recordingtechnisch maßgeblich von einem Hersteller geprägt, nämlich Neumann. Zwei Mikrofone aus diesem Hause avancierten in jener Zeit zu absoluten Klassikern und waren quasi unersetzlich: U 47 und M 49. Eines hatten diese beiden Mikrofon-Legenden gemein, nämlich die Kapsel K 47. Ein paar Jahrzehnte später unternimmt man bei Neumann eine kleine Zeitreise in die „Roaring Fifties“ und bedient sich nochmals eben dieser K 47. Wieder in der Neuzeit angekommen, kombiniert man den Kapselklassiker mit modernster Mikrofontechnologie aus der TLM-Reihe – TLM steht übrigens für „Transformatorloses Mikrofon“ und beschreibt das Schaltungs-Design, das ohne „normalen“ Ausgangsübertrager (Transformator) auskommt. Das Ergebnis dieser Symbiose ist das Neumann TLM 49, das 2006 das Licht der Welt erblickte und (so viel sei verraten) seither für großes Interesse sorgte und immer mehr Freunde findet.

Ok, zugegeben, so schnell wie eben beschrieben, war die Geburt des TLM 49 dann doch nicht, denn man legte bei Neumann während der Entwicklungsphase großen Wert auf die engültige Abstimmung. Dazu führte man zahlreiche Praxistests im Studio mit professionellen Sängerinnen und Sängern durch und näherte sich Stück für Stück dem gewünschten Endergebnis an. Ziel war es, ein Mikrofon speziell für den Vocal-Bereich zu schaffen, das sich durchaus an den legendären Verwandten U 47

Neumann_TLM49_12FIN Bild

und M 49 orientieren sollte. Der Sound sollte warm und seidig, aber trotzdem transparent sein, die Übertragungseigenschaften sollten aktuelle Technologie-Standards erfüllen. Man hatte sich in Berlin also wirklich Großes vorgenommen. Ob man es geschafft hat, erfahrt ihr im Folgenden.

Details

Retro at its best

Das TLM 49 kommt nicht, wie es sicherlich angemessener wäre, in einer edlen Holzschatulle oder einem entsprechenden Koffer, sondern in einer „schnöden“ Kartonbox daher. Gut und schön, man hat sich aus preistechnischen Gründen für diese Art der Verpackung entschieden, aber etwas edler hätte es ruhig sein können. Öffnet man das Papp-Zuhause des Mikrofons, ist dieser kleine Fauxpas aber gleich vergessen. Das Mikro wirkt sehr imposant und präsentiert sich im Neumann-typischen matten Nickel-Finish mit einem sehr großen und grobmaschigen Mikrofonkorb. Es macht äußerlich fast den Eindruck, als hätte man ein TLM 103 aufgepumpt und einer Vintage-Kur unterzogen. Der Hersteller selbst trifft hier den Nagel ziemlich auf den Kopf, wenn er über dieses Mikrofon sagt: „Retro at its best“. Das TLM 49 könnte vom Design her einer Zeit entsprungen sein, in der an Farbfernsehen (geschweige denn HD-TV) noch kein Denken war – ok, den XLR-Anschluss müsste man noch gegen einen Tuchel austauschen, aber sonst passt es schon. Mir gefällt diese Retro-Optik ausgesprochen gut, es vermittelt irgendwie gleich eine hohe Wertigkeit und etwas Edles. Auch das Gewicht von 825 g lässt schon erahnen, dass wir hier kein klangliches Leichtgewicht vor uns haben. Das Mikro hat einen Durchmesser von 78 mm und eine Höhe von 165 mm. Alles ist bestens verarbeitet, so wie man es von Neumann auch nicht anders gewohnt ist – wirklich vorbildlich.

Fotostrecke: 4 Bilder Ein imposantes Erscheinungsbild mit einem großzügig dimensionierten Mikrofonkorb.

Hohe Frequenzen werden stärker gebündelt, so wie es dem Vorbild M 49 entspricht.

Der Durchmesser der Kapsel ist mit 34 mm (1,3″) deutlich über dem “Großmembran-Standard” von 1″. Der komplette Kapselaufbau ist elastisch gelagert, die Kapsel selbst ist zudem auf einem Schwinggummi montiert – durch diese Maßnahmen möchte man ausreichenden Schutz gegen Übertragung von Körperschall bieten. Das TLM 49 besitzt die Richtcharakteristik Niere, wobei durch die Kapselkonstruktion eine Tendenz zur Superniere gegeben ist – hohe Frequenzen werden stärker gebündelt. Eine Vordämpfung such man bei diesem Neumann ebenso vergeblich wie ein zuschaltbares Lowcut-Filter – hier haben wir ein wirklich puristisches Mikro-Design. Wie bei den Mikrofonen der TLM-Reihe üblich, ist natürlich auch die Ausgangsschaltung des TLM 49 transformatorlos. Der Übertragungsbereich des TLM 49 wird mit 20 Hz – 20 kHz angegeben, der Feldübertragungsfaktor (bei 1 kHz an 1 kOhm) mit 12 mV/Pa, der äquivalente Eigengeräuschpegel mit 12 dB(A), der Grenzschalldruckpegel (für k

Fotostrecke: 4 Bilder Da freut sich der Recording-Engineer…

Sogar mit Spinne – ick freu mir!

Ein kleines Leckerli habe ich mir für den Schluss der Detail-Beschreibung aufgespart, da dies bei Neumann nicht unbedingt „normal“ ist. Zum „All-inclusive“-Lieferumfang gehört nämlich auch die elastische Spinnenhalterung EA-3, die natürlich komplett aus Metall gefertigt wurde und treue Dienste verrichtet. Sowohl das Gewinde am Mikrofon als auch das Gegenstück an der Spinne sind perfekt geschnitten und sorgen für eine einwandfreie Verbindung. Bei vielen anderen Neumännern muss eine Spinne zusätzlich erworben werden – und eine solche elastische Mikrohalterung aus dem Berliner Hause ist nicht gerade als Schnäppchen zu bekommen.

Praxis

You don´t have to fix it in the mix

Beim Schlussfazit in der 900-Euro-Klasse waren sich mein Kollege Nick und ich nicht eindeutig einig, welches Mikrofon uns am besten gefallen hat – wir hatten beide einen anderen Favoriten. Dieses Mal, in der 1500-Euro-Klasse, herrschte glückselige Einigkeit im bonedo-Mikrofonland: Das Neumann TLM 49 ist unser Gewinner! Somit hätten wir also schon mal geklärt, dass uns dieses Mikro sehr gut bzw. am besten gefallen hat. Aber was macht das TLM 49 zum Gewinner? Sein Charakter. Denn davon hat dieses Mikrofon einiges zu bieten. Die Signale klingen alles andere als neutral, doch genau das, was das Neumann in unserem Fall mit den Vocals macht, ist einfach hervorragend und als „Veredeln“ zu bezeichnen. Die Signale sind sofort mixfertig – hier noch etwas im Nachhinein beim Mix zu „versauen“, ist schon fast eine Kunst.

Fotostrecke: 2 Bilder Mikrofontest: Alice, weibliche Stimme

Ein Klang mit behaglicher Wärme, in Samt und Seide gebettet

Die Höhen wirken, obwohl sie mit einer hohen Brillanz rüberkommen, wie in Samt und Seide gehüllt. Wer kristallklare „Open-End-Höhen“ haben möchte, ist hier an der falsche Stelle. Doch das wäre bei diesem Mikro auch unpassend und würde diesen schönen, warmen Vintage-Sound zerstören. Als sehr angenehm und edel empfanden wir dies vor allem bei Alices Breathing. Welch wohliges Hauchen da aus purer Luft plötzlich gezaubert wird, ist schon toll. In den unteren Mitten und Bässen ist uns aufgefallen, wie sanft und schon fast subtil der Nahbesprechungseffekt beim TLM 49 einsetzt. Bei vielen anderen Mikros setzt dieser Effekt relativ schmalbandig und somit auch abrupt ein, hier ist es fast so, als würde ein langsam und in die Breite ansteigendes Shelf-Filter zugeschaltet. Das sorgt einfach dafür, dass man seinen Signalen bei kürzerem Abstand zum Mikro zu ein bisschen mehr Druck verhilft. Bei unserem Sänger Goldie war es hier und da ein wenig zu dick untenrum. Das stellt aber kein wirkliches Problem dar, da man hier einfach ab ca. 100 Hz etwas cutten kann. Besser, es ist etwas zu viel da als zu wenig – per EQ rausdrehen ist immer besser als reindrehen. Zu den Mitten lässt sich sagen, dass dieser Frequenzbereich wirklich sehr gut und fein aufgelöst wird, so dass sich auch kleine Nuancen mühelos nachvollziehen lassen. Natürlich klingen auch die Mitten nicht neutral, sondern sorgen mal wieder für behagliche Wärme im Gehörgang.

Audio Samples
0:00
10 cm, weiblich 30 cm, weiblich 10 cm, männlich 30 cm, männlich

Hier kommt Farbe in die Stimme

Noch einmal: Färbung ist beim TLM 49 definitiv vorhanden, reichlich sogar, aber genau diese ist auch Trumpf. Beim Klang dieses Mikrofons nervt definitiv nichts – alles, was es macht, ist so genau richtig. Sorry, wenn ich mich wiederhole – wer dieses Mikro schon einmal gehört hat, wird mich (hoffentlich) verstehen. Neumann hat ja bei der Entwicklung und Planung dieses Modells von Anfang an versucht, den Charme und Sound vergangener Zeiten neu aufleben zu lassen – und genau das ist auch gelungen. Man kennt diesen speziellen Sound von unzähligen großen Produktionen. Aus diesem Grund kommt einem der Klang des TLM 49 auch sofort sehr vertraut vor.

Neumann ist es mit dem TLM 49 gelungen, einen legendären Sound in Anlehnung an die Klassiker U 47 und M 49 in die Gegenwart zu transportieren. Und das Ganze noch zu einem Preis, der fast unglaublich erscheint. Natürlich sind 1400 Euro nicht gerade für jedermann aus der Portokasse finanzierbar, aber man darf eben auch nicht außer Acht lassen, was man dafür bekommt. In diesem Fall ein Mikrofon, das wirklich einen deutlich teureren Klang bietet. Das TLM 49 klingt einfach ideal abgestimmt – mit Sicherheit nicht neutral, keinesfalls, aber das möchte man von solch einem Mikro auch nicht. Von meiner Seite aus alle Daumen nach oben!

Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • Vintage-Gesamtsound
  • brillante und gleichzeitig „warme“ Höhen
  • Auflösung der Mitten
  • sanfter Nahbesprechungseffekt
  • Preis-/Leistungsverhältnis
Contra
  • keins
Artikelbild
Neumann TLM 49 Test
Für 1.469,00€ bei
Neumann_TLM49_04FIN Bild
Technische Spezifikationen
  • Akustische Arbeitsweise: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Übertragungsbereich: 20 Hz…20 kHz
  • Feldübertragungsfaktor bei 1 kHz an 1 kOhm: 13 mV/Pa
  • Nennimpedanz: 50 Ohm
  • Nennlastimpedanz: 1 kOhm
  • Ersatzgeräuschpegel, CCIR1): 23 dB
  • Ersatzgeräuschpegel A-bewertet1): 12 dB-A
  • Geräuschpegelabstand CCIR1) (rel. 94 dB SPL): 71 dB
  • Geräuschpegelabstand A-bewertet1) (rel. 94 dB SPL): 82 dB
  • Grenzschalldruckpegel für K
  • Grenzschalldruckpegel für K
  • Maximale Ausgangsspannung für K
  • Speisespannung (P48, IEC 1938): 48 V ± 4 V
  • Stromaufnahme (P48, IEC 1938): 3,2 mA
  • Erforderlicher Steckverbinder: XLR 3F
  • Gewicht: 825 g
  • Durchmesser: 78 mm
  • Länge: 165 mm
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Profilbild von ortega67

ortega67 sagt:

#1 - 04.03.2017 um 16:14 Uhr

0

Habe das TLM49 momentan ausgiebig im Test. Akustikgitarren und männliche Vocals durch ein SPL Track one klangen mit dem Neumann keinen Deut besser als mit mein 15 Jahre altes SPL Nuggett (AT40??). Die beiden Mic`s haben viele Gemeinsamkeiten, viele Mitten und einen leicht rauhen Charakter. Auf der einen Seite bin ich enttäuscht vom Neumann, auf der anderen positiv überrascht vom SPL.

Profilbild von jarsrec

jarsrec sagt:

#2 - 10.01.2020 um 12:46 Uhr

0

Ich hatte auch eins, habe es aber wieder verkauft. Es war überhaupt nicht mein Ding. Es klang für mein Empfinden immer leicht "angestrengt" oder gar übersteuert (kratzig), selbst bei niedriger Aussteuerung.

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