Phonon SMB-01L Test

Phonon Kopfhörer aus Japan haben sich gerade im Bereich elektronischer Musikproduktion zu gar nicht mehr so geheimen Geheimtipps gemausert. Weltbekannte DJs wie Laurent Garnier, Dixon, Jeff Mills, Frank Wiedemann (Âme) und DJ Harvey und Toningenieure wie Tom Lorde-Alge sind unter ihnen. Immer häufiger findet man sie vor allem in Homestudios, wo aufgrund der Wohnsituation keine laute Monitorabhöre ausgefahren werden kann.

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Mit dem SMB-02 entwickelte Phonon-Co-Gründer Isao Kumano, einer der höchstangesehenen japanischen Mastering-Ingenieure, den ersten Studiokopfhörer seiner Firma mit dem Ziel, das Hörerlebnis von Monitorlautsprechern zu ermöglichen. Mit dem SMB-01L stellt er nun sein neues Top-Modell vor, einen Hi-End-Hörer knapp unter der 1.000,- Euro Grenze, mit dem Ziel, den Klang einer großen Studioabhöre zu übertragen.

Details

Lieferumfang

Der SMB-01L wird in einem beeindruckend wertigen Kunstfasercase geliefert. Auf der textilartigen schwarzen Oberfläche ist in dezentem Grau der Phonon-Schriftzug aufgedruckt. Nach dem Öffnen per Reißverschluss präsentiert sich der Kopfhörer selbst perfekt geschützt in einem stabilen, dicken anthrazitfarbenen Schaumstoffbett. Im Deckel zappelt hinter einem mit Gummiband gestrafften Netz der Beifang: das abnehmbare 3 m glatte Kabel mit abschraubbarem Steckeradapter von 3,5 auf 6,3 mm Größe, ein Kärtchen für die zweijährige Garantie und zwei Tütchen mit einem Minischraubenzieher und zwei kreisrunden schwarzen Plättchen mit länglichen Schlitzen.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Phonon SMB-01L wird in einem luxuriösen Textilhardcase geliefert

Zwei in einem

Letztere sind die austauschbaren kreisrunden Rückwände der Ohrmuscheln, ein besonderes Feature des SMB-01L. Der Kopfhörer wird mit montierten geschlossenen Rückwänden geliefert. Diese sind mit drei kleinen Schräubchen befestigt und können ausgetauscht werden. So wird aus dem geschlossenen in wenigen Minuten ein halboffener Kopfhörer mit entsprechend verändertem Klangverhalten. Dazu mehr im Praxisteil.
Vorwegschicken möchte ich, dass das Austauschen der Rückwände schon eine fummelige Angelegenheit ist, die man nicht gerne täglich machen wird. Wahrscheinlich finden alle User nach mehrmaligem Umgestalten ihre präferierte Konfiguration. Und falls beim An- und Abschrauben mal eines dieser winzigen und dennoch so wichtigen Schräubchen verloren gegangen ist: Im Lieferumfang befinden sich neben dem ebenfalls mitgelieferten kleinen Schraubenzieher noch drei Ersatzschräubchen.

Fotostrecke: 2 Bilder Der Phonon SMB-01L ist so konstruiert, dass er mit Austausch der Ohrmuschel-Plättchen von einem geschlossenen zu einem halboffenen Kopfhörer verwandelt werden kann

Unsichtbares Bling-Bling

Der japanischen Kultur ist das sinnfreie Zurschaustellen von Luxus fremd und nach dieser Philosophie ist auch der SMB-01L designt. Außen pures Understatement – ein robuster, gepolsterter Bügel mit ausziehbaren Metallschienen, ein schlichtes schwarzes Plastikchassis, konservative Formgebung, wären da nicht die dicken gepolsterten Ohrmuscheln aus hochwertiger Lammhaut, die sich über Dämpfungsmaterial aus Memory-Schaum spannen. Innen dann absolut hochwertige Komponenten – ein neu entwickelter 50 mm „Free-Edge“-Treiber mit einer Membran aus PET-Material soll einen besonders weiten Frequenzgang von 10 Hz bis 40 kHz realisieren. Im Inneren des Gehäuses befindet sich laut Herstelleranhaben eine Netzstruktur, die über einen an drei Punkten befestigten Gummiring gespannt ist, um die Schallreflexion im Gehäuse zu absorbieren.

Fotostrecke: 2 Bilder Der Phonon SMB-01L gibt sich sehr dezent: außer auf den austauschbaren Abdeckscheiben gibt es keinen Logo-Schriftzug

Drehen und wenden

Die recht flachen Ohrmuscheln des SMB-02 waren noch starr. Die großen Pötte des SMB-01L sind hingegen höchst beweglich, was sich sehr auf den Tragekomfort auswirkt. 90° in der Längsachse und mehr als 90° in der Querachse sorgen für eine ergonomische Anpassung an die Kopfform.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Ohrmuscheln lassen sich in der Längsachse um 90° …

Symmetrische Option

Das Originalkabel des SMB-01L ist bereits vieradrig ausgelegt. Im Phonon Store ist dazu ein optionales symmetrisches Kabel mit unabhängiger Erdung erhältlich, das auch mit dem SMB-03 genutzt werden kann, denn auch der ist 4P-XLR-kompatibel. Damit sind besonders hochwertige Audioverbindungen beispielsweise zu DAC/Amp-Kombos machbar. Ohne ebenjene geht es jetzt aber straight in den Praxistest!

Fotostrecke: 2 Bilder Das Anschlusskabel ist vieradrig, abnehmbar und wird mit 3,5-mm-Stecker sowie einem sehr stabilen schraubbarem Adapter für 6,3 mm geliefert

Praxis

Es ist immer wieder spannend, welchen Ersteindruck ein bislang noch nicht gehörter Kopfhörer macht. Wie wird sich die eigene Musik anhören und wie hört sich Musik auf anderen Systemen an, die mit dem neuen Headphone gemischt wurde? Und bereitet es Frust oder Freude, den Kopfhörer über längere Zeit zu tragen? Als Vergleich dienten mir u. a. der erst neulich auf Bonedo getestete DJ/Producer/ Allround-Kopfhörer Phonon SMB-03und mein bewährter und 1000-mal gehörter Beyerdyamic DT990.

Das 3 m lange Kabel des Phonon SMB-01L ist abnehmbar
Das 3 m lange Kabel des Phonon SMB-01L ist abnehmbar

Tragekomfort

Erstes Gefühl beim Aufsetzen des SMB-01L: superbequem und perfekt ausbalanciert. Die riesigen Muscheln ummanteln meine Ohren weich und fest. Da drückt nichts, da rutscht nichts und auch Brillenbügel werden nicht übermäßig hart auf die Schläfen gepresst. Eine richtige Wohlfühlzone. Das für einen Hi-End-Kopfhörer durchaus moderate Gewicht von ca. 350 g wird über die dick aufliegenden Muschelflächen gut am Kopf verteilt. So sind auch längere Sessions mit Kopfhörern kein Problem. Dieses angenehme Tragegefühl zog sich über die gesamte Testphase hin, in der ich viel gemischt und gehört habe. Die Ohrpads haben weder an der Haut geklebt noch gescheuert. Da der Test in der kühlen Jahreszeit stattfand, kann ich jedoch nichts zum Tragekomfort an heißen schwitzigen Sommertagen beitragen.

Außen nüchterner Look, innen fantastischer Klang
Außen nüchterner Look, innen fantastischer Klang

Höreindruck

Erster Höreindruck: phänomenal. Der Hochtonbereich ist klar und brillant, die Mitten warm und strukturiert, die Bässe rund und präzise. Gerade die Tonabstufung in den tiefen Frequenzen ist beeindruckend. Das Tuning einer Bassdrum zur Bassline, das Abgrenzen der Frequenzen und die Wucht des Basses sind sehr gut zu verorten.
Mit montierter geschlossener Ohrplatte sitzt man tatsächlich in einem klar definierten akustischen Space mit der Panoramaspreizung von Lautsprechern. Die Phantommitte des Signals schwebt fast ein wenig vor der Stirn und bohrt nicht mitten im Kopf. Das ging so weit, dass ich beim Aufstehen auch schon mal vergaß, dass ich eigentlich Kopfhörer trage.

Die Metallbügel ziehen sich weit genug aus, auch für große Köpfe
Die Metallbügel ziehen sich weit genug aus, auch für große Köpfe

Knack und Bass

Was besonders beeindruckt, sind die knackig-direkten Transienten. Mit einer ADSR-Hüllkurve oder dem Transient-Shaper an Attack-Verläufen zu arbeiten, macht mit dem impulsfreudigen SMB-01L vor allem im Kontext der Musik richtig Spaß, weil man auch ohne Soloschaltung sehr präzise die richtige Portion Schärfe in perkussive Signale reindrehen kann, ohne es zu übertreiben.
Bei einer während des Tests erfolgten Produktion fühlte ich mich regelrecht ermutigt, mehr Hall als sonst auf die Bassdrum zu legen, weil ich den Punch der Kick, die Fülle des Halls und die Wucht des daraus generierten Rumble-Effekts besonders gut beurteilen konnte, sowohl tonal als auch in den Transienten. Ein Test des Premasters beim DJ-Set im Club bestätigte meinen Eindruck einer gelungenen Produktion. Ein gut aufgeräumter Bassbereich ist eben die halbe Miete und der SMB-01L ist dafür ein perfekter Partner.

Die drei Zentimeter dicken Ohrpolster schmiegen sich sanft und fest um die Ohren.
Die drei Zentimeter dicken Ohrpolster schmiegen sich sanft und fest um die Ohren.

Offen vs Halboffen

Zweiter Eindruck mit montierten halboffenen Rückwänden: Der Klang ist nicht mehr so ganz intim, der Bass nicht so beinhart präzise und die Transienten einen Hauch weniger knackig. Der Gesamteindruck ist ganz allgemein „luftiger“. Ist ja klar, mag jetzt der geneigte Leser sagen, es kommt ja auch mehr frische Luft an die Ohren! Vor allem aber auch ein paar mehr Außengeräusche und das gefällt mir beim Produktionsprozess eindeutig besser. Man sitzt nicht komplett „in the zone“, sondern steht akustisch mehr im Leben. Für mich persönlich übersetzt dies beim Produzieren den Höreindruck der Monitore besser, weil ich mich nicht komplett abgekapselt fühle. Die räumliche Zuordnung von Signalen ist sehr deckungsgleich mit der von Studiomonitoren.
In Umgebungen mit Störgeräuschen wie Lüfter- oder Straßenlärm hingegen ist die geschlossene Variante sicher die bessere Option, gerade wenn beispielsweise beim Mastern sehr konzentriert gehört werden muss.

Ob geschlossen oder wie hier abgebildet halboffen: Der SMB-01L klingt in beiden Varianten sehr gut
Ob geschlossen oder wie hier abgebildet halboffen: Der SMB-01L klingt in beiden Varianten sehr gut

Double Happiness

Offen oder geschlossen: Am Ende ist es einfach eine absolute Luxusentscheidung, welcher Variante man persönlich den Vorzug gibt. Ungefähr so muss sich der Bundestrainer bei der Frage fühlen, ob er lieber Neuer oder ter Stegen ins Tor stellt: ganz schwere Entscheidung, aber irgendwie auch leicht, denn gefühlt machst du nie was falsch. Aber begründe das mal.
Mit hochakribischer Entwicklungsarbeit, japanischer Handwerkskunst und einem simplen Kniff haben Phonon uns einen fantastischen Studiokopfhörer geschenkt.
Nun „geschenkt“ ist er nicht wirklich, er kostet satte 839,- Euro. Doch wer ihn sich gönnt, wird sich nicht grämen, es gibt wahrhaftig überflüssigere Ausgaben, als in eine akkurate Abhöre zu investieren.

Sounds good: Der SMB-01L
Sounds good: Der SMB-01L

Für wen ist das?

Der SMB-01L ist ein perfekter Kopfhörer für Produktion und Mastering. Für Mastering und hochpräzise Arbeit am Klang würde ich persönlich die geschlossene Variante vorziehen. Für langfristiges Arbeiten im Kreativbereich und einfaches Musikhören macht mir aber die halboffene Variante mehr Freude, zumal sie ebenfalls fantastisch klingt.
Weiterhin ist das neue Phonon-Flaggschiff ein sehr guter persönlicher Referenzkopfhörer für Producer, die viel in anderen Studios unterwegs sind. Andere Umgebungsakustik, andere Lautsprecher, da ist es gut, einen Maßstab parat zu haben, dem man vertrauen und über den man die klanglichen Gegebenheiten in einem fremden Studio entschlüsseln kann.

Haben wollen?

Phonon-Kopfhörer werden nicht in den großen Musikläden geführt, sondern (fast) nur über den eigenen Webshop verkauft. Deshalb gewährt Phonon bei Nichtgefallen ein Rückgaberecht innerhalb von 15 Tagen.

Keine Katze im Sack: Phonon gewährt bei Nichtgefallen ein Rückgaberecht innerhalb von 15 Tagen
Keine Katze im Sack: Phonon gewährt bei Nichtgefallen ein Rückgaberecht innerhalb von 15 Tagen

TIPP
Besitzer des Phonon SMB-02, die jetzt etwas neidisch auf die dicken fetten Ohrpolster des SMB-01L geworden sind: Für den Phonon-Oldie gibt es ein Nachrüstkit, die Ear Pad 02 Luxury, fast ebenso groß und bequem wie die Pads unseres Testmodells, aber aus Protein-Leder-Material und hergestellt von der japanischen Ohrpolstermarke Yaxi.

Kein Grund, neidisch zu sein: Auch für den SMB-02 gibt es dicke Ersatz-Ohrpolster im Phonon Wenshop
Kein Grund, neidisch zu sein: Auch für den SMB-02 gibt es dicke Ersatz-Ohrpolster im Phonon Wenshop

Fazit

Der Phonon SMB-01L spielt in der obersten Liga der perfekt klingenden Kopfhörer mit. In diesem Segment gibt es kein wirkliches Besser oder Schlechter, hier entscheidet der persönliche Geschmack, Nuancen im Sitzkomfort und letztlich der jeweilige Anwendungsbereich. Das Phonon-Flaggschiff erzeugt ein sehr plastisches und detailliertes Klangbild, gepaart mit kristallklarer Transparenz in den Höhen. Der SMB-01L ist kein Schnäppchen, angesichts der gebotenen Qualität erscheint der Preis jedoch sehr wohl angemessen.

PRO
  • hervorragender Sound
  • sehr hoher Tragekomfort
  • stabile Konstruktion
  • luxuriöse Tragetasche im Lieferumfang enthalten
CONTRA
  • keins
Technische Spezifikationen
  • Modell: Phonon SMB-01L
  • Typ: geschlossen/ halboffen
  • Treiber: 50 mm
  • Empfindlichkeit: 102 dB/1mW
  • Frequenzgang: 10 Hz – 40.000 Hz
  • maximale Leistung: 1.000 mW
  • Impedanz: 32 Ω
  • Gewicht: 343 g (ohne Kabel)
  • Stecker: 6,3 / 3,5 mm vergoldeter Stereo-2-Wege-Stecker
  • Kabel: abnehmbares 3 m (4-Draht-Typ L/R unabhängige Erdungskabelverbindung)
  • Preis: 830,- Euro
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