Auflegen wie DJ Stylewarz

Equipment

Der ersten Sampler, den er für seine ehemalige Band No Remorze in den Fingern hatte, war ein Akai S-950. Der Marke ist er bis heute treu geblieben, allerdings ist er nach eigener Aussage ein „Akai/MPC-Kind“. Und so benutzt er für die meisten seiner Basic-Tracks eine MPC Rennaiscance. Als DAW kommt Steinbergs Cubasezum Einsatz.
Die Vorproduktion seiner Songs fanden bisher in seinem eigenen Hamburger Tonstudio (siehe Foto) statt. Da das entsprechende Gebäude allerdings im November 2017 den Abrissbaggern zum Opfer gefallen ist, hat er sein Studio mittlerweile in seiner Wohnung eingerichtet. Bisher lies er seine Musik im Bremerhavener Candystation-Tonstudio von seinem langjährigen Freund Harry, den er als er als seinen „Sound-Yoda“ bezeichnet, abmischen. Doch da das aus terminlichen Gründen nicht mehr funktionierte, war Stylewarz gezwungen seine Songs selbst abzumischen. So geht etwa die Hälfte der Mixe seiner aktuellen LP „auf seine Kappe“. Ein Prozess bei dem er nach eigener Aussage „eine Menge gelernt“ hat. „Ich war vor der Fertigstellung des Albums ganz schön nervös, doch stellte sich beim Mastering glücklicherweise heraus das ich Mischungstechnisch ganz gute Arbeit geleistet hatte“, sagt Stylewarz zum Thema. Beim Mastering vertraut er wie viele seiner deutschen Musikerkollegen auf Sascha „Busy“ Bühren vom True Busyness Mastering Studio in Berlin.
Die vergleichsweise wenigen Geräte, die Stylewarz für seine Club-Gigs benötigt, verraten, dass er aus der klassischen Schule des Hip Hop DJings kommt. Er verwendet zwei Technics Turntables der 1200er-Serie, ein Apple MacBook mit Serato DJ sowie einen Rane Seventy Two Mixer mit integriertem Audiointerface. Zusätzliche MIDI-Controller kommen bei ihm nicht zum Einsatz.
Generell arbeitet Michael Whitelov mit Serato sehr ähnlich wie mit echtem Vinyl und verzichtet dabei gerne auf allzu viele „Cuepoint-Spielereien“. Der größte Teil seiner DJ-Sets ist nach wie vor reine „Handarbeit“. Um zu analysieren, wie unser Hamburger Plattenreiter so beim Auflegen vorgeht, nehme ich mir einen seiner Online-Mixe vor. Dabei handelt es sich um ein dreißigminütiges Set für DJCity, einer Plattform, die jeden Dienstag einen neuen Mix eines bekannten deutschen DJs auf Mixcloudveröffentlicht. Am 25.11.2014 wurde dieser Mix von DJ Stylewarz online bereitgestellt.

Stylewarz bei der Arbeit in seinem ehemaligen Hamburger Tonstudio! (Foto: Jonas Samuel Eger/ Mit freundlicher Genehmigung von M.Whitelov)
Stylewarz bei der Arbeit in seinem ehemaligen Hamburger Tonstudio! (Foto: Jonas Samuel Eger/ Mit freundlicher Genehmigung von M.Whitelov)

Playlist 

  1. 00:00 Mr. Carmack – Kick it ip
  2. 01:28 Jeedo – Hood Tech
  3. 02:19 Feadz – Eastside (Big Dope P Remix)
  4. 04:10 Betty Ford Boys – The Recipe
  5. 05:43 Alix Perez – U
  6. 07:36 Phase 2 – Just Don`t know
  7. 09:14 Losco – Drop
  8. 11:04 Submorphics – Organ Grinder (Calibre Remix)
  9. 13:16 Wu-Tang Clan – C.R.E.A.M. (Green Lantern Remix)
  10. 15:16 Jarreau Vandal – They Don`t care
  11. 16:43 Ta-Ku – Higher (Flume Remix)
  12. 17:26 Jaylib – The Red
  13. 18:50 Betty Ford Boys – Le Digestif
  14. 19:11 Rafik – Can`t wait (Nightwave Remix)
  15. 20:54 Rude Kid – 222
  16. 21:49 Hudson Mohawke – Chimes
  17. 23:21 Skepta – That`s Not Me
  18. 26:43 Bukez Finezt – Wake up

Dramaturgisch betrachtet …

… zeichnet sich das Set von DJ Stylewarz trotz seiner relativ kurzen Dauer von 30 Minuten durch eine Vielfalt an Musikstilen und Tempi aus. Obwohl alle gewählten Songs des DJ-Sets einen elektronischen Touch haben, hat das von Stylewarz errichtete „Soundgebilde“ dennoch einen „organischen“ Klang, der unter anderem den zahlreich vertretenen (Soul-) Samples zu verdanken ist. Den musikalischen Spannungsbogen erzeugt Stylewarz durch eine Eröffnung des Sets mit langsamen, fast instrumentalen Hip Hop Songs, um dann ab der zweiten Minute durch hinzufügen von Rap Vocals eine Steigerung zu generieren. Im Anschluss sorgen verspieltere Musikstücke und „gebrochene“ Rhythmen für einen Wendepunkt, der seinen vorläufigen Klimax in den nun zu Einsatz kommenden, schnellen DnB-Beats hat.
Die so entstandene Unrast wird von Stylewarz danach „auf das halbe Tempo“ gezielt zurückgenommen. Es folgen entspanntere Songs mit typischen Hip Hop Beats ohne Rap Vocals, um den Mix noch einmal „energetisch aufzuladen“. Ein flotter Wechsel auf schnellere Club Tracks und die anschließende Dubstep Sektion sorgen dafür, dass die Aufmerksamkeit des Zuhörers erhalten bleibt und dieser, ich sag mal „stimuliert“ wird. Schließlich endet des Set mit finalen, dubbigen Tönen. Überraschend war für mich, das Michael Whitelov (für Hip Hop DJs eher untypisch) sehr häufig mit Blends und Filtern arbeitet. Diese Techniken kombiniert er mit gezielt eingesetzten Scratches. Musikalisch ist seine Selektion unüberhörbar vom klassischen Hip Hop und britischem Club-Sound (Dubstep, DnB …) geprägt. Eine sehr individuelle Songauswahl!

DJ Stylewarz Mix auf DJCity
DJ Stylewarz Mix auf DJCity

Mixset-Analyse im Detail

Als Einleitung für seinen Mix nutzt Stylewarz das sphärische Intro des Songs „Kick it up“. Bei 00:19 folgt dann ein kurzer Jingle der Plattform DJCity. Unmittelbar danach setzt der Beat mit circa 85 BPM ein und mir kommt ein Intro mit Sprachfetzen von Ferris MC und Capone n Norega zu Ohren. Den zum Intro umfunktionieren Mr. Carmack Song hatte DJ Stylewarz bereits vor dem Set exklusiv für diesen Mix angefertigt. Aufgenommen wurde die Session „One Take“ in seinem Hamburger Tonstudio.
Bei 1:10 folgt ein sanfter Blend zum Song „Hood Tech“. Dieser (beinahe) Instrumental-Song wird vom Hamburger DJ durch ein virtuoses Scratch-Solo ergänzt. Unmittelbar nach den „Kratzern“, nämlich bei 2:15, macht Stylewarz eine gekonnte Überblendung zum Rap-Track „Eastside (Big Dop P Remix)“ der Formation Feadz. Bei 04:13 senkt Herr Whitelov die Bässe des Songs ab und wechselt raffiniert durch einen Quick-Blend zu „The Recipe“ der Betty Ford Boys. Dieses Lied bringt nun einen „beswingten“ Groove in den Mix. Von 5:22 bis 6:08 ist ein langer, sehr sauber performter Übergang zu den „gebrochenen“ Beats des Songs „U“ von Alix Perez zu hören. Dann wechselt Stylewarz ab 7:20 allmählich zum „reinen“ DnB-Track „Just don`t know“ von Phase 2. Es folgt bei 9:08 der Song „Drop“, übergeleitet durch einen mittelschnellen Blend. Der vorherige Song „verabschiedet“ sich dabei langsam durch ein Tiefpassfilter.
Ein langer Fade leitet den Mix bei 10:11 zum atmosphärischen DnB Song „Organ Grinder“ von Submorphics über. Anschließend geht es bei 12:48 mithilfe eines kurzen Blends auf „halbem Tempo“ weiter. Es folgt der Hip Hop Klassiker „C.R.E.A.M“ vom Wu-Tang Clan im Green Lantern Remix. Bei 15:10 erklingt das Intro von „They don`t care“ (Song mit Michael Jackson Gesangs-Sample). Einige Sekunden später lässt Stylewarz den Wu-Tang-Song im Echo verschwinden und der Rhythmus des Nachfolge-Songs setzt ein. Die Bässe dieses Titels killte er bei 16:29 und lässt dann das Intro (Synth-Akkorde und Hi Hat) von „Higher (Flume Remix)“ erklingen. Ein simpler, aber sehr effektiver Übergang!
Dies ist auch der Anfang einer kurzen Hip Hop Sektion innerhalb des hier analysierten DJ-Sets. Ab 17:24 senkt Stylewarz die Höhen des Ta-Ku Liedes ab und fadet gleich darauf das Intro des Madlib/J-Dilla Klassikers „The Red“ ein. Der vorherige Song „verschwindet“ bei 17:53 der Timeline mittels Fade-Out und die Rap-Strophe von „The Red“ setzt ein. Am Ende einer weiteren Rap-Strophe bei 18:35 leitet eine mittelschnelle EQ-Überblendung zum Song „Le Digestif“ über. Es erfolgt ein Tempowechsel, zu dem Stylewarz eine Zäsur mithilfe eines Echos kreiert, welches den Song der „Betty Ford Boys“ bei 19:10 Min „verabschiedet“.
Nun erklingen die deutschen Sprach-Samples des Intros von „Can`t Wait (Nightwave RMX)“, ein Song des Düsseldorfers DJ Rafik. Mit diesem, dem Garage und Dubstep verwandten Track wird ein Wechsel zu einer „club-lastigeren“ Phase des Mix vollzogen. Bei 20:47 wechselt Stylewarz mithilfe eines viertaktigen Blends zum 808-lastingen Dubstep-Track „222“ von Rude Kid über. Es folgt bei 22:14 ein raffinierter „Hard-Cut“ auf den nächsten Dubstep-Song „Chimes“ von Hudson Mohawke. Stylewarz begibt sich ins Grime-Genre und vollzieht bei 22:38 einen achttaktigen Blend zu „That`s not me“ vom Engländer „Skepta“. Bei 26:32 erreicht der Mix dann innerhalb von vier Takten den instrumentalen Dub-Track „Wake up“ von Bukez Finest. Dieser Song beendet die Session von DJ Stylewarz auf sehr entspannte Art und Weise. Hier findet ihr den Download der Playlist samt Mixanalyse.

DJ Stylewarz arbeitet bei seinen DJ-Sets überraschenderweise (... und Genre untypisch) viel mit Blends und Filtern.
DJ Stylewarz arbeitet bei seinen DJ-Sets überraschenderweise (… und Genre untypisch) viel mit Blends und Filtern.

Resümee

Wir hoffen wir konnten euch in unserem Workshop nicht nur einige Tracks und Tipps aus DJ Stylewarz Trickkiste näher bringen, sondern auch einige interessante Fakten, vielleicht sogar Anregungen aus seiner Karriere auf den Weg geben und ein wenig vom Spirit vermitteln, der ihn umgibt. Michael Whitelov alias DJ Stylewarz ist ein Typ, der genau weiß, was er will und zielstrebig „sein Ding“ durchzieht. Seine DJ-Sets zeichnen sich durch seine individuelle Musikauswahl, gekonnt eingesetzte Scratches und durch sehr sauberes Mixing aus. Zu keinem Zeitpunkt versucht sich Stylewarz bei seinen Club-Sets dabei als „Party-Animateur“, der jedem gerecht werden möchte. Vielmehr zählt er selbstbewusst darauf, dass sein Publikum auf seinen individuellen Mix aus Hip Hop und „Bass-Musik“ (DnB, Grime, Trap …) sowie seinem sauber performten Mix „abfährt“. Diese „Be Original“ Philosophie scheint ihm recht zu geben, denn nach sehr vielen aktiven Jahren ist er immer noch einer der Top-DJs des Genres. Mit seinem eigenen Label, welches genau wie sein aktuelles Album “Der letzte seiner Art” heißt, zeigt uns DJ Stylewarz das man sich als Künstler im Jahr 2019 nicht mehr zwangsläufig an die „Industrie verkaufen“ muss, um seine Musik erfolgreich auf dem Markt zu platzieren. Außerdem beweist sein aktuelles Album, dass auch als Produzent mit ihm zu rechnen ist. Kurzum: DJ Stylewarz ist kein Mann der großen Worte, sondern ein Mann der Tat. Und vielleicht ist er damit ja wirklich „Der letzte seiner Art“.
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