Die gattungstypischen Problemchen von Bändchenmikrofonen sind in Anwenderkreisen allgemeinhin bekannt. Vor allem ein geringer Output und ein folglich erhöhtes Eigenrauschen verlangen nach einem exzellenten Vorverstärker, der ein Eingangssignal stark anhebt und dabei möglichst wenig weiteres Rauschen hinzufügt. Das natürliche Klangbild mit dem in der Regel sehr guten Impulsverhalten eines Ribbon Microphone soll dabei ebenfalls erhalten bleiben. Diese anspruchsvolle Aufgabe macht sich der TRUE Systems P-SOLO Ribbon zur Mission, denn er wurde direkt auf die Bedürfnisse dieser speziellen Schallwandler nach Vintage-Bauart zugeschnitten.
TRUE Systems ist eine Produktlinie des amerikanischen Herstellers „Sunrise Engineering and Design“, die sich seit 1997 einen guten Namen auf dem Gebiet von Mikrofon-Vorverstärkern erarbeitet hat. Neben dem P2 Analog zeichnet sich dafür auch der Precision 8 verantwortlich – ein achtkanaliger Preamp, der mit dem „normalen“ P-SOLO auf eine ökonomische Singlechannel-Variante reduziert wurde. Der P-SOLO Ribbon ist eine modifizierte Version des Letzteren, die auf Phantomspeisung verzichtet und dafür eine zusätzliche Verstärkungs-Stufe bietet. Das Mastermind hinter den TRUE Systems Preamps hat vor der Firmengründung übrigens jahrelang für einen der führenden Entwickler taktischer Raketensysteme gearbeitet. Wir erwarten also militärische Perfektion und werden sehen, ob der P-SOLO Ribbon sich als echte Waffe herausstellen wird. Vorab kann ich nur sagen: Keine Sorge, Zerstörungskraft gehört nicht zu den Eigenschaften unseres Testkandidaten. Das in dicken Großbuchstaben geschriebene „TRUE“ deutet auf einen neutralen Sound hin, bei dem die Färbung durch den Preamp sich in Grenzen halten wird. Wir werden sehen…und hören!
Wie auch die anderen TRUE Systems Preamps erstrahlt der P-SOLO Ribbon in einem metallischen Rot, das sich inzwischen zu einem Markenzeichen für die gesamte Produktlinie entwickelt hat. Auffallend ist die etwas unkonventionelle Form des Gehäuses: Mit den Maßen 15,2 x 7,6 x 16,5 cm (H x B x T) kommt der Preamp im Desktop-Format daher und ist im Gegensatz zu einem großen Teil seiner Kollegen nicht für den Einbau in ein 19“-Rack bestimmt. Der weitere Lieferumfang ist übersichtlich. Zusätzlich zu einem Netzkabel finden sich eine ausführliche Bedienungsanleitung in Deutsch und Englisch und eine Garantiekarte für eine Laufzeit von 24 Monaten.
Die Verbindungen mit der Studioperipherie lassen sich größtenteils auf der Rückseite des Preamps einrichten. Ein Mikrofon wird über einen symmetrischen XLR-Stecker eingestöpselt und selbige Schnittstelle steht auch als Ausgang zur Verfügung. Alternativ lässt sich der P-SOLO Ribbon über ein symmetrisches Klinkenkabel mit einem Mischpult oder Audio-Interface verbinden. An der Qualität des Signals ändert die Wahl zwischen Klinke und XLR nichts, und prinzipiell können auch beide Outputs gleichzeitig verwendet werden. Auf der Frontseite findet sich darüber hinaus noch ein Instrumenteneingang – der Preamp ist also auch mit der zusätzlichen Funktion einer DI-Box bedacht worden. Sobald sich ein Stecker in dieser Buchse befindet, wird der Mikrofoneingang automatisch abgeschaltet. Insgesamt ein sinnvolles Feature für Gitarristen, Bassisten, Keyboarder oder alle anderen, die mit einem unsymmetrischen Signal direkt in eine DAW gehen möchten.
Das bereits angesprochene Fehlen von Phantomspeisung für den Mikrofoneingang macht den Preamp für Kondensatormikrofone uninteressant, denn diese gieren natürlich nach den üblichen 48 Volt. Hier lässt sich die Spezialisierung auf Bändchenmikrofone erkennen, die in der Regel keine Versorgungsspannung benötigen – im schlimmsten Fall kann sie sogar zu Schäden am Mikro führen. Mit dem P-SOLO Ribbon kann man sich also in Sicherheit wiegen, denn ein solcher Unfall wird ganz sicher nicht passieren. Einzig und allein die Anwender von selteneren Bändchen-Mikros mit aktiver Schaltung bleiben dadurch auf der Strecke.
Ein Regler und zwei Knöpfe Was Bedienelemente angeht, zeigt sich der P-SOLO Ribbon äußerst klar strukturiert. Der Preamp ist so einfach gehalten, wie es nur geht, und konzentriert sich ohne viel Klimbim auf seine Hauptaufgabe: Das Verstärken eines Signals. Den Grad der Verstärkung regelt man über den großen Pegelregler auf der Vorderseite. Um dabei Verzerrungen zu vermeiden, funktioniert die Aussteuerungsanzeige in Form von vier LEDs tadellos, und selbst wenn das rote Lämpchen einen Overload signalisiert, bleiben noch 5 dB Headroom, bis der Preamp an seine Grenzen stößt. Ohne die zusätzliche Verstärkungs-Stufe lässt sich ein Signal um Werte zwischen 15,5 dB bis zu 70 dB anheben. Wenn der Regler im Linksanschlag einrastet, ist das Gerät nicht etwa aus, sondern in einem Modus mit einer geringeren Verstärkung von nur 6 dB. Im Zusammenhang mit dem niedrigen Output von Bändchenmikros müsste ein Signal bei dieser Einstellung allerdings in die Kategorie „Detonation eines Marschflugkörpers in Nahabnahme“ gehören, um hinter dem Preamp noch viel Aufsehen zu verursachen. Das Mikrofon wäre dann natürlich kaputt.
Neben Pegelregler und LEDs gibt es nun noch zwei kleine Knöpfe. Einer davon aktiviert ein Highpass-Filter, das alles unterhalb von 80 Hz abschneidet – für Preamps absolute Standardausstattung, weil damit Trittschall oder ähnliche tieffrequente Störsignale entfernt werden können. Wesentlich ungewöhnlicher ist da der High-Gain-Knopf. Sobald dieser aktiviert ist, kann man allen Werten aus dem letzten Absatz weitere 6 dB hinzufügen. Natürlich könnte man jetzt anfangen zu diskutieren, ob dieser Knopf wirklich nötig ist oder ob es sich dabei um einen simplen marketingstrategischen Hinweis auf den erhöhten Verstärkungsbereich handeln könnte. Viel wichtiger ist aber, dass der Preamp unabhängig von dieser philosophischen Frage insgesamt auf ein Plus von bis zu 76 dB kommt. Gekoppelt mit der hohen Eingangsimpedanz von 10 kOhm liefert das Datenblatt des P-SOLO Ribbon also hervorragende Werte. Wenn er bei extremen Einstellungen wirklich leise bleibt und dabei das Signal nicht verfärbt oder schwammig macht, dürfte dieser Preamp tatsächlich DAS Ding für Bändchenaufnahmen sein. Warten wir also ab, was im Praxistest passiert.
Für unseren Test haben wir den P-SOLO Ribbon mit dem MXL R77 Classic Ribbon Microphone verwendet, das ebenfalls auf bonedo getestet wurde. Der investigativ veranlagte Stammleser wird also bemerken, dass die Audios beider Testberichte aus den gleichen Sessions stammen. Ihr hört Jazzgesang und akustische Gitarre jeweils im Vergleich mit den Preamps aus zwei handelsüblichen Audio-Interfaces. Am Ende des Praxis-Teils gibt es alle Audio-Files auch als unkomprimiertes Wav-Material zum Download, damit ihr auch die Feinheiten im Sound nachvollziehen könnt.
Gesang Für die Kombination aus Bändchenmikrofon und Gesang bietet sich eine Stilistik an, die nicht nach einem ultramodernen Sound verlangt und stattdessen Wert auf Natürlichkeit legt. Dementsprechend hört ihr einen kurzen Teil aus dem Jazz-Standard „God Bless The Child“. Neben dem P-SOLO Ribbon kam ein Preamp aus dem Tascam FW-1884 Audio-Interface zur Anwendung.
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1. Vocals (P-Solo)2. Vocals (FW-1884)
Tascam ist für ein zum Teil sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bei Preamps bekannt. Auch wenn das FW-1884 mit seinen acht integrierten Vorverstärkern und all dem weiteren Beiwerk unterm Strich deutlich günstiger zu haben ist als der einkanalige P-SOLO Ribbon, handelt es sich dabei also sicher nicht um einen schwachbrüstigen Konkurrenten. Trotzdem kann unser Testkandidat aus der Produktlinie TRUE Systems in diesem Vergleich auf ganzer Linie punkten. Der „kleine Rote“ präsentiert sich als hörbar sauberer und transparenter, der natürliche Klang des Bändchen-Mikros bleibt erhalten, und vor allem in den tiefen Mitten erscheint die Stimme unserer Sängerin weit aufgeräumter und weniger verwaschen als bei den Preamps des Tascam-Interfaces. Was das Eigenrauschen angeht, verhalten sich beide Geräte sehr gut, und ein Vorsprung des P-SOLO Ribbon ist zwar gering, aber vorhanden.
Akustische Gitarre Im folgenden Vergleich stellen wir dem P-SOLO Ribbon einen anderen Tanzpartner gegenüber. Diesmal muss er sich gegen das RME Fireface 400 behaupten, das für einen nur leicht erhöhten Anschaffungspreis zwei Preamps an Bord hat. Für Audio-Interfaces handelt es sich dabei um ein Gerät, das im Ruf steht, Eingangssignale weitestgehend frei von Verfärbungen und fast schon analytisch genau für diese Preisklasse abzubilden. Die Eingangsimpedanz des „Feuergesichts“ ist mit 10 kOhm übrigens die gleiche wie bei unserem Testkandidaten. Nur was den Verstärkungsbereich angeht, hat der P-SOLO satte 11 dB mehr zu bieten. Ihr hört eine Stanford F-5 Pro Akustik-Gitarre, die wir mit dem MXL R77 aus ca. 30 cm Entfernung zum Steg aufgenommen haben. Der erhöhte Bassanteil in der Aufnahme ist dem ausgeprägten Nahbesprechungseffekt von Bändchen-Mikros zuzuschreiben, der sich auch in dieser Entfernung noch bemerkbar macht. Um die beiden Takes in einer Produktion zu verwenden, wäre also noch ein wenig EQing nötig – vor allem ein Lo-Shelf-Filter, das ein wenig Gewicht aus dem tonnenschweren Bassballast nimmt, würde gut tun.
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1. Akustik-Git (P-Solo)2. Akustik-Git (Fireface)
In diesem Vergleich von besser oder schlechter zu reden, ist meiner Meinung nach nicht ganz einfach. Beide Preamps klingen weitestgehend neutral und bilden die für Bändchen-Mikrofone typischen starken Transienten hervorragend ab, ohne dem MXL R77 seinen Biss zu nehmen. Was das Frequenzbild angeht, hat der P-SOLO eine latente Vorliebe für tiefere Frequenzen, während das Fireface 400 die Höhen ein wenig deutlicher zur Geltung bringt. Was das Rauschverhalten angeht, sind die Vorverstärker in etwa auf Augenhöhe – beide sind vorbildlich leise und eignen sich vortrefflich zur Arbeit mit den Bändchen-Vertretern.
Direct Input Wie schon in den Details angedeutet, bietet der P-SOLO Ribbon auch einen Instrumenteneingang, der dem Preamp die zusätzliche Funktion einer DI-Box verleiht und mit einer hohen Eingangsimpedanz von 2,5 Megaohm den Sound förmlich durch das Kabel saugt. Ein weiteres Mal musste hier das Fireface zum Vergleich herhalten. Diesmal gibt es ein Direktsignal aus einer funky gespielten Framus Diablo Custom Strat zu hören, so wie es von einer Amp-Modeling-Software weiterverarbeitet werden könnte.
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1. E-Gitarre (P-Solo)2. E-Gitarre (Fireface)
Was das Eigenrauschen betrifft dürfte bei Direktanschluss mit keinem der beiden Preamps ein Problem auftreten. Der P-SOLO Ribbon ist noch ein Quäntchen leiser als sein Kontrahent, in der Praxis dürfte dieser Fakt aber kaum Auswirkungen auf den letztendlichen Sound haben. Ansonsten kann man auch in diesem Fall beiden Geräten einen hervorragenden Klang bescheinigen. Interessanterweise verhält sich die Tendenz zu hohen und tiefen Frequenzen in diesem Fall spiegelverkehrt zu den Mikrofonen. Das Fireface zeigt im begrenzten Frequenzspektrum der Gitarre eine Affinität für die dunkleren Signalanteile, während der P-SOLO Ribbon in den hohen Mitten etwas crisper klingt. In diesem Fall einer Funky-Gitarre ist das dem Sound natürlich sehr zuträglich.
Ein einfaches DI-Signal aus einer Gitarre ist natürlich noch nicht besonders aussagekräftig. Wie also wirkt sich der klangliche Unterschied aus, wenn der Sound durch mehrere virtuelle Gitarreneffekte und Speaker-Faltungen gejagt wird? Um diese Frage zu beantworten, hört ihr die obigen Takes mit einem Preset aus dem Native Instruments Guitar Rig 4 Pro.
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1. Guitar Rig (P-Solo)2. Guiar Rig (Fireface)
Beeindruckend, wie viel die Wahl der richtigen DI-Box ausmachen kann! In diesem Bereich lässt der Hersteller „Sunrise Engineering and Design“ wirklich die Sonne aufgehen. Unsere Gitarre klingt durch die Amp-Simulation mit dem P-SOLO Ribbon deutlich knackiger und bissiger – genauso wie es in diesem Fall sein soll. Der Sound des Fireface wirkt dagegen ein wenig so, als hätte unser Gitarrist ein 50 Meter langes Gitarrenkabel verwendet. Es ist abzusehen, dass die Variante des P-SOLO Ribbon sich in einem Mix von vornherein sehr gut durchsetzen wird.
Hier gibt es jetzt wie versprochen noch einmal alle Audios dieses Tests als unkomprimierte Wav-Files.
Wer auf der Suche nach einem sauber klingenden Spezialisten für Aufnahmen mit Bändchen-Mikrofonen ist, wird beim TRUE Systems P-SOLO Ribbon fündig. Der Preamp liefert mit seinem hochohmigen Eingang und einer maximalen Verstärkung um 76 dB hervorragende Ergebnisse und präsentiert sich im Klang als weitestgehend neutral, ohne dabei die fein aufgelöste Transientenabbildung eines Bändchen-Mikrofons zu verwaschen. Das Fehlen der Phantomspeisung ist absolut legitim, da diese nur äußerst selten von Bändchen-Mikros benötigt wird. Wer bereits ein RME Fireface sein Eigen nennt und unsere Audios gehört hat, wird sich eine Anschaffung möglicherweise zweimal überlegen. Das Interface bietet eine vergleichbar gute Aufnahmequalität und wird vom P-SOLO Ribbon vor allem durch den deutlich erweiterten Verstärkungsbereich abgehängt, mit dem man auch dem leisesten Bändchen-Mikrofon noch ein kräftiges Signal entlocken kann. Mit dem zusätzlich integrierten Instrumenteneingang an der Frontseite wird der kleine Rote zu einer DI-Box der Königsklasse. Insgesamt ein stimmiges Konzept, das hervorragend umgesetzt wurde und mit einem fairen Preis ganz berechtigt schon eine große Fangemeinde gefunden hat.
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