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Yamaha P-85 Test

Der Einstieg ins aktive Musizieren ist bekanntermaßen nicht immer eine günstige Angelegenheit. Das gilt besonders für diejenigen, die sich der Welt der Tasten verschrieben haben. Wenn kein Klavier oder Flügel zur Verfügung steht – sei es aus finanziellen Gründen, Platzmangel oder auch dem Problem, dass bei zukünftiger Hausbeschallung gutnachbarliche Beziehungen ein abruptes Ende finden könnten – kann die Anschaffung eines Digitalpianos eine gute Entscheidung sein! Und hier ist guter Rat gefragt, denn der entsprechende Markt zeigt sich auf den ersten Blick recht undurchsichtig. Aber es gibt im Grunde nur zwei Dinge, die für den Anfänger wirklich wichtig sind: eine gute Tastatur und ein realistischer, dynamischer Klavierklang. Von weiteren Features kann zunächst getrost abgesehen werden.

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Durch die Produktion der meisten am Markt befindlichen Instrumente in Fernost hat das Preisniveau einen recht niedrigen Stand erreicht, sodass der Preis nicht mehr unbedingt die dominierende Rolle bei der Entscheidung spielt. Und so tummeln sich mittlerweile auch eine große Anzahl von Einsteiger-Digitalpianos weit unter der Tausend Euro Schallmauer in den Geschäften und Onlineshops, oft mit „unschlagbarem Preis/Leistungsverhältnis“ oder „Wahnsinns-Features“ für sich werbend. Dass darunter auch Geräte zu finden sind, deren Qualität eher zweifelhaft ist, rechtfertigt eine genauere Betrachtung dieser Spezies. Denn der Kauf eines scheinbar noch so preiswerten Digitalpianos kann schnell in einer Enttäuschung enden, tödlich für die Motivation eines Klavieranfängers. Und da der Gebrauchtwert dieser Instrumente nicht selten gegen null tendiert, verstauben sie anschließend meist lieblos in irgendeiner Ecke.

Auch das Yamaha P-85 gehört in die Kategorie der günstigen Digitalpianos und ist dabei noch längst nicht der preiswerteste Vertreter aus der schier unerschöpflichen Modellpalette des japanischen Instrumenten-Giganten mit dem Ypsilon. So beginnt der Einstieg in Yamahas digitale Pianowelt mit dem Keyboard NP 30 B bei sage und schreibe 299 Euro! Und das P-85 reiht sich mit seinem Marktpreis von etwa 650 Euro etwa im Mittelsegment der „Supergünstigen“ ein, gefolgt vom größeren Bruder P-155, der aber dann schon mit 1300 Euro zu Buche schlägt.

In meinem Studio steht heute ein P-85 in voller Ausbaustufe zum Test bereit. Das heißt, mit optionalem, festverschraubtem Ständer und integriertem Dreifachpedal für insgesamt 770 Euro.

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Das einzige Maß, das beim P-85 durch die normale Größe der 88 Tasten vorgegeben ist, ist die Breite des Instrumentes. Ansonsten fällt das P-85 durch seine äußerst geringe Tiefe von nur 15 cm auf. Da sind die meisten Bücherregale bereits breiter und deshalb nimmt das Gerät auch erstaunlich wenig Platz in Anspruch.

Seitenansicht
Seitenansicht

Das geringe Gewicht von 12 Kilo zeugt ebenfalls davon, dass die Entwickler allen üblichen Ballast und Schnickschnack der sonst so gerne überladenen Digitalpianos weggelassen haben. Das Gehäuse ist in schwarzem Plastik, auf Wunsch auch in Silber erhältlich (P-85 S) und macht einen soliden Eindruck. Die Bedienungseinheiten beschränken sich auf zehn Wahltaster für die Sounds, eine Taste für das Metronom, sowie jeweils einen Taster für den einspurigen Sequenzer, Record und Play. Die Lautstärke wird über einen kleinen horizontalen Slider geregelt, und bei Yamaha hat man auch nicht vergessen, dem Instrument einen Taster für das Abspielen der Demos zu spendieren. Ach ja, ein- und ausschalten kann man das P-85 natürlich auch. Aber das war es schon, was die Bedienungselemente anbelangt.
Und ehrlich gesagt finde ich diese Ausstattung für ein Instrument, das offensichtlich für das reine Spiel ohne Begleitautomatik gedacht ist, auch vollkommen ausreichend und gut. Viel zu oft werden Anfänger und Wiedereinsteiger mit überflüssigen Funktionen beschenkt, die sie vom Wesentlichen, nämlich dem Erlernen des Tasteninstrumentes, abhalten. So ist das Yamaha P-85 optisch wie auch technisch reduziert, ohne aber dabei billig zu wirken. Natürlich verzichtet man auch auf teure, edle Hölzer oder deren Imitate. Das tut diesem Instrument jedoch keinen Abbruch, ganz im Gegenteil: Die schmalen, fast fragilen Seitenteile und zwei in hellerem Farbton gehaltenen Querverstrebungen passen gut zum nüchternen Auftritt des Instrumentes. Selten hat mich ein digitales Piano derartig an ein „Brett mit Tasten“ erinnert wie das P-85. Aber es ergibt sich ein schlüssiges Bild, das Konzept ist stimmig.
Wer hundert Euro einsparen möchte, muss auf den passenden Ständer von Yamaha und das Dreifachpedal verzichten. Alternative Ständer gibt es im Fachhandel zur Genüge. Diese können dann auch hoch genug eingestellt werden, für Instrumentalisten mit längeren Beinen etwa, denn der feste Yamaha Ständer, als optionales Zubehör erhältlich, ist für groß gewachsene Menschen wie mich etwas zu niedrig.

Das optional erhältliche Dreifach-Pedal
Das optional erhältliche Dreifach-Pedal

Auch auf das Dreifachpedal kann der Anfänger getrost verzichten, da das mittlere der drei, das sogenannte Sostenuto-Pedal, selbst bei fortgeschrittenen Klavierstücken in der klassischen Literatur eher selten benutzt wird. Das linke, also das Pianopedal, verschiebt bei einem akustischen Instrument die gesamte Hammermechanik, sodass nicht mehr alle Saiten eines Tones angeschlagen werden und ein leiserer, gedämpfter Klang entsteht. Beim P-85 bedeutet seine Betätigung, dass die höheren Velocitystufen erst später einsetzen. Dadurch wird der Eindruck eines etwas dumpferen beziehungsweise leiseren Klanges erweckt. Wer das nicht unbedingt braucht, kommt mit einem einfachen Sustainpedal und einem adäquaten Ständer auch gut zurecht.

Tastatur
Die Tastatur ist für ein Piano dieser Preiskategorie sehr gut. Sie spricht in allen dynamischen Bereichen gut an und ist für Anfänger und Wiedereinsteiger bestens geeignet.

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Lautsprecher
Die eingebauten Lautsprecher des Yamaha sind erstaunlich gut für ein Digitalpiano dieser Preisklasse. Ich bin immer wieder angenehm überrascht, was so alles aus diesen kleinen vergitterten Schlitzen herauskommt. Am Schönsten ist der Sound in 2/3 Stellung, bei höheren Werten beginnt es durch die Eigenresonanz des Plastikgehäuses etwas unangenehm zu dröhnen. Die Vibrationen spürt man dann bis in die Fingerspitzen.

Der linke Lautsprecher
Der linke Lautsprecher

Anschlüsse
Für die ausgewiesene Bestimmung des P-85 als Home-Digitalpiano sind die Ausgänge vollkommen ausreichend. Will man es jedoch (auch) auf der Bühne oder im Proberaum nutzen oder (wie ich für diesen Test) Aufnahmen davon machen, wird man einen Audioausgang vermissen. Abhilfe kann man zwar schaffen, indem man einen der zwei Kopfhörerausgänge zweckentfremdet, dazu muss man aber ein paar spezielle Kabel oder Stecker-Kupplungen parat haben (beispielsweise Stereoklinke auf 2x Monoklinke oder 2x Cinch). Allerdings werden bei dieser Bastelei die internen Lautsprecher automatisch abgestellt, die dann auch die gewünschte Funktion als Monitor nicht mehr bedienen können. Beim Gebrauch eines Kopfhörers hingegen ist es absolut sinnvoll, wenn sich die Lautsprecher automatisch abstellen, Stichwort empfindliche Nachbarn. Es soll hier allerdings auch nicht verschwiegen werden, dass es andere Instrumente auf dem Markt gibt, die besagte Audioausgänge besitzen und sogar teilweise einen An-/Ausschalter für die internen Lautsprecher!
Nicht zuletzt wird aber deutlich: Das P85 ist als Einsteiger-Heimpiano konzipiert, obwohl es sich durch sein relativ geringes Gewicht durchaus auch für die Bühne eignen würde.

Ein USB-Anschluss ist in der heutigen Zeit schon fast Standard. Auch auf diesen wurde bei Yamaha verzichtet, was eine unkomplizierte Kommunikation mit einem Computer verhindert. Yamaha löst das Problem auf seine Weise, in dem ein optionales USB-MIDI Schnittstellengerät (Yamaha UX 16) als Zubehör angeboten wird. Auf der Rückseite befinden sich als einzige Verbindung zur Außenwelt die zwei MIDI-Anschlüsse In/ Out.

Für die Nutzung eines einfachen Sustainpedals ist gesorgt und für die optionale Pedaleinheit LP-5 ist ein separater Anschluss vorgesehen.

Fotostrecke: 2 Bilder Zwei Kopfhöreranschlüsse vorne
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Praxis

Die Strategie der gezielten Reduktion setzt sich im Soundsegment konsequent fort. Ganze zehn Sounds stehen dem P85-Eigner zur Verfügung:

•    Grand Piano 1+2
•    E-Piano 1+2
•    Cathedral Organ 1+2
•    Strings
•    Harpsichord 1+2
•    Vibraphone

Die Auswahl der Sounds verfolgt eine klare Richtung: Hier geht es mehr um eine klassisch, sakrale und jazzige Ausrichtung als um Rock- und Popmusik. Der Kirchenmusiker im Proberaum des Kirchenchores ist ebenso gut versorgt wie der Klavierschüler zu Hause, der für seinen Instrumentalunterricht keine Synthesizerklänge oder Ähnliches benötigt. Umso erfreulicher, dass die Sounds zum größten Teil alles andere als billig klingen! Es ist eine kleine, aber feine Auswahl, die in das Instrument Einzug gehalten haben. Die Grand Piano Klänge sind echt kraftvoll und authentisch und es wird deutlich, dass an dieser Stelle nicht gespart wurde. Beim Klavierklang handelt es sich um einen ordentlich in Stereo gesampelten Klavierton (AWM, Advanced Wave Memory), bei dem sich auch die geringe Polyphonie von 64 Stimmen kaum bemerkbar macht.
Der Sound „Grand Piano1“ mit seinen vollen Bässen und seinem klaren Diskant macht in allen Lagen Spaß, siehe Audiobespiel 1. Der zweite Pianosound ist etwas heller und härter intoniert und findet vielleicht bei Jazzinterpreten mehr Beachtung. Er erinnert mich im Klang übrigens hier und da an das legendäre Electric Grand von Yamaha. Audiobeispiel 2 und 3 ist ein kleiner Vergleich der ersten beiden Klaviersounds.

Audio Samples
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Grand Piano Nr. 1 Schiffer – Gr. Piano 1 Schiffer – Gr. Piano 2

Die E-Piano Sounds sind sicherlich häufig eine Frage des Geschmacks. So trifft der zweite eher meinen Nerv, da er einem Fender Rhodes wesentlich ähnlicher ist und er seine Klangcharakteristik bei den verschiedenen Velocitystufen nicht verliert. Der erste E-Piano Sound findet vielleicht eher Anklang bei den Liebhabern balladesker Interpretationen aus den 80ern. Hier hat man allerdings mit nervend lauten, fiepsigen Obertönen und einem harten Velocity-Übergang zu kämpfen, was besonders im Bassbereich die Töne auffallend verfärbt und das Tuning in bestimmten Lagen etwas verhagelt.

Audio Samples
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E-Piano 1 E-Piano 2

Beide Orgelsounds sind eher für den sakralen Gebrauch geeignet. Der erste ist eine 8´ + 4´ Registrierung und der zweite, mit hinzugefügtem 2´, etwas strahlender. Diese Sounds sind sowohl für das Üben leichterer sakraler Literatur geeignet als auch für den Proberaum des Kirchenchores oder für die Begleitung der Kirchgänger in kleineren Kirchenräumen.

Auch für das Cembalo, Harpsichord, stehen zwei Registraturen ( 8´und 8´+ 4´) zur Wahl, die eher Einzug in das kleine Weihnachtskonzert einer Kirchengemeinde finden als bei Anhängern barocker Cembalomusik. Aber auch Letzteres kann gelingen, wenn man über die Statik des Klanges großzügig hinwegsieht oder besser -hört.

Aus der Art fällt am Schluss dann sicherlich der Vibraphon-Sound, der zwar akustisch gefällig ist, aber in seiner Soloform eher ein stiefmütterliches Dasein führen wird.

Audio Samples
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Orgel – Praeludium Rev Harpsichord Vibraphone

Hier hilft vielleicht die Möglichkeit des P-85, bis zu zwei Sounds zu layern, das heißt, zwei Sounds gleichzeitig zu spielen. Zwei Programm-Taster zugleich gedrückt und los geht’s. Aber mit welchem Sound soll ich ein Vibraphon layern? Dann doch eher einen Pianosound mit Streichern.

Audio Samples
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Piano+Strings

Aber hier ärgere ich mich dann über ein fehlendes Controller-Pedal, um die Streicher schwellen zu können. Ich bemerke, dass bestimmte Funktionen nur Begehrlichkeiten erwecken, die im Falle des P-85 nicht erfüllt werden. Deshalb macht es mir am meisten Spaß, einfach nur den „On“ Taster zu bedienen und mit den vorgegebenen Klängen zu musizieren.

In Sachen Effekte hat das Yamaha P-85 nicht viel zu bieten. Es gibt ein paar unterschiedliche Hallräume, zwischen denen ich auswählen darf, aber insgesamt wird hier nichts geboten, was hervorgehoben werden sollte.

Die Hallräume des P-85:
•   Room
•    Hall 1+2
•    Stage
•    Off

Im folgenden Beispiel habe ich den Effektanteil von dry nach wet verändert. Je mehr Effektanteil hörbar ist, umso mehr wird deutlich, dass es sich bei den Hallräumen des P-85 nicht um Effekte erster Güte handelt.

Audio Samples
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Reverb

Mir persönlich gefallen die werksseitig eingestellten Soundparameter ohnehin am besten und so komme ich dann auch nicht in die Verlegenheit, die Effektparameter verändern zu müssen.

Editieren von Effekten
Wer die Bedienungsanleitung nicht ständig griffbereit hat, wird sich schwer tun, die wenigen internen Parameter wie die verschiedenen Hallräume, den Effektanteil, die Transpose-Funktion oder die MIDI-Send und MIDI-Empfangskanäle zu verändern, da auf dem Gehäuse dafür keine Beschriftung vorhanden ist. Und auch mit intuitiver Herangehensweise kommt man hier nicht weit. Da diese Funktionen jedoch für den Hausgebrauch selten in Anspruch genommen werden, stellt sich so auch keine Routine in den bestimmten Tastenkombinationen ein.

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Yamaha setzt mit dem P-85 einen bewussten, erschwinglichen Kontrapunkt zu den ansonsten meist überladenen Digitalpianos. Das Piano ist optisch wie technisch stark reduziert, ohne aber den hohen Standard der Instrumente von Yamaha zu vernachlässigen. Die Tastatur und die wenigen, aber gut ausgesuchten und zum Teil hochwertigen Sounds laden zum Musizieren ein und verlieren auch nach Jahren nicht an Reiz. Das P-85 ist die ideale Alternative, wenn Geld und der Platz für ein akustisches Instrument nicht ausreichen, oder wenn ein günstiges Zweitinstrument zu Hause oder in einer kirchlichen oder schulischen Einrichtung gesucht wird. Wer sich also auf’s Üben konzentrieren möchte, der macht mit dem preiswerten Yamaha P-85 keinen Fehler, und kann sich auf ein Instrument freuen, das den Slogan „reduced to the max“ auf jeden Fall verdient hat.

Yamaha P-85 Black
Yamaha P-85 Black
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Gute Tastatur und Flügelklänge
  • Gelungene Beschränkung auf das Wesentliche
  • Solide Verarbeitung
  • Geringer Platzbedarf, geringes Gewicht
Contra
  • Fehlender Ausgang für externe Lautsprecher oder Line-Aufnahmen
  • Optionaler, fest verschraubter Ständer für groß gewachsene Menschen etwas niedrig
  • Veränderungen der Parameter nur mit Handbuch
Artikelbild
Yamaha P-85 Test
Für 548,00€ bei
Technische Details
  • 88er Graded-Hammer-Tastatur (GHS)
  • Polyphonie: 64 Stimmen
  • 10 Voices: 2x Grand Piano , 2x E.Piano, 2x Church Organ, Strings, 2x Harpsichord, Vibraphone
  • Integriertes Stereo-Lautsprechersystem mit 2 x 6 Watt
  • Anschlagsdynamik einstellbar in drei Stufen
  • Zehn Demo- und 50 Preset-Songs
  • Sequenzer und Metronom
  • Anschlüsse: 2 x Kopfhörer (6,3-mm-Stereo-Klinke), MIDI IN/OUT, Sustainpedal, Pedal-Unit
  • Erhältlich in zwei Farbvarianten: schwarz (P-85) und silber (P-85 S)
  • Gewicht: 11,6 kg
  • Maße (B x T x H): 132,6 x 29,6 x 15,15 cm
  • Zubehör: Bedienungsanleitung, Notenhalter, Netzteil PA-5 D, Fußpedal FC-5
  • Optionales Zubehör: Ständer L-85 (schwarz) oder L-85S (silbergrau), Pedaleinheit LP-5
  • Preis: 797,- Euro UVP
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