Momentan wird man das Gefühl nicht los, dass Amp-Designer einen großen Spaß daran haben, sogenannte Lunchbox-Amps zu entwickeln und zu bauen. Offensichtlich können sie auf diesem Feld ihrer Kreativität noch freien Lauf lassen. Das Feld ist noch relativ unbestellt und nichts scheint unmöglich. Denkt man an Standard-Tops ab 50 Watt, dann erscheint unweigerlich das große britische Vorbild vor dem geistigen Auge, ein Design, das wie kein anderes diese Sparte geprägt hat. Deshalb sind hier zwar kleine Abweichungen möglich, aber nicht zu krass bitte, schließlich ist der gemeine Gitarrist ein Gewohnheitstier.
Ganz anders bei den Vertretern der besagten Zwergengattung. Hier wird gerne mit der Optik experimentiert, was Amps wie der Orange Tiny Terror oder der Mesa/Boogie Transatlantic eindrucksvoll unter Beweis stellen. Ergebnis sind kleine und überraschend gute Brüllwürfel, die zudem auch noch sehr stylish aussehen. Ein weiterer Vertreter dieser Spezies hat sich zu unserem heutigen Test angemeldet. Vom kanadischen Hersteller Traynor steht der Darkhorse Amp samt 1×12 Box bereit. Wir wollen der Frage nachgehen, ob er auch so gut klingt, wie er aussieht.
Details
Gehäuse/Optik
Dass Einsparungen an Material auch optisch positiv ausfallen können, zeigt das Design des Darkhorse, denn der Amp besteht eigentlich nur aus dem Chassis, das auf vier großen Gummifüßen steht. Über dem Bedienfeld wölbt sich ein Lochblechkäfig, in dem die Röhren ihr Dasein fristen, daneben wachsen zwei Transformatoren in die Höhe.
Falls trotz guter Pflege doch einmal einer der fünf Glaskolben ausgetauscht werden muss, lässt sich der Käfig mit vier Schrauben leicht öffnen. Die Bestückung besteht aus zwei 12AX7 Röhren in der Vor- und zwei 6V6 in der Endstufe. Für den Betrieb mit zwei Watt steht zusätzlich eine 12AU7 in der Endstufe zur Verfügung.
Zum Heben und Bewegen des 5 kg schweren Puristen dient ein Metall-Tragegriff an der linken Seite, soll er transportiert werden, empfiehlt sich die Unterbringung in der beiliegenden gepolsterten Tragetasche. Die kann man sich auch umhängen und hat dann zwei Hände für Gitarre und Box frei. Mit den Maßen von 325 x 153 x 153 mm (B x H x T) präsentiert sich der Verstärker als sehr kompakter und bequemer Reisebegleiter.
Alle Gehäusekomponenten machen einen sehr soliden und stabilen Eindruck und lassen keinen Zweifel daran, dass dieser Amp mit Sicherheit viele Gigs unbeschadet überstehen wird.
Bedienfeld
Auf dem Bedienfeld finden wir eine überschaubare Anzahl von Schaltern und Reglern, mit denen der Sound des Darkhorse eingestellt werden kann. Der Amp ist einkanalig konzipiert, in der Vorstufe kann man mit Gain den Verzerrungsgrad einstellen, Bass und Treble regeln den Klang. Für die Gesamtlautstärke ist der etwas größer dimensioniere Master-Regler zuständig.
Um noch etwas Klangvielfalt im Grundsound zu erhalten, steht ein Voicing-Schalter zur Verfügung, der die Wahl zwischen Brit, USA und Pure ermöglicht. Die Bezeichnungen sagen im Prinzip schon alles: Hinter Brit verbirgt sich ein Klangcharakter, der in Richtung Vox AC30 geht und USA steht für crispe Cleansounds á la Fender Twin. Bei Pure erhält man laut Hersteller den direktesten Sound, denn der Tonestack wird komplett übergangen, das Signal erhält lediglich etwas Midboost und eine ordentliche Packung mehr Gain als bei den beiden anderen Modi. Wie das alles klingt, werdet ihr im Praxisteil zu hören bekommen.
Die rechte Seite des Frontpanels wird von Power- und Standby-Schalter komplettiert. Dieser ist als Dreiwegeschalter konzipiert und bietet so die Möglichkeit, den Amp mit der vollen Leistung (15 Watt) über die zwei 6V6 Röhren zu betreiben – Schalter nach oben auf Position ´6V6´. Drückt man den Schalter nach unten (12AU7), dann läuft der Verstärker über die 12AU7 Röhre bei zwei Watt Leistung. In der Mitte ist der Darkhorse im Standby-Modus. Neben den Schaltern finden wir die große Kontroll-Lampe, die den jeweiligen Betriebs-Status anzeigt: Orange – Standby, grün – zwei Watt, rot – 15 Watt.
Rückseite
Neben der Buchse für das Euro-Netzkabel warten auf der Rückseite die Lautsprecher Anschlüsse auf Arbeit. Mit drei Buchsen ist der Amp für jeden Boxen-Einsatz gut ausgestattet. Man kann entweder eine Box mit 8Ω oder 16Ω anschließen, es ist aber auch der Betrieb mit 2 x 16Ω Boxen möglich.
Lautsprecherbox
Passend zum Darkhorse Topteil bietet Traynor eine 1×12 Lautsprecherbox mit der Bezeichnung DHX-12 an, die mit einem 25 W Celestion Greenback Speaker bestückt ist. Die Box aus starkem Birke-Multiplex Holz ist mit schwarzem Vinyl überzogen und an allen acht Ecken durch metallene Eckenschoner geschützt.
Rückseitig ist sie komplett geschlossen, allerdings befindet sich in der Mitte eine 300 x 120 mm große Platte aus Blech, die man mit drei Schrauben lösen kann, um so einen offeneren Sound mit weniger Bass-Schub zu erhalten. Befestigt sind die Schrauben auf einem Lochblech, das beim Lösen der Platte zum Vorschein kommt – der Speaker ist also auch offen immer noch von hinten geschützt. Eine simple aber äußerst effektive Konstruktion. Auf der Vorderseite ist die Box mit einem grauen Bespannstoff bezogen, in Kombination mit dem Darkhorse Top erinnert mich das Ganze ein wenig an die alten Ampeg Bass Amps.
Praxis
Das schwarze Pferdchen ist gesattelt und schon mal warm gelaufen, jetzt geht der Ritt los. Wir hören uns zuerst die drei Klang-Modi bei mittlerer Einstellung des Preamps (Gain, Bass, Treble auf 12 Uhr) an.
Der Brit Mode kommt eher nach AC30 als ein Marshall mit dicken Mitten. Hier gibt es in der 12-Uhr Gain-Position schon eine leichte Übersteuerung bei hartem Anschlag. Der Klangcharakter lässt sich mit „schlank“ beschreiben, die Bässe sind nicht stark ausgeprägt, dafür wird es im oberen Mittenbereich etwas dominanter.
Das amerikanische Setting kommt dem Charakter des Vorbilds (Fender Amp) sehr nahe. Der Ton ist bei dieser Einstellung klar und unverzerrt. Der Bassbereich ist wesentlich stärker als in England und auch die typischen „Fender-Höhen“ kommen recht gut zur Geltung.
Den Klang beim dritten Voicing-Modus würde ich eher als rau bezeichnen – der klare Gegensatz zum polierten USA-Sound. Hier geht die Vorstufe schon sehr früh in die Übersteuerung. Vom Klang her ist der Ton etwas weicher, es dominieren die unteren Mitten. Schrauben kann man hier außer am Gain nichts mehr, denn der Tonestack, also die Klangregelung, wird übergangen und das Drehen am Bass- oder Treble-Regler hat keine Auswirkung.
Mit den drei unterschiedlichen Charakteren lässt sich natürlich einiges anstellen. Eine der wichtigsten Fragen werden wir sofort klären: Wie hoch sind die Gainreserven? Damit ihr einen Vergleich über die drei Modi habt, hören wir uns auch hier alle drei Grundsounds an. Diesmal gibt es aber etwas mehr Feuer im Eingang. Am Start ist mit der Les Paul eine Humbucker-Gitarre.
Der Brit Mode kommt eher als Fuzz-Sound bei voll aufgedrehtem Amp. Das Dynamikspektrum ist dabei nicht sehr groß, die Verzerrung kommt schon bei leichtem Anschlag. Schlägt man härter in die Saiten, setzt eine starke Kompression ein und der Ton kippt in eine fuzz-artige Verzerrung, was besonders im Bassbereich auffällt. Ich würde das aber auf keinen Fall als negativ ansehen, denn es handelt sich hier um eine Klangcharakteristik, die ihre Daseinsberechtigung hat, auch wenn sie nicht Jedermanns Geschmack ist. Dazu später mehr…
Mit dem USA-Modus sind da schon ganz andere Sounds zu hören. Dieser Modus klingt frischer und offener als das britische Angebot. Hier ist auch wesentlich mehr Ton über den Anschlag an der Gitarre steuerbar. Bei voll aufgedrehtem Gain erhalten wir einen Verzerrungsgrad, mit dem typische Classic Rock-Riffs gezimmert werden können.
Wie erwartet, hat der Pure Mode bei maximalem Gain den höchsten Verzerrungsgrad und ist auch in der Klangcharakteristik etwas ungehobelter als die anderen beiden. Außerdem klingt es recht fett, weil die unteren Mitten und Bässe dominieren.
Die dynamische Ansprache beim Pure Mode ist wirklich sehr gut. Gerade wenn man eine Singlecoil-Gitarre anschließt, dann kann man über die Anschlagsdynamik einiges an Verzerrung und Klang steuern. Der Pure Mode macht seinem Namen alle Ehre. Beim folgenden Beispiel habe ich zuerst leicht mit den Fingern angeschlagen und dann hart mit dem Pick. Der Unterschied ist sehr deutlich zu hören.
Auch mit dem Volumenregler an der Gitarre lässt sich die Verzerrung erstklassig steuern.
Die drei Grundsounds sind sehr verschieden angesiedelt, wie man ja in den vorangegangenen Beispielen hören konnte. Dadurch können variable Sounds erzeugt werden, die aber in ihrem Zerrgrad limitiert sind, denn der maximale Gain reicht für ein gutes Rockbrett. Wer singende Leadsounds mit viel Sustain benötigt oder eine Metal-Zerre haben möchte, der wird mit dem Darkhorse allein nicht fündig werden.
Den voll aufgerissenen Brit-Modus kann man wunderbar für Rocksounds benutzen, die ihr klangliches Vorbild in den 60ern oder Anfang der 70er haben. Im Moment sind solche Sounds sehr angesagt, wie bereits erwähnt, manche Klangpuristen bekommen Zahnschmerzen, wenn sie fuzz-ähnliche Verzerrung hören, die anderen finden es stylish-Retro. Mit der SG lassen sich sehr gut Sabbath-Sounds aus den frühen 70ern zaubern. Man hat das Gefühl, der Amp steht gerade kurz vor seinem Ende…
Der USA-Mode eignet sich (wie das Original) für schmatzige Funk-Sounds. Vor allem, wenn man den Gainregler etwas höher einstellt, bekommt man einen sehr dynamischen Klang, der bei hartem Anschlag leicht in eine harmonische Übersteuerung geht und den Ton noch fetter klingen lässt.
Der Pure Mode eignet sich bei schwächer eingestelltem Gain sehr gut für dynamische Crunchsounds in Blues, Country etc. Bei höherer Verzerrung kommt die gute Tonwiedergabe sehr schön zur Geltung. Akkorde oder auch Anschläge auf einzelnen Saiten sind trotz starker Verzerrung immer noch klar zu hören. Besonders beim Aufnehmen ist so etwas ganz wichtig, denn wer will schon totalen Soundbrei bei verzerrten Gitarren. Es soll dreckig klingen, aber man sollte die Riffs und Harmonien noch hören können. Und das funktioniert sehr gut.
Als nächstes widmen wir uns der Klangregelung und deren Wirkungsgrad. Beim Pure Mode ist sie ja ausgeschaltet, aber in Großbritannien und den Vereinigten Staaten ist sie aktiv. Beim USA-Mode werden im Bassbereich die Frequenzen unter 200 Hz gleichmäßig mit hohem Wirkungsbereich geregelt. Von total schlank bis fett, um mal Ausdrücke aus der Gitarristensprache zu benutzen, ist hier alles drin. Ihr hört drei Einstellungen des Bass Reglers, 7 Uhr, 12 Uhr und 17 Uhr. Der Treble Regler bleibt dabei jeweils in der 12 Uhr Position.
Jetzt das gleiche Spiel mit den Höhen im USA-Mode. Der Höhenregler hat seinen Arbeitsbereich relativ weit oben angesiedelt. Das hat zur Folge, dass man hier selbst bei abgedrehtem Treble noch einen recht hellen Sound erhält. Dreht man weiter auf, wird es brillanter, klirrt aber nicht in den Ohren.
Beim Brit-Mode hat die Klangregelung aufgrund des stark unterschiedlichen Grundsounds eine andere Auswirkung. Dreht man den Bass-Regler komplett zurück, dann klingt das Ganze sehr dünn und geht schon in Richtung Kofferradio. Aber keine Angst, bei weit aufgedrehtem Basspoti kommt das Ganze in Fahrt, der Sound ist aber immer noch schlank im Bassbereich. Für Aufnahmen ist das sehr gut, weil beim Gitarrensound einiges an Bässen meistens sowieso abgesäbelt wird, um den anderen Instrumenten noch etwas Platz zu schaffen und einen ausgewogenen Mix zu erhalten.
Die Centerfrequenz des Höhenreglers liegt beim Brit-Mode etwas tiefer, was zur Folge hat, dass man mit weit aufgedrehten Höhen einen eher bissigen Klangcharakter erhält.
Fazit
Mit den drei Voicing-Modi Brit, Pure und USA bietet der Darkhorse wirklich drei sehr unterschiedliche Grundsounds, die ein breites Spektrum an Musik-Stilistiken abdecken können. Vor allem die Dynamik und Ansprache des Pure Modus, bei dem die Klangregelung aus dem Schaltkreis genommen wird, ist ausgezeichnet.
Seine 15 Watt Leistung in Kombination mit der dazugehörigen 1×12 Box macht schon mächtig Dampf. Vor allem beim Cleansound ist die Lautstärke locker für den Übungsraum oder Clubgig ausreichend. Die Box klingt angenehm warm, hat einen guten Abstrahlwinkel und setzt sich sehr gut im Bandkontext durch. Auch die flexible Boxenkonzeption mit geschlossener oder offener Rückwand zahlt sich aus.
Die Gainreserven des Darkhorse sind zwar nicht sehr hoch und Hi-Gain oder Metal-Sounds sind nicht an der Tagesordnung, aber mit dem entsprechenden Pedal zum Anfüttern der Vorstufe lässt sich auch diese Disziplin bewerkstelligen. Die Stärke liegen ganz klar bei druckvollen, dynamischen Clean- und Crunchsounds. Wer überwiegend in diesem Bereich spielt und für zuhause, unterwegs oder im Studio einen zuverlässigen und preiswerten Röhrenamp sucht, der auch noch sehr stylish aussieht, der sollte den Traynor Darkhorse auf jeden Fall ausprobieren.

- Drei unterschiedliche Grundsounds
- Laute Cleansound
- Durchsetzungsfähigkeit in der Band
- Optik
- Verarbeitung
- Gut gefütterte Tragetasche als Zubehör

- Traynor Darkhorse Top
- Hersteller: Traynor
- Modell: Darkhorse
- Typ: Röhrenverstärker Topteil
- Ausgangsleistung: 15 Watt
- Röhrenbestückung: 2x 12AX7 (Vorstufe), 2x 6V6 (Endstufe), 1x 12AU7 (Endstufe)
- Bedienfeld Regler: Gain, Bass, Treble, Master
- Bedienfeld Schalter: Power (On/Off), Tube Mode (Standby/6V6/12AU7), Sound Mode (Brit/Pure/USA)
- Bedienfeld Anschlüsse: Input
- Rückseite Anschlüsse: 3x Speaker Out (1x 8Ω, 1x 16Ω, kombiniert 2x 16Ω)
- Abmessungen: 325 x 153 x 153 mm (B x H x T)
- Gewicht: 4,7 kg
- Lieferumfang: Tasche, Netzkabel
- Preis: 398,- Euro
- Traynor DHX 12 Lautsprecher Box
- Hersteller: Traynor
- Modell: DHX 12
- Typ: Lautsprecher Box
- Belastbarkeit: 25 Watt
- Lautsprecher: 1x 12“ Celestion Greenback
- Anschlüsse: Speaker In
- Abmessungen: 508 x 457 x 244 mm (B x H x T)
- Gewicht: 15,7 kg
- Preis: 298,- Euro