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HAGSTROM HJ500 NA Test

In den 60er Jahren schossen in Europa die Firmen, die sich auf den Bau von E-Gitarren konzentrierten, wie Pilze aus dem Boden. Da für die meisten Konstrukteure das Design der amerikanischen Marken maßgebend war, verlegten sich die europäischen Hersteller in erster Linie auf die Produktion preiswerter Alternativen zu den teuren Import-Produkten aus den USA. Allerdings gab es in Europa auch mutige Hersteller, die ihren eigenen Stil entwickelten und einfache Kopien im Maßstab 1:1 ablehnten. Obwohl die europäischen Instrumente nicht den weltweiten Erfolg der amerikanischen verzeichneten, konnten sich doch manche Markennamen über einen beachtlichen Zeitraum auf dem Markt behaupten – bis die meisten von ihnen schließlich durch die Massenprodukte aus USA und Fernost verdrängt wurden.
 

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Hagstrom – Die schwedische Antwort
Schon im Jahre 1958 begann Hagstrom in Schweden mit dem Bau elektrischer Gitarren. Viele Modelle wurden zu Top-Sellern und schafften sogar den Sprung an die Hälse von Legenden wie Frank Zappa, Elvis Presley, Larry Corryell, David Bowie und – wie sollte es auch anders sein – Musikern der Gruppe ABBA. Der Name Hagstrom stand für erstklassige Qualität. Das zeigt sicher auch die Tatsache, dass selbst einer der renommiertesten Archtop-Gitarrenbauer der damaligen Zeit, „Jimmy“ L. D’Aquisto, eine komplette Linie von Archtop-Modellen für Hagstrom entwickelte, die als „Jimmy“-Modelle in die Geschichte eingingen. Im Jahre 1982 verließ dann die (vorerst) letzte Hagstrom-Gitarre das Werk in Schweden. Seither stieg die Nachfrage nach gut erhaltenen,  gebrauchten Hagstrom´s kontinuierlich an. 23 Jahre später, im Jahr 2006, legte Hagstrom schließlich ein Riesen-Comeback hin. Im Gepäck viele alte Bekannte. Die Suche nach Hagstrom „Fossilien“ hatte nun ein Ende gefunden.
 
Die Rückkehr der Dinos
Die neue Hagstrom VINTAGE WORLD SERIES, in deren Rahmen die aktuellen Instrumente erscheinen, steht für ein aufwändig organisiertes Material- und Produktionskonzept, das sicherstellen soll, dass die neuen Instrumenten in Qualität und Design nah an die von den historischen Originalen definierten Standards herankommen. Für die neue Produktion wurden Original-Maschinen und Formen aus der Pionierzeit verwendet. Maschinen, die nicht mehr verfügbar waren, wurden anhand von Originalplänen reproduziert. So konnten auch die alten Bridges, Tailpieces und Trapeze, bis hin zum Hagstrom-Wappen originalgetreu wieder aufleben.

Inzwischen werden Rohmaterialien und Bauteile für die neuen Gitarren weltweit produziert und eingekauft und unter strenger Aufsicht im Hagstrom-Werk in China zusammengefügt. Alle Zeichnungen und das Know-How stammen vom schwedischen Meister Karl Eric Hagstrom höchstpersönlich, die Hölzer aus Kanada, die Hardware aus USA und Korea, und die Pickups werden nach K. E. Hagstroms Vorgaben exklusiv für Hagstrom in Korea gewickelt.
Auch die Mechaniken von damals wurden – mit etwas kleineren, komfortabler zu bedienenden Flügeln – originalgetreu nachgebaut, und auch das legendäre H-Expander Truss Rod findet sich im Hals jedes neuen Hagstrom-Instruments wieder. Neu ist das “Resinator-Wood” Griffbrettmaterial, das im Gegensatz zu Ebenholz oder Palisander verbesserte Schwingungs- und Sustain-Eigenschaften besitzen soll.

Stellvertretend für die neue Hagstrom Generation, haben wir an dieser Stelle einmal die HJ-500 aus der Hagstrom „Vintage World Series“unter die Lupe genommen.

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Wie angesagt der Hagstrom-Brand in den 60er und 70er Jahren war, zeigt sicher auch die Tatsache, dass einer der renomiertesten Archtop-Gitarrenbauer aller Zeiten, der legendäre Jimmy D’Aquisto, Anfang der 70er Jahre eine ganze Jazz-Gitarren-Linie für die Schweden „zeichnete“. Ob die DNA dieses genialen Gitarrenbauers auch in der HJ500 Jazzbox der neuen Generation noch nachzuweisen ist,  das gilt es im folgenden Test herauszufinden.
BODY
Die Hagstrom HJ-500 ist eine Jazz- und Blues-Gitarre, die über einen semi-akustischen Korpus verfügt, der aus laminiertem kanadischem Bergahorn besteht. Das Body-Design mit dem typischen abgerundeten Single-Cutaway und den großen F-Löchern entspricht in seinen Abmessungen dem Original aus der Gründerzeit. Der Decken/Korpusübergang wurde mit schwarzen Bindings verziert. Ein schwarzes Griffbrett kontrastiert elegant mit der hellen Ahorndecke. Die Zarge  ist mit einer Breite von 7 cm relativ schmal. Deshalb kann die Gitarre  auch problemlos im Stehen gespielt werden, ohne dass man bei längeren Performances  Haltungsprobleme oder Verspannungen  befürchten müsste. Das Instrument besticht durch eine schöne und saubere Polyester-Lackierung. Die jeweils lieferbaren Farben sind, neben dem „Natural Finish“ unserer Testgitarre, „Black Gloss“ und „Cream Red“.

Die sechs Saiten werden an einem Hagstrom Trapez-Tailpiece aufgehängt und laufen anschließend über eine einfache höhenverstellbare „Jimmy Bridge“ aus Ebenholz. Das System ist zwar veraltet, funktioniert aber nach wie vor tadellos und gehört selbstverständlich untrennbar zum typischen Vintage-Look der Gitarre. Positiv zu erwähnen ist, dass das Trapez durch die Vibrationen der Saiten keine unangenehmen Schwingungen durch Resonanzen erzeugt.

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Elektronik
Die beiden traditionellen HJ-50 Humbucker von Hagstrom wurden so konzipiert, dass sie in Punkto Ton, Output und Wärme den Vintage-Modellen aus den 60er Jahren entsprechen. Die beiden Twins klingen warm und voll, zudem liefern sie wenig Verzerrung und sind so perfekt auf die Eigenschaften des Hollowbody-Instruments abgestimmt. Dabei hat der Hals-Pickup aufgrund der größeren Saitenauslenkung an der Halsposition weniger Output als der Steg-Pickup. Geschaltet werden die beiden Pickups über einen 3-Way Toggle-Switch, der unten auf dem Cutaway montiert wurde. Zur Kontrolle steht das bekannte Besteck, bestehend aus zwei Volume-, und zwei Tone-Reglern zur Verfügung.

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NECK
Der Hals der HJ-500 wurde in den Korpus eingeleimt und besteht ebenfalls aus laminiertem kanadischen Ahorn. Alle neuen Hagstrom-Modelle sind von Werk ab mit einem neuartigen Griffbrettmaterial ausgestattet. Es nennt sich „Resinator Wood“, ist mehrschichtig aufgebaut und besteht aus unter Vakuum gegeneinander verleimten Holzblättern. Resinator Wood soll homogener, stabiler und verwindungssteifer als irgendein anderes Standard-Holzprodukt sein – das verspricht jedenfalls der Hersteller. Zum perfekten Griffbrett-Material soll es aber vor allem durch sein erstklassiges Schwingungs- und Obertonverhalten werden, das Deadspots komplett eliminiert. Auf den ersten Griff kann man auf jeden Fall schon mal sagen, dass sich das Materiall gut anfühlt und optisch eine gewisse Ähnlichkeit mit Ebenholz hat. Wie gut es sich in der Praxis macht, werden wir später sehen,

Auf dem Griffbrett befinden sich 21 sauber verarbeitete Bünde, in trauter Harmonie mit ansehnlichen Fretboard-Inlays. Mit einer kurzen 628mm Mensur lässt sich die HJ500 bequem spielen. Wie ihre legendären Vorgänger verfügen auch alle neuen Hagstrom-Gitarren über den patentierten H-Expander Halsstab. Dieser steife und trotzdem leichte Halsstab soll eine komfortable und dauerhaft gleichbleibende Bespielbarkeit des Halses ermöglichen. Der abgerundete Halsfuß öffnet Solisten, die in den höchsten Tönen brillieren möchten, Tür und Tor.

HEADSTOCK
Die glänzend schwarz lackierte Kopfplatte wurde separat an den Hals angesetzt. Typisch ist das eigenwillige gezackte Hagstrom-Design, das irgendwie an ein Bergmassiv erinnert. An der Oberseite der Kopfplatte wurde – gut sichtbar – eine weiße Perlmutt-Einlage mit dem Hagstrom-Schriftzug eingefasst. Auf jeder Seite der Kopfplatte befinden sich jeweils drei geschlossene Mechaniken, deren Design den historischen Originalen entspricht . Allerdings sind die Flügel heute etwas kleiner, so dass das Handling wesentlich komfortabler ausfällt. An den Mechaniken historischer Hagstroms konnte man sich recht schnell die Finger klemmen. Die Übersetzung von 18:1 garantiert ein exaktes Stimmen in jeder Situation.

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PRAXIS
Trotz ihrer relativen Größe ist das Handling der Gitarre absolut unproblematisch – im Sitzen wie im Stehen. Der Body ist nicht zu wuchtig und das Gewicht der Gitarre erträglich.  Ein 90-minütiger Auftritt kann ohne Rundrücken über die Bühne gebracht werden.  Die Einstellung der Gitarre ist von Werk ab perfekt ausgeführt, und die hervorragende Saitenlage  lässt auch akrobatische Gimmicks ohne weiteres zu. Die HJ-500 ist mit relativ dünnen Saiten (010-046) bespannt, die auch Bendings bis zur kleinen Terz in den oberen Lagen ermöglichen.
 
Der Praxistest der HJ-500 fand in Verbindung mit einem Fender Blues Deluxe Combo statt. Schon der unverstärkte Sound der Gitarre lässt die Spannung steigen und weckt die Neugier darauf, wie das Instrument verstärkt klingen wird. Und sie klingt! Die beiden silbrig glänzenden HJ50 Humbucker erweisen sich als absolute Highlights und liefern ein differenziertes Soundbild.

Im cleanen Kanal des Blues Deluxe produziert der Hals-Pickup einen warmen und runden Sound mit viel Sustain. Mit diesem Klang lässt sich auch einem alten Jazzstandard  neues Leben einhauchen. Typische Jazzcomping-Chords kommen rund und warm. Single-Lines klingen seidig und gebunden, so wie es Jazzer lieben. Der 10er Saitensatz macht einen guten Job, allerdings kann ich mir unter diesen Umständen auch die Bespannung mit einem 12er Satz gut vorstellen.

Aber auch im Fusion-Bereich macht die HJ500 eine sehr gute Figur. In Verbindung mit den dünnen Saiten wird der Solist quasi zum Spielen von pentatonisch, rockigen Phrasen und Bendings „gezwungen“. Und dank der kräftigen Humbucker kann man schon im Clean-Kanal des verwendeten Fender Blues Deluxe eine seidige Sättigung geniessen.

AUDIO-INFO
Pickup: Hals-Pickup
Amp: Fender Blues De Luxe:
Settings: Clean Channel, Volume: 2,  Bass: 10,  Treble: 10,  Middle: 10,
Presence: 4, Studio Reverb

Wer es etwas knackiger und perkussiver mag, der wählt die Mittelposition des Toggle-Switch, in der beide Humbucker aktiviert werden. Der Steg-Pickup klingt im Crunch-Kanal des Amps aggressiv und bissig, bietet  so auch Blues- und R&B-Freunden interessante Möglichkeiten.
Und wie ist es um die Feedbackanfälligkeit der Gitarre und ihrer Pickups bestellt? Bei ausreichendem Abstand zum Amp (2-3m) bleibt die Gitarre auch bei hochgefahrenem Volumen-Setting ruhig. Aber kontrolliertes Feedback ist im  Crunch Kanal – auf Wunsch – auch möglich…und inspiriert zudem das Spiel.

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FAZIT
Die HJ-500 ist eine hervorragende Jazz-, Fusion- und Blues-Gitarre. Der vollakustische Korpus der Gitarre liefert das ideale Fundament, auf dem sich die beiden HJ50 Humbucker wohlfühlen. Das Ergebnis sind warme, aber zu jeder Zeit durchsetzungsfähige Jazzsounds – mit einer beruhigenden Resistenz gegenüber Feedback. Aber auch angezerrte Blues- und Fusion-Sounds lassen sich mit der wunderschönen, exzellent verarbeiteten Gitarre problemlos realisieren. Licks kommen auch ohne Kompressor- oder Verzerrer-Einsatz mit viel Sustain rüber. Die HJ-500 wird mit einer perfekt eingestellten Saitenlage ausgeliefert, so dass man sich aus dem Stand wie zu Hause fühlt. Nein, diese Gitarre gehört einfach noch nicht ins Museum. Mit der HJ-500 hat Hagstrom einen Dinosaurier zurückgeholt, der sich – bei Bedarf- auch zu einem aggressiven Fleischfresser entwickeln kann.
Und das Schönste ist, dass man kein prallgefülltes Bankkonto braucht, um sich den Sound leisten zu können. Die Hagstrom HJ-500 ist eine Gitarre, die in Sachen Preis/Leistungsverhältnis fast unglaubliches schafft und so der mitunter übertrieben hochpreisigen Konkurrenz das Fürchten lehren kann. Ein Highlight der Gitarrenbaukunst. In diesem Modell steckt immer noch die Handschrift des Meister: James “Jimmy” D’Aquisto.

SPECS HAGSTROM HJ500
  • Modell: HJ-500
  • Hersteller: Hagstrom
  • Art: Hollowbody Jazzgitarre
  • Hals: Canadian Hard Maple, set
  • Korpus: Contoured Canadian Maple
  • Bünde: 21
  • Truss Rod: H-Expander
  • Mensur: 628 mm
  • Inlays: Hagstrom Pearl Block Position Marks
  • Griffbrett: Resinator Wood
  • Brücke: Ebony Jimmy Bridge w/ Hagstrom Trapeze-Tail-Piece
  • Zargentiefe: 70 mm
  • Tonabnehmer: 2 x Hagstrom HJ-50
  • Preis: UVP. 685,00 €
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