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Harmonielehre-Workshop #1 – Die Dur-Tonleiter

Harmonielehre ist nur dann eine trockene Angelegenheit, wenn man nicht ab dem ersten Moment versucht, das Gelernte am Instrument nachzuvollziehen. Schließlich gingen ja auch nicht die Regeln der Musik voraus, sondern es war genau umgekehrt.

©Trum Ronnarong, Shutterstock
©Trum Ronnarong, Shutterstock


Irgendwann stellte sich dann aber doch die Frage, warum das eine für unsere Ohren gut, das andere weniger gut klingt? Die meisten Harmonielehren beginnen mit dem Aufbau der Obertonreihe und pythagoreischen, physikalischen Zusammenhängen – das ist wichtig und hochspannend, soll uns aber an dieser Stelle nicht weiter interessieren. Ich will versuchen, diesen Workshop wirklich auf die Themen zu reduzieren, die für uns als Spieler relevant sind.
ÜBRIGENS: Bevor es losgeht, möchte ich eine Anmerkung zu einem Thema machen, das immer wieder für Verwirrung sorgt: Ich schließe mich der internationalen Bezeichnung der Note B an, also der Note, die wir in Deutschland als H bezeichnen. Was wir einen Halbton erniedrigt als B bezeichnen, wird in der restlichen Welt üblicherweise als Bb (“B flat”) benannt. Das war übrigens auch in Deutschland Usus, hier gab es das B rotundum (das weiche B, also das B flat) und das B quadratum (das eckige B), bis aus unerfindlichen Gründen der untere Strich des B quadratum verschwand und daraus ein H wurde. Fehler werden auch nicht richtiger, wenn man sie über Jahrhunderte beibehält – darum B und Bb.

WORKSHOP

1. Das Zwölfton-System
Die Basis unserer westlichen Musikwelt bildet das zwölftönige, wohltemperierte System. Wir unterscheiden zwölf verschiedene, in Halbtonabständen angeordnete Töne, die die sogenannte “chromatische” (chromos = griech. für Farbe) Tonleiter bilden. Im wohltemperierten System ist der Halbton die kleinste Einheit, also der geringste Abstand zwischen zwei Tönen. In anderen Kulturen kann das anders aussehen, wie z.B. in der asiatischen Gamelanmusik. Dort gibt es Tonsysteme wie Slendro oder Pelog, die vollkommen andere Tonabstände verwenden. Aber auch in der reinen Stimmung in Europa haben wir kleinere Unterteilungen als den Halbtonschritt.
Doch zurück zu unserer temperierten chromatischen Tonleiter – hier ab C notiert:

HarmonyPt1_1
Temperierte chromatische Tonleiter
Audio Samples
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Temperierte chromatische Tonleiter

Hier bekommt ihr es bereits mit den ersten musikalischen Zeichen zu tun: Den Kreuzen, die unsere Töne um einen Halbton erhöhen, und den b’s, die sie um einen Halbton erniedrigen. Notiert man die chromatische Tonleiter aufwärts, benutzt man Kreuze, absteigend kommen b’s zum Einsatz – die Gründe dafür werdet ihr im Laufe des Workshops noch erfahren.
Soviel sei gesagt: Im temperierten System klingt das F# wie ein Gb. Dementsprechend  teilen sich beide Töne auf dem Klavier eine Taste (auf der Gitarre einen Bund). Vielleicht ist euch auch aufgefallen, dass zwischen E und F sowie B und C bereits “von Natur aus” ein Halbtonschritt liegt – das heißt, hier benötigen wir keine Versetzungszeichen.

2.Die Durtonleiter
Filtert man aus der chromatischen Tonleiter die sogenannten Stammtöne heraus (Töne, die nicht durch Versetzungszeichen verändert wurden), erhalten wir die C-Durtonleiter. Die Dur-Tonleiter ist seit dem 16.Jh. die gebräuchlichste der abendländischen Musikwelt, allerdings nicht die Einzige – doch dazu später mehr. Wie ihr seht, besteht diese Heptatonik (siebentöniges Tonsystem) aus einer Mischung aus Ganz- und Halbtonabständen, die folgendermaßen angeordnet sind.

HarmonyPt1_2a

Der Klang dieser Skala dürfte uns allen bereits vertraut sein:

Audio Samples
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C-Dur Tonleiter

Hier noch einmal in Buchstabensymbolik und eingetragenen Ganz – und Halbtonabständen:

C   GT    GT     E    HT    F   GT      G     GT      A    GT    B   HT  C

Und in Noten:

HarmonyPt1_2b

Zusammengefasst heißt das: Die Durtonleiter besteht aus Ganztonschritten, lediglich zwischen der dritten und vierten sowie der siebten und achten (bzw. ersten) Stufe finden sich Halbtonschritte.
Doch warum ist das so? Um diese Frage erschöpfend zu klären, müssten wir tiefer in die Hörpsychologie einsteigen, was unseren Rahmen aber sprengen würde. Deshalb sei lediglich gesagt, dass Halbtonschritte einen besonders starken “Zug”, also eine Leittonwirkung haben, die wir für unser Harmonieverständnis benötigen. So zieht zum Beispiel das B zum C hoch und vermittelt so das Bedürfnis einer Auflösung zum Grundton.
Generell möchte ich erwähnen, dass die Frage: “Warum ist das so?” oft nur mit komplexen hörpsychologischen Exkursen zufriedenstellend zu beantworten ist. Der Einfachheit halber sollte man aber akzeptieren, dass vieles von dem, was wir als “schön klingend” empfinden, sehr häufig eine Frage von Hörgewohnheiten ist, die sich übrigens permanent im Wandel befinden. So galt beispielsweise die Terz bis zum 15. Jahrhundert als unharmonisch und noch Anfang des 20. Jahrhunderts empfand man Jazz-Akkorde mit großer Septime als dissonant.
Darum mein Tipp: Zu Beginn einfach nicht alles hinterfragen, denn sonst verliert man sich schnell in unendlichen Details.
So weit, so gut. Zusammenfassend können wir also sagen:
a) die Durtonleiter hat sieben Töne
b) weil zwischen Stufe 3 und 4 sowie 7 und 8 (bzw. 1) Halbtonschritte liegen, müssen alle anderen Ganztonschritte sein
c) zwischen den Noten E und F sowie B und C liegen von Natur aus Halbtonabstände
Gewappnet mit diesem Wissen stellt sich zu Recht die Frage:”In C mag das alles genau so sein, aber wie sieht es mit den anderen Tonarten aus?” Nun gut, versuchen wir unser Glück in G-Dur und bauen unsere Tonleiter ab G auf:

HarmonyPt1_3
Erst “ohne”…dann “mit”

Aber wie sieht es jetzt mit unserem oben vorgestellten Kriterien-Katalog aus?
Auf jeden Fall sind es auch hier sieben Töne und zwischen der 3. und 4. Stufe, also B und C, liegt ein Halbtonschritt. Aber die Stufe 7 und 8 will uns einfach nicht mit Halbtönigkeit beglücken. Erschwerend kommt außerdem hinzu, dass jetzt auf einmal zwischen Stufe 6 und 7 ein Halbtonschritt ist, wo eigentlich keiner hingehört!
Probleme über Probleme, aber es gibt eine Lösung. Denn wir haben ja unsere kleinen Helferleinchen, die Vorzeichen – Kreuze und b’s. Die Note zwischen den beiden Problemzonen ist das F. Was passiert, wenn wir mithilfe eines Kreuzes das F zum Fis erhöhen? Tatatataa – wir haben zwischen der 6. und 7. Stufe einen Ganztonschritt und den Halbtonschritt zwischen den Stufen 7 und 8 ebenfalls wieder hergestellt. Und so sieht unsere G-Durtonleiter aus – alle Kriterien werden erfüllt:

HarmonyPt1_4
F-Dur Skala

Hört euch das folgende Beispiel einmal an, erst ohne das Vorzeichen – also die inkorrekte Tonleiter, dann die korrekte Durtonleiter mit dem Kreuz. Achtet darauf, was sich beim ersten Beispiel möglicherweise etwas seltsam anhört und entgegen eurer Hörgewohnheit klingt.

Audio Samples
0:00
Erst “ohne”…dann “mit”

Nehmen wir noch ein anderes Beispiel. Wir wollen eine F-Dur Tonleiter – hier unsere Skala ab F:

HarmonyPt1_5

In diesem Fall gestaltet sich das Problem ähnlich: Zwischen A und B liegt ein Ganztonschritt, wo keiner hin soll und zwischen B und C ein Halbtonschritt, der ebenso unerwünscht ist – also müssen wir quasi das B gerade rücken. An dieser Stelle verwenden wir unser anderes Versetzungszeichen, das b, um den Ton B zum Bb zu erniedrigen … und schon haben wir unseren vorschriftsmäßigen Skalenaufbau hergestellt. Ich präsentiere: Die F-Dur Tonleiter:

HarmonyPt1_6

Und zum Anhören:

Audio Samples
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F-Dur Skala

An dieser Stelle möchte ich euch die Aufgabe ans Herz legen, dieses Spiel mit allen Tonarten durchzuexerzieren, um so Routine zu gewinnen.
Hier ein paar Tipps:
a) Der achte Ton muss wieder der Grundton der Tonart sein, d.h., wenn ihr eure Tonleiter aufgebaut habt, mit allen Ganz- und Halbtonschritten, der achte Ton aber nicht dem Ersten entspricht, ist irgend etwas schiefgelaufen.
b) Vertraut eurem Gehör – spielt die Tonleiter. Jeder von euch kennt den Klang der Durtonleiter so gut, dass ihr mögliche Fehler auch akustisch wahrnehmen könnt.
Fassen wir also zusammen: Wir kennen jetzt die Gründe, weshalb wir in der Musik Versetzungszeichen brauchen und warum jede der zwölf Tonarten, die unser System kennt, verschiedene Vorzeichen hat (denn C -Dur ist die einzige Dur-Tonart, die ohne auskommt). Wir müssen, unabhängig vom Startton unserer Durtonleiter, den Aufbau von Ganz- und Halbtonschritten an den erforderlichen Stellen sichern, denn sonst erhalten wir nicht ihren vertrauten, typischen Klang.
Der besseren Übersichtlichkeit halber, möchte ich euch jetzt die Tonarten mit ihren jeweiligen Vorzeichen vorstellen (PDF zum Download)

Wie ihr seht, wurden die Tonleitern in der Anzahl ihrer Kreuze, dann ihrer B’s angeordnet. Abgesehen davon ist zu erkennen, dass in einer Durtonleiter Kreuze und B’s nicht zusammen erscheinen – es gibt also Kreuz- und B-Tonarten. Um sich das Ganze leichter einprägen zu können, kannten schon die Musiklehrer unserer Musiklehrer die schlausten Merksprüche:
Für Kreuztonarten:
Geh Du Alter Esel Hole FISche
und für die B-Tonarten:
Frische Brezeln ESsen ASse DES GESangs
Die Anfangsbuchstaben markieren euch die Tonarten, die Wortreihenfolge die Anzahl der Vorzeichen – z.B. hat G ein Kreuz, D zwei, A drei usw. Analog dazu gilt für die B’s: F hat ein B, Bb hat zwei, Eb hat drei etc. – wobei die höheren Vorzeichen immer die unteren mit einschließen.
ÜBRIGENS: Es ist üblich, die benötigten Versetzungszeichen der Tonart gleich zum Notenzeilenbeginn vorzuzeichnen, wenn sich ohnehin das ganze Stück in dieser Tonart bewegt. So spart man es sich nämlich, die Vorzeichen jedes Mal auf’s Neue eintragen zu müssen – hier im Beispiel D-Dur (Geh Du … 1,2 – also zwei Kreuze)

HarmonyPt1_8

Und wofür brauche ich das alles? Mein Gott, wie oft habe ich damals diese Frage an meinen völlig entnervten Musiklehrer gerichtet, bis mich mein Musikeralltag eingeholt hatte – denn es gibt so einige Szenarien in der freien Musikerwildbahn, in denen man in dieser Hinsicht fündig wird:
a) Ihr müsst mal was vom Blatt spielen – durchaus üblich bei Bigband, Musical-Theaterjobs oder Bands, wie sie beispielsweise in den Live-Events der Casting-Shows für die musikalische Begleitung sorgen. Dann genügt ein kurzer Blick an den Zeilenanfang und ihr wisst, welche Noten man wie verändern muss – der musikalische Leiter wird es euch durch Nichtfeuerung danken.
b) Ihr seht ein Leadsheet mit drei B’s vor euch – ihr freut euch wie ein Schneekönig, weil ihr nichts vom Blatt spielen müsst, sondern nur Akkordsymbole seht, doch dann kommt diese Stimme aus dem Off: “Spiel da mal acht Takte Solo!” Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten – entweder könnt ihr aufgrund der Akkorde die Tonart ausmachen oder aber ihr wisst, dass drei B’s Eb-Dur bedeuten, ihr also mit der Eb-Dur Pentatonik möglicherweise nichts großartig falsch machen könnt.
HAUSAUFGABE
So ein Harmonielehre-Workshop liest sich ja ganz schön, aber das volle Verständnis werdet ihr erst durch die Übung erlangen. Darum erlaube ich mir, euch zur Vorbereitung auf die nächste Folge ein paar Hausaufgaben, oder nennen wir es Quizfragen aufzugeben:
1.) Wie heißt die chromatische Tonleiter ab C?
2.) Wo befinden sich in einer Durtonleiter die Halbtonschritte?
3.) Wie lautet die Ab – Dur Tonleiter?
4.) Wie viele Kreuze hat E-Dur und wie heißen die betroffenen Noten?
5.) Wie viele B’s hat die Eb-Dur Tonleiter und wie heißen die betroffenen Noten?
So viel für heute. Ich hoffe, es ist mir gelungen, das eine oder andere musiktheoretische Missverständnis aus der Welt zu schaffen und euch die Angst vor diesem Themengebiet zu nehmen! Falls das so ist, sehen wir uns bei der nächsten Folge, und die beschäftigt sich mit Intervallen und Akkorden!
Bis dahin alles Gute,
Haiko

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©Trum Ronnarong, Shutterstock

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