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DW “GO ANYWHERE” PRACTICE KIT Test

DW Practice-Kit – das rief mir sofort wieder folgende Bilder ins Gedächtnis:
17. Juni 2005, Stadthalle Graz. Iron Maiden gastieren in Österreich und ich bin beruflich im Backstage unterwegs, um Promotiontermine, Interviews und Meet-n-Greets zu koordinieren. Ich laufe durch einen der langen Gänge unter der Halle, vorbei an grauen Türen mit sauber bedruckten DIN-A4-Blättern, auf denen Dinge wie “Artist Catering” oder “Dressingroom” steht. Im Vorbeigehen fängt ein Schild plötzlich meinen Blick und ich bleibe wie ferngesteuert stehen. Ich lese “Warm-up Nicko” und das Schlagzeugerherz in meiner Brust klopft. Eine einmalige Chance, die wohl so schnell nicht wieder kommt. Ich riskiere es, öffne leise die Tür und traue meinen Augen kaum: Ein komplettes, funkelndes Drumset à la Nicko McBrain steht im Raum – ready to play natürlich. Wer Nickos opulentes Setup kennt, weiss, dass sein Kopf dahinter gerade so zu sehen ist… wenn er aufsteht! Ich staune noch einen Moment und ziehe dann den Kopf aus der Tür. Nach dieser Erfahrung bin ich mir ziemlich sicher; Nicko McBrain hat, dank eigenem Warm-Up-Raum inklusive Schlagzeug, auf Tour kein Practicepad im Gepäck.

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In den Genuss von Nickos Privileg kommen sicher die wenigsten von uns. Und wenn es ums Aufwärmen oder Üben geht, ist der Ottonormal-Schlagzeuger nicht gerade zu beneiden. Es bleiben ihm nur wenige Möglichkeiten, sein Instrument handlicher oder gar leiser zu machen. Die nüchterne Wahrheit: Um das Schlagzeug in voller akustischer Pracht genießen zu können, muss früher oder später ein eigener Raum her, in dem man nach Lust und Laune lärmen kann. Wer allerdings gerne flexibel üben und weder an Ort noch (Uhr-)Zeit gebunden sein möchte, wird früher oder später bei seinen Recherchen auf das DW-Practice-Kit stoßen. Ob dieses die Lösung aller Probleme ist, überprüfe ich in diesem Test.

DETAILS

Das klassische Practicepad, auch bekannt als die “Gummiplatte”, ist nicht unbedingt das beliebteste Stück im Fundus eines Trommlers. Allerdings konkurrenzlos effektiv, wenn es um gezieltes Training für die Stockarbeit geht. Durch schier unerschöpfliche Übungen von einfach bis “kriminell” werden Ausdauer, Kraft, Geschwindigkeit und Hirn gefordert, was sich später am echten Drumset auszahlt. Für ordentliches Sticking ist die Gummiplatte ein hervorragendes Trainingsgerät, jedoch bleiben zwei wichtige Aspekt komplett auf der Strecke: die Fußarbeit sowie die allgemeine Koordination der Extremitäten. Bewegungsabläufe, etwa für Beats oder Fills, können mit einer Gummiplatte schlichtweg nicht geübt werden.

Findige Köpfe bei DW haben dieses Problem erkannt und kommen mit einer Idee um die Ecke, die simpel und zugleich genial ist. Vier in Höhe und Neigung verstellbare Practicepads sowie ein Bassdrumpad können (fast) beliebig an einem Ständer montiert und dem Setup des eigenen Schlagzeugs nachempfunden werden. Eine Verlängerung der Mittelstrebe bis zum Boden macht das Trainingsset komplett, denn sie bietet die Möglichkeit, die eigene Fußmaschine anzuschrauben.
Im Detail: Im Lieferumfang enthalten sind zwei 8“ Pads (jew. 280g), zwei 10“ Pads (jew. 530g), sowie ein Bassdrumpad. Diese 5 mm dicken, cremeweißen Gummipads sind auf verstärkte Hartplastik-Teller geklebt, die in der Mitte ein Gewinde besitzen. Kinderleicht wird das runde Pad damit auf einen der Auslegearme geschraubt.

Es kann in seiner Höhe und horizontalen Position beliebig eingestellt und mit Hilfe einer Klemme am Ständer fixiert werden. Leider ist es nur an einem der vier Arme möglich, den Winkel des Pads zu verstellen. Ansonsten bieten die Arme eine feste Winkelgröße von jeweils 90°, 90° und 80° und können ausschließlich nach vorne oder hinten gekippt werden. Das Bassdrumpad ist direkt am Ständer angebracht und kann in seiner Höhe verschoben werden.

Die fünf Zentimeter starke Gummifläche ist wesentlich dicker als die der oberen Pads, mit einer Breite von 10,5 cm ist sogar noch Platz für ein Doppelpedal. Angeschraubt wird das Pedal an einer 4 mm starken Metallplatte, die in der Höhe verstellt werden kann. Durch ihre dreieckige Form besteht, je nachdem, ob ein Single- oder ein Doppelpedal verwendet wird, genügend Spielraum, um die Fußmaschine optimal anzubringen. Die allgemeine Stabilität lässt keine Wünsche offen. Die Pads fußen solide auf einem doppelstrebigen Ständer aus der 3000er-Serie von DW, der für stabilen und rutschfesten Halt sorgt.

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PRAXIS

Bevor es losgehen kann, schraube ich noch meine Fußmaschine an das Kit. Das Bassdrumpad löse ich an einer Flügelschraube, um es in der Höhe für meinen Beater korrekt zu positionieren. Für die oberen vier Pads benötige ich dagegen einen Vierkant-Stimmschlüssel, um die Klemmen am Ständer zu lösen. Nun den Auslegearm reinschieben, positionieren, festziehen, fertig. Das Pad wird auf das nach oben stehende Gewinde geschraubt und (sanft!) festgedreht. Mit wenigen Handgriffen sind alle vier Pads so angebracht, dass sie in etwa dem Setup meines Schlagzeugs entsprechen. Bei der Feinjustierung wird es allerdings schwierig: Da nur ein Auslegearm im Winkel verstellbar ist, muss ich mich mit der Neigung der drei anderen Pads zufrieden geben. Das funktioniert, schränkt die individuellen Einstellmöglichkeiten aber deutlich ein. Außerdem sind alle vier Arme mit einer festen Klemme am Ständer verschraubt. Das bedeutet, dass hier alle Auslegearme immer in einem 90°-Winkel zum Ständer stehen. Wenn ich nun z.B. mein „Snare“-Pad auf die gleiche Höhe bringen möchte wie mein „Floortom“-Pad, ist das nicht möglich. Eine Klammer am Ständer befindet zwangsläufig immer unter der anderen, durch den festen Winkel kann ich den Auslegearm leider nicht nach oben oder unten korrigieren (wie es bei jedem herkömmlichen Galgenständer möglich ist).
Der Dreh- und Angelpunkt ist natürlich das Spielgefühl! Practicepads sind und bleiben Trainingsgeräte, die dem Spielgefühl einer echten Trommel nur mehr oder weniger nahe kommen. So viel vorweg: DW hat mit dem Practice Kit das Rad nicht neu erfunden, daher hat man auch hier nicht das Gefühl, ein echtes Drumset zu spielen. Aber gehen wir Schritt für Schritt ins Detail: Das Bassdrumpad spielt sich trotz dickem Gummi extrem hart, im Rebound ähnelt es eher einem Holzklotz als einem Fell. Das Pad bietet deutlich zu wenig Knautschzone um beispielsweise das Abfedern eines mittelstark gespannten Bassdrumfelles zu simulieren. Hier spürt man das Auftreffen des Beaters durch das ganze Pedal bis in den Fuß vibrieren, wodurch sich ein natürliches Spielgefühl nicht so recht einstellen will. Die Pads dagegen spielen sich wesentlich angenehmer. Obwohl sie recht hart sind, fühlt sich der Rebound des Stocks gut an. Besonders wichtig: Der Rebound ist nicht ‚zu gut‘. Manche Practicepads neigen dazu, den Stock wie einen Flummi zurück zu federn. Die Folge davon kann sein, dass man die Stickings in bislang unerreichter Geschwindigkeit übers Pad feuert und vollends über seine schnellen Trainingserfolge begeistert ist. Das böse Erwachen folgt wenig später am Drumset, wenn sich Snare und Toms plötzlich wie dicke Handtücher spielen. Deshalb bin ich ein Freund von etwas behäbigeren Pads, das DW Practice Kit kann mich in diesem Punkt mit einem recht ‚trockenen‘ Rebound überzeugen. Richtig authentisch wird das Practice Kit allerdings durch seine insgesamt fünf Pads. Dadurch habe ich die Möglichkeit, wie an einem echten Schlagzeug meine Koordination und sogar ganze Bewegungsabläufe zu trainieren. Von klassischen Pop-Beats bis zu ausgefuchsten Fills ist alles machbar. Durch flexible Positionierung kann ich mit den Pads Snare, Toms oder Hi-Hat simulieren, und äußerst Drum-realistisch üben. Knifflig wird’s erst bei den Becken, denn alle Pads sind fest angeschraubt und bieten keine Möglichkeit frei schwingend montiert zu werden. Hier muss man sich notgezwungen mit dem starren Pad als Beckenersatz anfreunden.
Insgesamt sind die Pads angenehm leise. Das Anzählen mit den Stöcken ist lauter als das eigentliche ‚Trommeln‘.

Audio Samples
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Zwei kleine Wermutstropfen: Ein Pad in Höhe der Hi-Hat ist montiert, doch leider hat mein linker Fuß nichts zu tun. Hier muß ich mir also eine Hi-Hat Maschine ohne Becken dazu stellen, wenn ich meine Beinarbeit trainieren möchte. Ausserdem lösen sich nach längerem Spielen die Padsein wenig aus ihrer Verschraubung – das ist natürlich von der Spielstärke abhängig. Durch ihre steife Montage und das geringe Gewicht federn sie einen Stockschlag kaum ab, sondern geben die Energie direkt in den Auslegearm weiter. Durch diese Vibration löst sich das Pad nach einiger Zeit, und muss nachgezogen werden. Die allgemeine Stabilität ist dennoch sehr beachtlich. Vor allem die doppelstrebigen Beine zeigen sich auch bei kräftig getretener Bassdrum hartnäckig, und bleiben in Position. Die beweglichen Teile, welche mit Flügel- oder Vierkanntschrauben versehen sind, lassen sich wortwörtlich reibungslos bedienen und machen einen hochwertigen Eindruck. DW wird seinem Anspruch auf zuverlässige Hardware auch beim Practice Kit gerecht. Das Highlight dieses Kits sind aber die Maße: Verpackt ist es kaum größer als ein herkömmlicher Beckenständer, die vier Auslegearme ähneln den Füßen einer Floortom. Man kann also die sperrige Hardwarekiste getrost vergessen! Das Practice Kit passt in jede größere Sporttasche, mit 7,2 kg ist es gut zu transportieren. Fertig aufgebaut braucht das Kit (ohne Hocker) auch nur knapp 98 x 70 x 60 cm. Mobiler geht‘s nicht!

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FAZIT

Das DW „Go anywhere“ Practice Kit könnte nicht treffender benannt sein: Man kann irgendwo hingehen, es aufbauen und mit dem Üben loslegen. Mehr kann das Teil nicht. Keine Elektronik, keine Midischnittstelle, kein Trigger-Firlefanz. Aber das ist auch gut so, denn am DW Practice Kit soll man nichts tun außer Üben! Leider zeigt sich das Kit in einigen wichtigen Funktionen etwas schwach. Nur eines der vier Pad-Arme kann in der Neigung verstellt werden, die Pads selbst lösen sich nach längerem Spielen aus ihrer Verschraubung. Entgegen den recht angenehm spielbaren Pads ist es DW nicht gelungen, ein Bassdrumpad mit authentischem Spielgefühl zu kreieren. Hier ist der Rebound deutlich zu hart und steif. Diese Mankos muss man leider in Kauf nehmen. Allerdings ist das Practice Kit dank seiner Maße und Lautstärke ein flexibles Trainings-Schlagzeug, mit dem man deutlich unabhängiger ist, als mit einer herkömmlichen Schießbude. Schnell auf- und abgebaut, gibt es beim Üben kaum Laut von sich und im Regelfall sollte es reichen, wenn du einfach die Zimmertür schließt, um Nachbarn oder Mitbewohnern nicht auf den Wecker zu gehen.

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SPEZIFIKATION
  • Artikelbezeichnung: DW Practice Kit “Go Anywhere”
  • Hersteller: Drum Workshop (DW)
  • Maße (aufgebaut): ca. H:98cm B:70cm T:60cm
  • Gewicht: 7,2kg
  • Lieferumfang: 2x 8″ Pads, 2x 10″ Pads, 1x Bassdrumpad, 4 Auslegearme, Ständer doppelstrebig
  • UVP: 207,- €
Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • gutes Spielgefühl auf den Pads
  • kompakt
  • sehr leise
Contra
  • sehr hartes Bassdrumpad
  • nur ein Auslegearm im Winkel verstellbar
  • Pads lockern sich bei längerem Spiel
Artikelbild
DW "GO ANYWHERE" PRACTICE KIT Test
Für 249,00€ bei
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