ANZEIGE

Mark Guiliana Buch „Exploring your Creativity on the Drumset“ Review

„Drummer’s Drummer“, die anderen Trommlern zeigen, was man mit Disziplin am Set an Geschwindigkeit und Koordinationsfähigkeiten erreichen kann, erfreuen sich großer Beliebtheit. Es gibt allerdings noch eine andere, technisch weniger spektakuläre Ebene, welche von Studiodrummern wie Steve Jordan oder Matt Chamberlain repräsentiert wird. Deren Diskografie weist weltbekannte Künstler aus, ihr Schlagzeugspiel ist jedoch meist reduziert. Und dann gibt es die rare Spezies von Trommlern, die sowohl technisch auf einem extrem hohen Niveau spielen, gleichzeitig aber auch als Studiomusiker und Solokünstler anerkannt sind, teilweise sogar über die Musikerszene hinaus. So einer ist der aus New Jersey stammende Mark Guiliana. Sein erstes Lehrwerk heißt „Exploring your Creativity on the Drumset“ und ist bei Hudson Music erschienen.

Guiliana_Exploring_Creativity_bonedo_Review


Stilistisch gehört er zur neuen Generation Jazzdrummer, welche sich durch den Mix aus klassischen Swing-Einflüssen und elektronisch-inspirierten Musikrichtungen auszeichnen. Mit steigender Bekanntheit eines Instrumentalisten wächst natürlich die Anzahl der Menschen, die wissen möchten, mit welchen „Rezepten“ er dorthin gekommen ist, wo er jetzt steht. Viele erhoffen sich auch die endlich alles erhellende „Zauberübung“, die mit geringem Aufwand erstaunliche Ergebnisse bringt. Gleichzeitig muss gerade bei heutigen Neuerscheinungen die Frage erlaubt sein, ob auf dem aus allen Nähten platzenden Markt der Lehrmaterialien überhaupt noch wirklich Neues möglich ist, oder ob hier lediglich Bekanntes mit anderen Worten beschrieben wird. Ich habe mich ein paar Wochen lang mit dem Buch und den dazu gehörenden Videos auseinander gesetzt.  

Details

Konzept und Inhalt

Vorab: Ich werde den Namen des Buches, „Exploring your Creativity on the Drumset”, im Verlauf des Textes mit EYC abkürzen. 
Eine gute Möglichkeit, sich einen Überblick über ein solches Lehrwerk zu verschaffen, besteht zunächst darin, zu benennen, was es nicht ist. Obwohl einige Übungen grundsätzlich auch für Anfänger machbar sein sollten, handelt es sich bei EYC ganz bestimmt nicht um ein Werk, welches ich zum Einstieg empfehlen würde. Auch wer ein klassisches Rudiment- oder Handsatzbuch erwartet, dürfte enttäuscht werden. Dasselbe gilt für Drummer, die anhand ausnotierter Grooves und Fills eine schnelle Erweiterung des Vokabulars suchen. Da stellt sich die Frage: Wenn EYC all das nicht ist, was ist es dann? Ganz grob zusammengefasst würde ich es als Timing-, Koordinations- und Improvisationsbuch für Fortgeschrittene bezeichnen. Es ist außerdem als zusammenhängendes Werk zu verstehen, dessen Teile chronologisch aufeinander aufbauen. Und es ist definitiv ein Arbeitsbuch, die Video-Performances wirken zwar höchst inspirierend, der Großteil des Werkes lebt aber davon, dass man sich konzentriert mit den Übungen auseinander setzt. Um dem Nutzer den Überblick zu erleichtern und alle Teile logisch miteinander zu verknüpfen, hat sich Mark ein Konzept namens D.R.O.P. ausgedacht. Das steht für Dynamics, Rate, Orchestration und Phrasing, die Behandlung dieser Themen legt auch die Gliederung fest. 

Das Dynamics-Kapitel versteht sich als Handlungsanleitung für die restlichen Teile

Um die Fähigkeit, in vielen unterschiedlichen Lautstärken zu spielen und diese an die jeweilige musikalische Situation anzupassen, geht es im ersten Kapitel des Buches. Im Gegensatz zu den anderen drei Teilen beschränkt sich Mark hier auf zwei Textseiten, Noten finden sich keine. Als Handlungsanweisung wird dem Leser stattdessen mitgegeben, generell in vielen Dynamikstufen spielen zu lernen. Dass auf klassische Übungen wie beispielsweise die Moving Accents und die dazu gehörenden Schlaghöhenerklärungen verzichtet wird, ist nur folgerichtig, denn charakteristisch sind für Mark’s Spiel ganz sicherlich die vielen dynamischen Abstufungen, welche über das Konzept von Backbeat und Ghostnotes hinaus gehen. 

Um die Verinnerlichung von Notenpositionen geht es im Kapitel „Rate“

Im zweiten Bereich von EYC wird „The Loop“ vorgestellt, eine eintaktige Sequenz, auf deren Basis ein Großteil der nachfolgenden Übungen entwickelt wird. Dieser Loop enthält binäre und ternäre Teilungen und wird in unterschiedlichen Längen und Sortierungen, später auch mit Pausen, gespielt, zunächst allerdings nur auf der Snaredrum. Der Sinn erschließt sich auch ohne die textlichen Erklärungen schnell, hier geht es nämlich darum, ein sicheres Gefühl für die Position verschiedener Zählzeiten zu erhalten. Was zunächst sehr simpel aussieht, erweist sich in der Praxis als durchaus knifflige Angelegenheit, insbesondere, wenn immer mehr Schläge der Übung durch Pausen ersetzt werden („Leaving Space“) und man gezwungen ist, sich auf das innere Unterteilungsgefühl zu verlassen. Eine große Hilfe stellt hier das begleitende Video dar, wer sich nicht ganz sicher ist, sollte sich im Zweifelsfall lieber rückversichern, wie das Ergebnis bei Mark klingt. 

Orchestration (Verteilung der Schläge auf dem Set)

Was im zweiten Part von EYC an der Snaredrum entwickelt wurde, wird nun auf das ganze Kit übertragen. Nach einer Vorübung, bei welcher eine stetig abnehmende Anzahl von Schlägen zwischen jeweils zwei Instrumenten des Kits verteilt wird, kommt Mark zum „Loop“ zurück. Wer sich im Kapitel Rate sicher gefühlt hat, wird jetzt anhand der „Improvised Orchestrations“ schon interessante musikalische Ergebnisse erzielen. Als Nächstes wird die Bassdrum in den Loop integriert, beziehungsweise zu den vorhandenen Schlägen hinzugefügt, wodurch sich sowohl die klangliche Breite des Gespielten als auch der Anspruch an die Koordination erweitert. Zum Orchestration-Teil gehört auch die Beschäftigung mit gleichzeitig gespielten Sounds. An Mark’s kleinem Bopkit ergeben sich auf diese Weise sieben mögliche Instrumenten-Kombinationen, die anschließend wiederum mit dem Loop kombiniert werden. Sehr gut gefällt mir, dass jedem Teil die Aufforderung zur eigenen Improvisation folgt, so wird Musik aus den Übungen. 

Im Phrasing-Kapitel wird es technisch anspruchsvoll

Im letzten Kapitel des Buches beschäftigt sich Mark mit dem Thema Phrasierung, also der Frage, wie eine Figur im Takt positioniert wird. Hier wird es schon sehr anspruchsvoll, denn einen Paradiddle über Triolen zu verteilen und zu verschieben, erfordert Konzentration, und wenn dann noch ein auf der Hi-Hat getretener Viertelpuls und die Bassdrum hinzu kommen, haben auch langjährige Spieler erst einmal ordentlich was zu knacken. Trotzdem folgt das Buch auch in diesem Teil konsequent dem Loop, wodurch einem beim Üben immer der akustische Wiedererkennungswert hilft, sich zurecht zu finden. 

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Video: Bild und Ton 

Obwohl der Fokus von EYC auf dem Buch liegt, kann auch das Video als gelungen bezeichnet werden, nicht zuletzt deswegen, weil es auch ganz für sich stehen könnte. Mark erklärt und demonstriert jede Übung, was im Buch noch unklar erscheinen mag, wird hier verdeutlicht. So können große Teile des Materials auch von Drummern gespielt werden, die nicht unbedingt notenfest sind, zumal das Basistempo generell human ist. Ein sehr gutes Bild, eingefangen von einer ruhigen, aufs Wesentliche fokussierenden Kamera, sorgt für entspanntes Mitkommen. Der Sound ist trocken und groß, kleine Solo und Band-Performances lenken den Blick immer wieder auf das, worum es geht, nämlich die Musik. 
Neben vielen positiven Aspekten gibt es aber auch ein paar kleine Schwächen. So kann sich der Einstieg doch recht zäh gestalten, denn die Ergebnisse der Übungen klingen – auch bei korrekter Umsetzung – zunächst doch eher trocken. Wer noch nicht viele Erfahrungen mit dem Verbinden ternärer und binärer Teilungen innerhalb eines Taktes gemacht hat, sollte sich zudem regelmäßig per Video rückversichern oder einen guten Lehrer zu Rate ziehen, denn hier können sich schnell Fehler einschleichen. Ich empfehle generell, das Video zuerst anzusehen, um einen kompakten Eindruck davon zu erhalten, was das Ziel des Konzepts ist. Ein weiterer Kritikpunkt ist aus meiner Sicht, dass einige Übungen relativ technisch ausfallen, die Verbindung zwischen Übung und anschließendem Improvisationsbeispiel wirkt so manchmal etwas eckig. 

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.