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Ahead Spinal Glide Drum Hocker Test

Was haben Berufskraftfahrer, Bürotätige und Drummer gemeinsam? Richtig, Rücken. Langes Sitzen zählt zu den einseitigen Belastungen, welche oft zu Schmerzen führen. In den letzten Jahren haben sich die Hersteller von Schlagzeugstühlen verstärkt Gedanken darüber gemacht, wie sich das Problem entschärfen lässt. Rückenlehnen, speziell konturierte Sitzflächen und dicke Polsterungen können bei langen Sessions schon als wahre Wohltaten wirken. Die amerikanische Firma Ahead hat sich allerdings noch etwas anderes einfallen lassen. Spinal Glide heißen unsere Drumhocker-Kandidaten, ihr Hauptmerkmal: die mittige Teilung der Sitzflächen. 

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Bandscheiben und Gelenke funktionieren am besten, wenn sie oft bewegt werden und nicht zu lange in einer Stellung verharren. Diese Bewegungsfreiheit kommt bei Drummern, die viel und lange am Stück spielen, oft zu kurz. Kommt jetzt noch das hektische und oft wenig bewusste Herumwuchten schwerer Cases vor und nach Gigs hinzu, meldet sich der Körper mit Verspannungsschmerzen oder Hexenschuss, schlimmer wird es dann mit Bandscheibenvorfällen. Als Hauptgrund für Rückenprobleme bei Drummern haben die Verantwortlichen bei Ahead die Stauchung der Wirbelsäule beim Sitzen auf konventionellen Drum-Stühlen identifiziert, das Weglassen der Polsterung in der Mitte soll der Wirbelsäule mehr Bewegungsspielraum verschaffen und dadurch schmerzfreies Spielen begünstigen. Lustige Kommentare sind der Konstruktion sicher, aber hilft das Konzept wirklich?a

Details & Praxis

Beim Unterteil greift Ahead auf Standardware zurück

Zwei Spinal Glide Testhocker hat uns der deutsche Ahead Vertrieb, Musik Wein, gesendet. Beim SPG-ARTB handelt es sich um ein Modell mit schwarzer, runder Sitzfläche, der SPG-R-3 besitzt eine klassische Sattelform mit rot abgesetzter Sitzfläche. Beide Hocker verfügen über identische Basisteile mit drei Beinen, ihre Sitzoberseiten sind mit Velours-Stoff bespannt. Optional bietet Ahead jedoch auch Versionen mit vierbeinigen Unterteilen an, zudem kann die Sattelform auch mit Rückenlehnen geordert werden. Wer bereits ein Sitzunterteil besitzt, kann die Sitzflächen sogar einzeln kaufen. Kommen wir jedoch zunächst zu den Unterteilen. Wer schon den einen oder anderen Hocker besessen hat, wird die Konstruktion grundsätzlich kennen, sie stammt aus dem bekannten taiwanesischen Hardware-Fundus, aus dem sich unzählige Hersteller bedienen. Ein verchromtes, doppelstrebiges Gestänge mit kräftigen Gummifüßen soll für eine gute Standfestigkeit sorgen, über eine Drehspindel wird die Sitzhöhe eingestellt. Gehalten wird diese von einer kräftigen Gussschelle, eine zusätzliche Memory-Klammer gibt es jedoch nicht. Allerdings sorgt eine weitere Flügelschraube unterhalb des Flansches für eine zusätzliche Fixierung der Spindel. Gut gefällt mir der Umstand, dass an potenziellen „Quietschpunkten“ Kunststoff-Fütterungen verbaut sind, denn nichts ist so nervig wie knarzende Hocker in delikaten Aufnahme- oder Live-Situationen. Kurios: In kleinen Details unterscheiden sich die – ansonsten offensichtlich identischen – Basisteile. So besitzt jenes des Sattelhockers im Bereich der Füße Metall- statt Plastik-Distanzscheiben, und bei der Spindelklemmung sind die Schraubenköpfe des runden Modells versenkt. Beide Hocker lassen sich in einem Höhenbereich von etwa 37 bis knapp 60 Zentimetern einstellen (gemessen vom Boden bis zur Unterseite des Sitzteils). Großflächige Metallflansche auf der Unterseite der Sitzfläche stellen den Kontakt zur Spindel her.  

Fotostrecke: 4 Bilder Ein alter Bekannter: Das Unterteil ist konventionell konstruiert.

Ein Spalt teilt die Sitzflächen in zwei unabhängige Hälften

Gab es beim Basisteil nichts wirklich Aufregendes zu berichten, sieht das bei den Sitzflächen schon anders aus. Sehen wir uns aber zunächst mal die Grundbauweise an, denn die unterscheidet sich kaum von bekannten Produkten. Bei beiden Modellen kommt eine mittelstarke und durchschnittlich feste Schaumstoff-Polsterung zum Einsatz, deren Flanke mit Kunststoff bespannt ist. Wie oben bereits erwähnt, hat sich Ahead bei den Oberseiten für einen Velours-ähnlichen Stoff entschieden, welcher im Falle des runden Modells in schwarz, bei der Sattelform in rot gehalten ist. Im Vergleich zu anderen Sitzen dieser Bauart fällt auf, dass die Bespannung die Holz-Basisplatte nicht mit einschließt, die „Weichteile“ liegen stattdessen auf der Platte. In beiden Polsterteilen ist jedoch noch eine weitere, eingeschlossene Holzplatte verbaut. Das liegt offenbar am Haupt-Feature der Spinal Glide Stühle, nämlich dem auffälligen Spalt, der die mittelstark gepolsterten Schaumstoff-Formteile mittig voneinander trennt und zu separaten Einheiten macht. Die Lücke ist ungefähr drei Zentimeter breit und soll dafür sorgen, dass sich das Steißbein beim Sitzen und Spielen freier bewegen kann. Laut Ahead ist das Zusammenstauchen der Wirbelsäule, hervorgerufen durch den Hockerkontakt, der Hauptgrund für Schmerzen bei längeren Spielphasen. Ganz neu ist die Idee der Aussparung allerdings nicht. Pearl’s D2000 Sitz besitzt im Bereich der Steißbeinauflage ebenfalls eine Vertiefung der Sitzfläche.

Fotostrecke: 5 Bilder Mitten durchs Herz: Hier seht ihr den Sattelhocker von oben.

Bevor ich euch meine Eindrücke mit den beiden Testkandidaten schildere, möchte ich kurz vorausschicken, dass ich selbst über keinerlei orthopädisches Fachwissen verfüge und somit auch keine abschließenden Erkenntnisse zum medizinischen Nutzen der Spinal Glide Hocker liefern kann. Es ist jedoch eine Tatsache, dass das Prinzip der geteilten Sitzfläche im Bürostuhl-Bereich schon lange verwendet wird. Dort wird es dann Steißbein- oder auch Bandscheibenentlastung genannt. Mit mäßig großen Erwartungen und jahrelanger Erfahrung mit hochpreisigen Hockern schwinge ich mich also auf den Sattelsitz und stelle zunächst einmal „nur“ fest, dass ich sehr bequem sitze. Im Vergleich zu meinem straff gepolsterten und außergewöhnlich standfesten K&M Gomezz wirkt der Ahead etwas labiler und ähnelt insgesamt eher meinem anderen Gestühl, einem Pork Pie (beide Sattelform). Das ist auch kein Wunder, denn der Pork Pie ist – mit Ausnahme des Spaltes – sehr ähnlich konstruiert.
Auch der Rundhocker gefällt mir gut, er besitzt jedoch einen kleinen Nachteil gegenüber der „gesattelten“ Variante. Aufgrund seiner Form gibt er dem Nutzer nämlich nicht vor, wo der Spalt verläuft. Man muss sich also sehr bewusst niederlassen, damit die Aussparung eben nicht schräg ausgerichtet ist und damit wirkungslos bleibt. Nun sitze ich sehr kommod auf beiden Hockern, die Frage ist aber ja, wie lange dieser Zustand auch bei ausgedehnten Sessions anhält. Nach einer Woche Testsitzen mit Einheiten bis zu drei Stunden mit kleinen Unterbrechungen würde ich behaupten, dass sich das Druckgefühl im Rücken mit diesen Hockern tatsächlich erst deutlich später einstellt als bei konventionell gebauten Modellen. Und es gibt noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Vorteil der geteilten Sitzflächen: die Luftzirkulation am Gesäß ist viel besser als bei der Konkurrenz. Auch die Unterteile schlagen sich durchaus wacker, wobei sie die üblichen kleinen Probleme aufweisen, die diese Bauweise fast immer mit sich bringt. Dazu gehört der Umstand, dass häufige Drehbewegungen irgendwann zum Lösen der Schrauben und damit zum Wackeln führen, auch die einmal eingestellte Höhe variiert dann. Dieses Verhalten ist jedoch fast allen Hockern zu beobachten, die nicht über eine Gasdruckfeder verfügen. Insgesamt stehen die Spinal Glides, ihrer Preisklasse angemessen, stabil.  

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