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Vienna Symphonic Library Special Edition Test

Praxis

Bedienung
Fügt man ein „Vienna Instrument“ in einen Instrumenten-Kanalzug ein, so erscheint zunächst ein unscheinbares kleines Fenster – das sogenannte Server-Interface. Erst durch einen Klick auf „Open Window“ gelangt man zum eigentlichen Plugin. Laut VSL-Support dient dies der Bereitstellung von zusätzlichem Speicher außerhalb der Host-Application. Schön und gut, aber dass man grundsätzlich zweimal klicken muss, um das Plugin-Fenster zu öffnen, kostet Zeit und fängt sofort an zu nerven. Außerdem benötigt das Plugin jeweils beim ersten Öffnen etwas Zeit, um die installierten Lizenzen zu scannen.

Server Interface
Server Interface

Optisch erinnert am Vienna Instrument nichts an ein Orchester. Auch die bei vielen anderen Software-Instrumenten zahlreich anzutreffenden virtuellen Drehregler, die einer präzisen Bedienung mit der Maus nie so recht folgen wollen, sucht man erfreulicherweise vergeblich. Die optimale Bedienbarkeit in der Rechnerumgebung hat hier klar den Vorrang vor optischen Gimmicks erhalten – für mich ein deutliches Plus. Der nüchterne Aufbau der Plugin-Oberfläche bedeutet allerdings auch, dass es ein enthemmtes Drauflos-Schrauben nicht gibt. Wir haben es mit einem präzisen Werkzeug zur Verwaltung einer mächtigen Sound-Library und nicht mit einem intuitiv bedienbaren Spielzeug zu tun. Daher müssen wir uns ein wenig mit der Materie beschäftigen, um das Optimum herauszuholen. Die Bedienstruktur des Vienna Instruments unterscheidet sich deutlich von den meisten anderen Sample-Playern und wirft beim Erstkontakt unter Umständen einige Fragen auf. Um nicht wie der Ochs vorm Berge zu stehen, sollte man sich daher zuerst mit der Logik der Bedienoberfläche vertraut machen.

Patches
Im VSL-Jargon ist der einzelne Basissound, also eine bestimmte Spielweise eines Instrumentes, ein „Patch“. Ein Patch kann vom User nicht verändert werden. In der Ansicht „Patch Assign“, die man über die entsprechende Schaltfläche im rechten oberen Bereich auswählt, lassen sich mehrere Patches in einer „Matrix“ zusammenfassen und auf verschiedene Arten miteinander kombinieren.

Matrix
In einer Matrix werden die einzelnen Patches horizontal und vertikal angeordnet. Das erscheint zunächst verwirrend, eröffnet aber sehr flexible Möglichkeiten zum Umschalten und Überblenden zwischen verschiedenen Artikulationen. Man legt also durch Ziehen mit der Maus die horizontale und vertikale Größe der Matrix fest und füllt dann die einzelnen Zellen per Drag & Drop mit Sounds aus der Patchliste. Jede Zelle einer Matrix kann dabei zwei verschiedene Patches enthalten, die zusammen gemischt oder per Cell Crossfade überblendet werden können. Im einfachsten Fall füllt man beispielsweise die Zellen 1A bis 8A mit den acht verschiedenen Spielweisen eines Streichensembles. Das ergibt dann eine eindimensionale, horizontale Matrix, innerhalb derer man zwischen den verschiedenen Artikulationen umschalten kann. Die wahre Schönheit der Matrix-Struktur offenbart sich jedoch erst, wenn man die zweite Dimension betritt. So kann man beispielsweise die Auswahl der Artikulationen gleichzeitig durch das Tempo und die Anschlagstärke beeinflussen. Durch die in der Special Edition relativ eingeschränkte Palette an verfügbaren Spielweisen lässt sich die ganze Vielfalt der Möglichkeiten leider nur erahnen, aber auch uns Anwendern der „Budget-Version“ tut sich hier schon eine große Spielwiese auf.

Fotostrecke: 3 Bilder Matrix Cell

Control Edit
Durch einen Klick auf den Button „Control Edit“ gelangt man zur Kontrollansicht, in der festgelegt wird, wie sich die einzelnen Zellen der Matrix zueinander verhalten. Patches lassen sich per Keyswitch, Anschlagstärke, MIDI-Controller oder Speed Control, mit der man zwischen Artikulationen anhand des gespielten Tempos wählt, umschalten.

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Speed Control

Mit den richtigen Einstellungen kann das Plugin dem User auf diese Weise viel Fummelei abnehmen. Allerdings muss man sich schon etwas mit der Materie beschäftigen, um wirklich überzeugende Ergebnisse zu bekommen. Letztendlich kann auch die beste Software nicht für den Musiker entscheiden, was wann wie gespielt werden soll, und man kommt um ein bisschen Feintuning nicht herum. In diesem Klangbeispiel erfolgt die Umschaltung zwischen Staccato- und Sforzato-Samples automatisch anhand des gespielten Tempos.

Perform
Die „Perform“-Ansicht dient der Steuerung, wie und auf welche Weise das Vienna Instrument während des Spielens in Echtzeit beeinflusst werden kann. So kann man hier unter anderem die MIDI-Controller für Velocity-Crossfade und Expression festlegen, um realistische Lautstärkeverläufe hinzubekommen. In Verbindung mit einem Crossfade zwischen zwei Artikulationen lässt sich so auch ein Crescendo bei gleichzeitig zunehmendem Tremolo realisieren.

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Zwei Crossfades

Es braucht ein bisschen Zeit und Experimentierfreudigkeit, um die ganze Macht dieser Tools zu begreifen und effektiv einsetzen zu können. Die mitgelieferten Presets sind aber ein guter Ausgangspunkt und helfen, die Bandbreite der Möglichkeiten zu erkennen. Wenn man das Prinzip einmal verinnerlicht hat, kann man sich für jede musikalische Situation ein intuitiv spielbares Programm basteln, das die verschiedenen Spielweisen der Instrumente auf eine musikalische Art und Weise miteinander kombiniert.

Ressourcenhunger
Der Ressourcenhunger des Vienna Instruments hält sich dabei erfreulich in Grenzen. Auch auf einem fünf Jahre alten Dual-2GHz-Powermac G5 habe ich problemlos etliche Instanzen der Software parallel betreiben können. Reichlich RAM – am besten so viel, wie möglich – sollte man aber schon im Rechner haben. Was mitunter etwas stört, ist die recht lange Ladezeit beim Öffnen von Projekten, die viele Vienna Instruments enthalten. Das liegt jedoch in der Natur der Sache und ist bei anderen Sample-Playern nicht anders.

Sound
Klanglich gilt die Vienna Symphonic Library schon seit einigen Jahren als das Maß aller Dinge, wenn es um Sample-Orchester geht. Und in der Tat lassen die Sounds wenig zu wünschen übrig. Mich haben die Streicher, dabei insbesondere die Chamber Strings und die Hörner am meisten überzeugt, aber auch mit den übrigen Blasinstrumenten kann man in einem Orchesterkontext sehr gut arbeiten. An dieser Stelle soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die Klänge naturgemäß eher in einem Klassik- oder Filmmusik-Kontext zuhause sind. Für Streicherteppiche in Pop-Produktionen eignen sich die VSL-Sounds zwar auch – allerdings kommt man hier auch mit anderen Libraries schon ziemlich weit. Die Wiener Sample-Fetischisten haben keine Mühe gescheut. Die Samples sind nahezu perfekt aufbereitet und von einer bemerkenswerten Kompatibilität zueinander. Bei fast allen anderen Sample-Libraries kam ich irgendwann an den Punkt, wo das eine irgendwie nicht so recht zum anderen passen wollte. Das ist mir bei der Special Edition noch nicht passiert – der Gesamtsound wirkt in der Regel schnell „aus einem Guss“. Nur in seltenen Fällen kommt es vor, dass Sounds sich nicht einfügen wollen oder sonstwie unerwartet verhalten. So sind zum Beispiel die Übergänge beim Velocity-Crossfade bei einigen Patches etwas abrupt geraten:

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Velo X-Fade

Solche Ungenauigkeiten bleiben aber die Ausnahme und lassen sich meist durch vorsichtiges Feintuning beheben.

Intervall Performances
Die sehr gut gelungenen Intervall-Performances sind eines der Highlights der VSL und für einen Großteil des mit der Special Edition erreichbaren Realismus verantwortlich. Mit den live gespielten Tonübergängen wird eines der Hauptprobleme beim Einsatz von Samples auf überzeugende Art und Weise gelöst. Um wirklich realistische Passagen zu erreichen, muss man zwar hier und da noch bei den Attack- und Releasezeiten eingreifen – dennoch bedeuten die Intervall-Performances einen Quantensprung. Im nachfolgenden Klangbeispiel hört ihr eine Passage von den Chamber Cellos – einmal legato, einmal portamento.

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Intervall Performance

Bei allem Lob für die Perfektion, mit der im Hause VSL vorgegangen wird, soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Vienna Instruments dem Benutzer nicht alles abnehmen können. Nach wie vor haben wir es mit Samples zu tun, die für sich genommen relativ statisch klingen. Ohne ein bisschen Kreativität und Detailkenntnis seitens des Anwenders erwachen sie nicht zum Leben. Glücklicherweise haben die VSL-Entwickler ihrer Software eine Menge Möglichkeiten und Hilfsmittel mitgegeben, die uns dabei unterstützen sollen. Wer sie nicht nutzt und einen perfekten Sound auf Knopfdruck erwartet, wird wahrscheinlich enttäuscht werden. Auch die in der Sample-Welt vorher unerreichte Detailtreue der VSL-Sounds kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich letztlich doch nur um genau dieses handelt: Samples.

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Chamber Strings Orchestra Strings Appassionata Strings Solo Cello Einige Bläsersounds

Bei diesen Klangbeispielen habe ich bewusst auf allzu kleinliches Feintuning verzichtet, um einen Eindruck zu vermitteln, welchen Sound man „out of the box“ erwarten kann. Lediglich das Umschalten zwischen verschiedenen Artikulationen, der Velocity-Crossfade und ein wenig Schieberei am Expression-Regler kamen zum Einsatz, dazu ein wenig Hall. Hier wird deutlich, dass es sich nur um einen kleinen Vorgeschmack handelt. In der Special Edition sind nur zwei Artikulationen und überhaupt keine Intervall-Performances der Appassionata-Strings enthalten, und das hört man …

Ich bin von der Qualität der Orchesterinstrumente sehr angetan. Wenn man sich mit den vielfältigen Steuerungsmöglichkeiten auseinandersetzt, erhält man einen Sound, der viele andere Orchester-Libraries in Sachen Klangqualität und Realismus weit hinter sich lässt. Allerdings stößt man auch relativ schnell an die Grenzen dessen, was mit den in der Special Edition enthaltenen Artikulationen machbar ist und wünscht sich des Öfteren, sich die vollständige Vienna Symphonic Library leisten zu können. Ihren Auftrag, ein bezahlbares Komplettpaket von hochwertigen Orchestersounds bereitzustellen, erfüllt die Special Edition dennoch ganz hervorragend.

Etwas anders verhält es sich bei einigen der „Gratisbeigaben“. Ich denke, diese sollen uns Appetit auf separat erhältliche Sound-Pakete machen. Da die Sounds zum Teil sehr statisch und eindimensional wirken, klappt das aber nur sehr eingeschränkt. Die Orgel ist noch ganz brauchbar:

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Orgel Flügel (abgespeckte Version)

Den Flügelsound – ein Teaser für den separat erhältlichen, aufwändig gesampleten Bösendorfer Imperial – kann man aber eigentlich niemandem zumuten. Die große Version des VSL-Flügels habe ich noch nicht getestet, muss aber gestehen, dass mir dieser doch sehr flache Klang auch nicht wirklich Lust auf mehr macht. Hier sind die VSL-Produzenten beim „Abspecken“ des Sounds für die Special Edition etwas übers Ziel hinaus geschossen.

Server Interface
Server Interface
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Profilbild von miller10

miller10 sagt:

#1 - 20.07.2012 um 04:01 Uhr

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Ich meine, dass der Streicherklang an sich sehr gut ist, problematisch nur, dass man in diesem Bundle für 600€ keine flüssigen Melodien programmieren kann, da der Attack sehr langsam ist und die Streicher kontinuierlich anschwellen. Wozu dieses unnatürliche Verhalten dienen soll ist mir in einem Basispaket nicht ganz klar und ein wenig ärgerlich ebenso. Kein Orchester der Welt spielt einen gehaltenen KLang automatisch mit crescendo.Die in den Foren vorgeschlagenen Varianten z.B.detache mit sustain zu mischen ist keine professionelle Lösung, klingt auch nicht...

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