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Schoeps VSR 5 U Test

Praxis

Die Gefahr hoher Erwartungen ist bekanntermaßen immer, dass diese nicht ganz erfüllt werden. Ich schalte mich daher trotz der Vorfreude in den Neutralitäts-Modus und nähere mich auf Zehenspitzen dem Schoeps VSR. Erst einmal einrichten…Die großen Gain-”Räder” sind ein Fest für meinen haptischen Sinn: griffig, ohne jegliches Spiel, mit nicht zu viel und nicht zu wenig Widerstand zu bewegen. Die akustische Rückmeldung fällt mit einem massiven “Klock” ebenfalls standesgemäß aus, ohne dabei zu übertreiben. Die Druckknöpfchen hingegen können da nicht ganz mithalten. Der Druckpunkt ist etwas uneindeutig, ich habe zu Beginn der Arbeit mit dem VSR sogar öfters einen Schalter versehentlich doppelt betätigt. Mir hatte das Feedback meiner Fingerspitzen und meiner Ohren gefehlt. Nun gut: Auch als Tontechniker hat man schließlich Augen, die Buttons senden brav ihre momentane Funktion leuchtend in die Außenwelt.

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Will man jetzt aber kleinlich sein, müsste man noch sagen, dass für den “Erstbediener” des Schoeps nicht immer deren Schaltzustand eindeutig ist. Polarity und Mute leuchten im ausgeschalteten Zustand schwach grün. Das mag zwar das Auffinden in dunkler Umgebung erleichtern (die Beschriftung selbst leuchtet aber nun leider nicht), hat aber den Nachteil, dass man hier falsch interpretieren könnte: Die Farbe der Hoffnung steht gemeinhin für “On”, was bei Mute schon seit den Urzeiten der Tontechnik zu Verwirrung führt (“Heißt ‘On’ jetzt nun ‘Signal’ oder ‘kein Signal’?”). Besagtes “Mute” wird bei Aktivität (also Signalsperre) rot, der Signalinvertierer leuchtet jedoch in stärkerem Grün, wenn er die Polarität wechselt. Die Phantomspeisung bietet schwaches Grün und kräftiges Orange für Off und On, die Filter jeweils schwaches und kräftiges Weiß. Na, verwirrt? Die Auto-Mute-Funktion beim Aktivieren und Deaktivieren der 48V-Speisung ist eine wirklich feine Sache, das muss ich zugeben. Daumen hoch! Ich bin jedoch oft geneigt, im gleichen Atemzug “Mute” zu schalten. Zwar verbleibt der Channel im Mute, wenn ich die Signalsperre während der Auto-Mute-Zeit aktiviere, doch umgekehrt geht es nicht. Ich muss also 2,5 Sekunden warten, um den zuvor gemuteten Kanal nach Mikrofon- oder Kapselwechsel wieder freizugeben. Das mag bei einem Kanal vernachlässigbar sein, doch in großen Setups hat man sicher gerne mal eine Wand voll mit diesen Preamps, dann könnte es nerven.
Ihr merkt schon, dass ich hier mit der verdammt dicken bonedo-Lupe und meinem Sherlock-Homes-Hut bewaffnet auf den Plan trete. Genauer: als Mischung zwischen dem englischen Meisterdetektiv aus der Baker Street und Polizisten-Neulingen (“Guten Tag, Verkehrskontrolle! Wir finden immer was!”). Anders als aufgrund eines nicht mehr versiegelten Päckchens im ansonsten vorschriftsmäßig gefüllten und “gewarteten” Verbandskasten möchte ich hier aber dennoch Schoeps und ihrem VSR aus diesem Kleinkram keinen Strick drehen. Auch über Netzschalter auf der Rückseite von Geräten etwa kann man geteilter Meinung sein. Immerhin kann man so den VSR im laufenden Betrieb nicht versehentlich ausschalten.

Sätze wie die folgenden werdet ihr in bonedo-Tests schon häufiger gelesen haben: “Doch kommen wir nun zum Wesentlichen, dem Sound!” oder “Jetzt wird´s spannend, Leute: Wie ist der Klangcharakter dieses tollen Gerätes?” Die Antwort darauf wäre bei diesem Test vielleicht erstmal enttäuschend. “Naja. Gar nicht. Klangcharakter? Hat er nicht!”

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Das Schoeps-Gerät ist schlicht und einfach ein ultralinearer Vorverstärker, der mit äußerst geringem Rauschen Signale in größtmöglicher Reinheit überträgt. Der enorme Frequenzgang hilft ihm dabei, vor allem schnelle Spannungsanstiege zu übertragen, ohne sie “abzuschmirgeln”. Zur Erinnerung: Einen richtigen 90°-Transienten wie bei Rechteckschwingungen aus dem Lehrbuch gibt es aufgrund der Trägheit sämtlicher Übertragungssysteme nur in der Theorie. Will man ein Rechteck additiv herstellen, wird das Dilemma klar: Man bräuchte eine unendliche Bandbreite, um durch immer höhere Sinus einen solchen Anstieg zusammenzufügen. Natürlich sorgen schon die Mechanik der Mikrofone, der Mikrofonverstärker und das Kabel für ordentlich Abfall im Ultraschallbereich, doch der Schoeps ist so aufgestellt, dass er das nicht noch weiter unterstützt. Der VSR ist dieser Unendlichkeit im Frequenzgang weitaus näher als viele andere Amps, dadurch mag er jedoch vielleicht demjenigen, der es anders gewohnt ist, etwas “spitz” erscheinen. Aber das soll nicht das Problem des Karlsruhers sein. Der Detailreichtum in den Höhen – gerade im Air-Band – ist wirklich erstaunlich, fast schon beängstigend. Bei Akustikgitarren hat man bei geeigneten Mikrofonen das Gefühl, jeder einzelnen Holzfaser der Decke beim Schwingen zusehen zu können – Schlagzeugbecken verraten mehr von ihrem vielschichtigen Charakter in den Höhen. Ich möchte jetzt nicht weiter in eine HiFi-Sprache verfallen, sondern euch schlicht und einfach die ersten Files vorspielen, die ich mit dem Schoeps aufgezeichnet habe. Bei diesen AB-Stereoaufnahmen kamen neben absolut hochwertigen Edelsystemen (Schoeps CMC6-Mikrofonverstärker und MK2-Kapseln) unter anderem auch nicht ganz so teure Druckempfänger zum Einsatz. Ich präsentiere einen leeren Raum mit folgenden Protagonisten: Zwei Fenster, eine sommerliche Regenfront, ein Propellerflugzeug in der Ferne, ein Fotoapparat und der Autor höchstselbst.

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Regen Flugzeug Fotoapparat

Der Regen fordert durch ständige, extreme Pegelsprünge die Arbeit des VSR besonders, trotzdem wird die Textur atemberaubend gut übertragen. Die Mechanik der Spiegelreflexkamera zeigt, wie unbeeindruckt das Schoeps-Gerät selbst enorme Spannungsanstiege verstärkt. Es wird deutlich, dass bei derartigen Setups die Qualität und Leitungslänge der verwendeten Kabel zu einem ernsten Thema wird! Der Herr Pilot in einem der Files trägt eindrucksvoll dazu bei, den Frequenzgang “nach unten” zu demonstrieren. Bei Druckempfänger-Kapseln und ausgeschalteten Filtern im VSR 5 U ist es nur noch der HPF im A/D-Wandler, der das analoge Signal vor seinem Übertritt in die digitale Domäne beschneidet. AB-Aufnahmen habe ich schon öfters gemacht, auch mit Schoeps-Mikros, aber zusammen mit diesem Amp…: Das macht richtig Spaß. Da aber durch diesen Vorverstärker in erster Linie Signale akustischer Instrumente gepumpt werden, habe ich ein hierfür hervorragend geeignetes Instrument hervorgekramt: das Vibraphon. Um die Files des Songs vergleichen zu können, habe ich (wo machbar) doppelt mikrofoniert und mit einem anderen Preamp bei ansonsten gleichem Setup aufgenommen. Es fällt auf, dass es vor allem im Präsenzbereich Unterschiede gibt. Nicht, dass die leichte Anhebung meines Vergleichsgeräts für das Endergebnis schlecht sein muss, aber Schoeps’ Amp arbeitet nun einmal wirklich linear.

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Song VSR Song Vergleichsamp AB-Vergleich Vibraphon VSR Vibraphon Vergleichsamp Drums VSR Drums Vergleichsamp

Im ersten File sind alle Files mit dem VSR vorverstärkt. Alle Signalquellen wurden mit identischen Mikrofonen doppelt mikrofoniert und mit einem Preamp der 1000-Euro-Klasse vorverstärkt (die Drums wurden stereo AB-mikrofoniert und deswegen mit dem anderen Amp in einem anderen Take aufgezeichnet). Das dritte File ist ein AB-Vergleich, bei 0:05 und 0:21 werden für ein paar Sekunden alle Signale auf den Vergleichsamp geschaltet. Die Drums sind ausschliesslich mit einem 70cm-AB aufgenommen.

Am Drumkit im Stereobetrieb zeigt sich wie bei den Atmos die extreme Tiefe und Detailabbildung des Preamps. Allerdings wird natürlich auch jede Ungenauigkeit bestraft. Selbst aus meterweiter Entfernung hört man die Dämpfungsringe auf den Trommeln flattern, bei einem anderen Amp war das weniger deutlich. Was die technischen Daten versprechen, hält der Neunzehnzöller auch: Das Rauschen, das man wahrnimmt, ist eher maßlos übertriebenem Headroom, Mikrofonen und Kabeln geschuldet. Die Verwendung unterschiedlicher Wandler belegt, wie wichtig bei einer hochwertigen Kette auch deren Qualität und Auflösung wird. Apropos Qualität: Es wird hier wohl niemand ernsthaft glauben, dass es hier etwas Negatives über die Arbeit der Hochpassfilter zu berichten gibt, oder?

Ich habe zu Testzwecken übrigens auch wiederholbare Files (Keyboard an Amp) mit dem gleichen Mikrofon und Kabel mit den beiden unterschiedlichen Kanälen des VSR aufgenommen. Das Ergebnis ist im Grunde witzlos, daher brauche ich es hier genauso wenig zu präsentieren, wie das der beiden parallelen Outputs aus einem Kanal: Es gibt einfach keinen wahrnehmbaren Unterschied. Die Hochfrequenzfilterung arbeitet ebenfalls perfekt: Mobiltelefon, DECT-Telefon, Neonröhre und Konsorten vermochten es nicht, irgendetwas Hörbares in den Signalweg des VSR einzuschleusen. Keine Chance!

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Ihr seht, so richtig viel zu berichten gibt es nicht über einen Preamp, der sich so durchsichtig macht, wie es die heutige Technik eben zulässt. Es gilt aber –im Grunde stellvertretend für andere, ähnlich cleane Vorverstärker – eine Grundsatzfrage zu klären: Natürlich kann man für knapp 3000 Taler auch fünf achtkanalige Preamps mit einer üppigen Ausstattung kaufen, doch wer einen wirklich außergewöhnlich cleanen Stereo-Vorverstärker sein Eigen nennen möchte, wird sich für eine derartige Qualität in diesem Preissegment umschauen müssen. Die auch im Bereich der U-Musik gerne verwendeten Clean-Amps wie jene von Avalon, Massenburg und Prism Sound sind auch nicht wirklich günstiger, somit kann man den Preis des VSR nicht als “esoterisch” abtun. Man muss allerdings immer wissen, ob einen ein wirklich so unfassbar linear arbeitender Mikrofon-Vorverstärker bei der Arbeit weiterbringt. Erst einmal kann ein derartiges System nur in einer entsprechenden Kette aus Raum, Instrument, Instrumentalist, Kabel, Wandler, DAW und nicht zuletzt Abhöre (damit man ausreichendes Feedback über das bekommt, was man da gerade tut) seine Vorzüge ausspielen. Und: Sicher habe ich mit einem sauber und schnell übertragenden Amp ideale Ausgangsvoraussetzungen, den Klang im Anschluss zu verändern, aber in vielen Musikrichtungen wird sowieso an den meisten Signalen gebogen und verändert, was das Zeug hält. Schlecht oder ungeeignet ist der Schoeps dennoch in keinem Fall, doch die besten und teuersten Reifen und Felgen machen aus einem Fiat noch keinen Maserati und aus einem Autoproll noch keinen professionellen Rennfahrer.

Mag man nach Musikrichtungen gehen, bleibt festzuhalten: Für Klassikaufnahmen ist Schoeps’ VSR schlicht und einfach der Amp. Für Jazz, World/Ethno, hochwertige Geräuschaufzeichnungen und dergleichen ist er ebenfalls ideal. Für die meisten anderen Anwendungen ist der VSR ein wirklich traumhafter Verstärker, dessen Anschaffung man aber natürlich gründlich abwägen sollte: Schließlich ist es viel Geld. Wer aber gute Mikros sowie einen tollen Raum hat und darin zum Beispiel vom Schlagzeug Ambient-Signale oder eine gute Akustik-Gitarre aufnehmen will, sollte sich auch aus einem anderen Grund sehr gut überlegen, ob er sich den Schoeps wirklich zum Test kommen lässt. Denn es ist Vorsicht geboten: Ich zum Beispiel will mein Testgerät nämlich eigentlich nicht wieder hergeben…

Im Kindesalter fiel es mir nie sonderlich schwer, Punkte für einen Wunschzettel zusammenzutragen. Der VSR macht es mir allerdings nicht leicht. Ich habe mich eingangs des Praxisteils ja schon im Detektiv-Kostüm daran versucht, Schwachstellen zu finden. Nun, in größeren Setups würde man sich möglicherweise eine Remote-Funktion zur Ermöglichung kurzer Wege mit dem Mikrofonsignal wünschen, auch ein zuschaltbares Peak-Hold wäre keine dumme Idee. Allerdings ist ja von Schoeps zu hören, dass man mit dem VSR 5 ganz bewusst einfach einen hervorragend arbeitenden Mikrofon-Vorverstärker mit den essentiellen Bedienelementen schaffen wollte. Und das ist gelungen, Chapeau!

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