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Propellerhead Rebirth ReBorn Test

Praxis

ReBirth ist kein vollständiges Sequencersystem mit einer Flut von Editierungsfunktionen, Audioaufnahme, Sample-Import und dergleichen. Das will es nicht sein und wollte es auch nie sein. Schließlich gibt es mit Reason und Record aus gleichem Haus auch Systeme, die dazu in der Lage sind, doch freilich (noch?) nicht für iOS.

Daher muss man bei ReBirth ReBorn auch mit einigen Einschränkungen leben, die nicht nur die Sound und Editierungen, sondern auch das Routing betreffen. Die Bassdrum einzeln komprimieren? Forget it! Allerdings erhält man eine funktionierende “all-in-a-box” Techno-Maschine, deren Sound im Regelfall schon sehr ausgewogen tariert wurden. Meine frühe Vorgehensweise, Phrasen zu erstellen und dann per Export in eine DAW zu verfrachten, kann auf dem iPhone nicht benutzt werden, denn Rendering ist generell nicht möglich. Das ist wirklich Käse! Docks mit digitalem Audio-Output oder vernünftige Streamer sind noch Mangelware, man wird also oft mit einem 3,5mm-Klinkenkabel arbeiten, um Audio auf ein anderes Medium zu transportieren. Der Tontechniker in mir schüttelt sich gerade gewaltig. Wo wir gerade bei der Konnektivität sind: Es ist ärgerlich, dass zwar MIDI-In- und Sync-LEDs im GUI vorhanden, jedoch ohne jegliche Funktion sind. ReBirth ReBorn wird also auf einer einsamen Insel wiedergeboren. Schade!

Bisher also der berühmte Satz mit “X”: “War wohl nix”. Aber noch ist der traditionell wichtigste Teil eines bonedo.de-Tests noch nicht über die Bühne gegangen. Richtig, es geht um Sound. Keine Frage: Die 303-Klone pusten in bekannter Manier fette Bässe in die Ohren, zwitschern bei höherer Resonanz und Filterhüllkurve in gewohnter Manier direkt ins Gehirn oder versprühen aggressiv ihr ätzendes Knarzen: Aciiiid! Das 303-Remake ist nicht umsonst der Gründungspfahl von Propellerheads Daseinsberechtigung. Geil. Immer noch. Nach 13 Jahren (beziehungsweise beim Original seit 28)! Sounds, die fast jeder kennt, können einfach was reißen, das gilt auch für die Drummies. Dass die Welt auch ohne 808 und 909 heute eine andere wäre, muss kaum wiederholt werden. Wichtig ist die Umsetzung, und die hat es in sich: Manchmal ein wenig sehr grainy, erzeugen die virtuellen Maschinen in fast jeder Einstellung den gleichen Druck, den man von den Hardware-Originalen gewohnt ist. Originale, Wiedergeburten und wiedergeborene Wiedergeburten sind klanglich allesamt klasse. Aus heutiger Sicht etwas lasch hingegen sind die Effekte. Die Distortion etwa lasse ich lieber ausgeschaltet, den Kompressor kann ich eigentlich gar nicht ernst nehmen. Die genrespezifischen Mods kommen mit wirklich passenden Sounds daher, vor allem Trancer können mit “Orbit 2.0” ihre wahre Freude haben. Die Samples der “Metallicon”-Mod hingegen klingen etwas altfränkisch. “RB-SEMx” sei in jedem Fall empfohlen, die analoge Percussion ist wirklich spitze. Den Vogel schießt jedoch die “Sid Station Mod 2.0” ab. Die sowieso grandiosen FM-Percussions sind hervorragend umgesetzt, bleiben aber flexibel genug, um nicht nur Computerspiele à la “Giana Sisters” und “Space Taxi” zu untermalen. Das macht Spaß!

Audio Samples
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Original Orbit-Mod Sid-Mod

Klanglich superb, Nachteile bei der Verbindung mit der Außenwelt: Wie kann es also sein, dass ReBirth ReBorn nicht mehr als nur 2,5 Punkte abstaubt? Ich will versuchen, euch die Antwort zu geben, ohne in die Fäkalsprache abzugleiten, die meinem Mund bei der Bedienung der App entfleucht ist. Um genau zu sein: beim Versuch der Bedienung. Denn das User-Interface ist zwei Sachen gleichzeitig – eine Zumutung und eine Frechheit!

microscope
A full-size microscope, for use in education, research or medicine.

Das GUI sieht zwar wirklich nett aus, doch ist es sehr anstrengend zu bedienen. Im ungezoomten Zustand ist so gut wie unmöglich, mit den Fingerspitzen den gewünschten Parameter wirklich zu erwischen – allzu oft langt man daneben. So habe ich beim Programmieren von Drum-Patterns oftmals statt den Selektionsbutton eines Samples anzuwählen einen in der Nähe liegenden Regler bewegt, Tune zum Beispiel. Naja, kann ja mal passieren. Doch oh Schreck: Eine Undo-Funktion gibt es gar nicht! Also muss man für alles, was man macht, weit hinein zoomen. Dadurch verliert man aber vor allem bei zwei identischen 303 den Überblick. Zumindest die Aufteilung in verschiedene Tabs (303 a, 303 b, Drummachines a und b, Mastersection, Header) wäre notwendig, um die Situation zu entzerren. Den Wechsel zwischen diesen könnte man meinetwegen mit Zweifinger-Wischen erzeugen, um nicht aus Versehen Parameter zu ändern. Nach den ersten beiden Stunden mit der Wiederwiedergeburt taten mir meine rechte Hand, meine Augen und mein Gehirn weh. Es gibt einen Haufen Audio-Applikation da draußen, die eine einfachere Bedienung zulassen, die “Techno Box” wäre eine davon. Wer bei den Schweden diese Portierung einer wirklich hervorragenden (ja sogar identitätsstiftenden!) Software auf das iOS zu verantworten hat, hat dem Unternehmen keinen Gefallen getan und sollte sich im stillen Kämmerlein einfach mal schämen. Ebenfalls schämen sollten sich die Strategen, die entschieden haben, für das Progrämmchen Geld nehmen zu wollen: Als kostenlose Version hätte man höchstens den Begriff “Zeitverschwendung” ins Spiel bringen können, doch der Download der App kostet immerhin gut fünf Euro! Zur Info: Nach dem Aufkommen von Reason war der Download von ReBirth umsonst!

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YaKa sagt:

#1 - 13.02.2023 um 13:05 Uhr

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Das waren noch zeiten, als ich (nicht Musiker und nicht Ton-Techniker) Stundenlang am 486er mit Rebirth gesessen habe, um halbwegs etwas cooles rauszuholen. Für mich als nicht Musiker war die Bedienung OK.

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