Pioneer DJ Interface 2 Test

Praxis

Wer bereits rekordbox 4 als Vorbereitungsprogramm auf dem Rechner nutzt, aktiviert die Lizenzen für rekordbox dj und rekordbox dvs über die Preferences. Wird das Interface 2 zum ersten Mal angeschlossen, begleitet die Software den User durch die Installationsprozedur des Treibers. Ist alles installiert, kann es auch schon losgehen. Wichtig: Die DVS-Funktionalität muss in den Preferences angewählt sein und die Decks müssen sich im „Absolute-“ oder „Relative“-Modus befinden, um auf den schrillen Daten-Pfeifton der Kontrollvinylscheiben zu reagieren. Im Menü wird die Kalibrierung des Kontrollsignals überprüft und bei Bedarf neu ausgelöst.

Fotostrecke: 3 Bilder Über Preferences werden rekordbox dj und rekordbox dvs aktiviert. Die Lizenzcodes sind im Interface 2 Paket enthalten.

Vinyls

Die Schallplatten weisen auf Seite A 10 Minuten und auf Seite B 15 Minuten Laufzeit bei jeweils 33 RPM auf. Ich habe mal spaßeshalber ein Traktor Scratch Vinyl (Mk1 und Mk2) aufgelegt. Diese sind nicht kompatibel, funktionieren aber trotzdem. Allerdings spielt rekordbox dvs das Musikstück dann mit doppelter Geschwindigkeit ab. Als reine Soundkarte funktioniert das Interface 2 natürlich auch mit Traktor, aber DVS-Funktionalität ist nicht möglich. Auch für Serato kann das Interface 2 nicht genutzt werden.
Das Interface 2 lässt sich zwar permanent zwischen Plattenspielern und Mixer installieren, allerdings sollte es sich dabei im Thru-Modus befindet, damit auch „richtige“ Vinyl-Schallplatten durchgeschleift werden. Dies muss man vorher in der „Interface 2 Setting Utility“ einstellen. Ist die Hardware nicht mit einem Computer verbunden, darf auch ein USB-Ladestecker als Stromversorgung dienen. Für den DVS-Betrieb muss die Setting Utility beider Decks aber unbedingt auf „USB“ eingestellt sein.

Abspielmodi

Der Absolute-Mode lässt schnell vergessen, dass wir es hier lediglich mit einer Simulation zu tun haben. Hier entspricht die Nadelposition auf der Schallplatte exakt der Position des Tracks in rekordbox. Per Needle Drop an beliebiger Stelle kann man schnell in verschiedene Passagen der Musik reinhören, scratchen und cuen. Das ist fast wie traditionelles Spinnen mit echtem Vinyl, sehr direkt und ohne viel Schnick-Schnack.
Der Relative-Mode kontrolliert die Geschwindigkeit des Musik-Files vom Control-Vinyl, hier ist die Position der Nadel egal, aber rekordbox dvs reagiert auf Tempoänderungen wie Pitchen und Scratchen und lässt auch Aktionen wie Loops, Hotcues und Beatjumps zu, die den zeitlichen Ablauf des Tracks verändern. Im Internal-Mode haben die Control-Vinyls keinen Einfluss, das Starten, Pitchen und Stoppen des Tracks erfolgt via Maus im GUI oder über einen MIDI-Controller. Im Thru-Modus wird das Phono-Signal durchgeschleift, damit DJ auch normale Vinyl-Schallplatten auflegen und mixen kann. Achtung, nicht zu verwechseln mit dem Thru-Modus der Setting-Utility.

Fotostrecke: 2 Bilder Die vier Abpielmodi müssen via Maus oder MIDI-Controller angewählt werden

Digitalisieren

Pioneer empfiehlt sein Soundkarte auch zur Digitalisierung der Plattensammlung. Aber als universelles Audiointerface z.B. für Ableton Live taugt es nur als Notlösung, obwohl es mit 24 Bit arbeitet und die Sampleraten 44,1 kHz, 48 kHz und 96 kHz unterstützt. Hardwareseitig fehlen Kopfhöreranschluss, Lautstärkepotis und Gain-Regler. Gerade letzteren vermisst man bei Aufnahmen schmerzlich. Beim Digitalisieren einer 12-Inch (ein Track auf 45 RPM, also guter Druck auf der Rille) fiel mir bei der Aufnahme in Ableton auf, dass da noch gut Headroom nach oben ist.
Da der Turntable direkt am Interface 2 angeschlossen war, wurde das Signal ohne weitere Gain-Anhebung direkt in Ableton aufgenommen, mit Spitzentransienten unter -6,88 dB. Eine andere Aufnahme einer 10-Inch bei 33 RPM war mit -9,16 dB noch schlechter ausgesteuert. Die gleiche Aufnahme direkt in rekordbox gelang lauter, da rekordbox einen Level-Regler anbietet. Außerdem muss man bei der Nutzung als Produktionsinterface beachten, dass in der „Interface 2 Setting Utility“ das Output-Routing auf „USB“ und nicht auf „THRU“ eingestellt ist.

Is’ mir egal: Ständiges Kabel anstecken und abziehen erträgt das Interface 2 mit stoischer Ruhe
Is’ mir egal: Ständiges Kabel anstecken und abziehen erträgt das Interface 2 mit stoischer Ruhe

Was stört?

Im Gegensatz zu den Traktor Audio DJ-Soundkarten mit Kabelpeitsche kann DJ nicht Phono- und Line-Signal separat aus dem Interface 2 herausführen und an einem gemeinsamen Mischpult-Kanal anschließen, um dann bequem am Mixer zwischen Vinyl- und Computersignal hin- und herzuschalten. Stattdessen geht es aus dem Interface 2 grundsätzlich mit Line-Signal raus und möchte DJ mal eine echte Schallplatte spielen, muss er in den Thru-Betrieb umschalten. Ebenfalls anders als bei Traktor Scratch schaltet rekordbox dvs bei Eingriffen in den Zeitablauf des Tracks im Absolute-Mode nicht automatisch auf Relative um. Möchte DJ Loops oder Beatjumps nutzen, muss er den Betriebsmodus manuell wechseln. Wer folglich nur im absoluten Modus arbeiten möchte, kann sicher sein, dass er diesen immer beibehält und nicht durch einen versehentlich ausgelösten Loop seine Nadelposition verlässt. DJ like it’s Vinyl – gerade für Scratch-DJs sehr wichtig!
Auch zu beachten: Wenn das Control-Vinyl im absoluten Modus seine maximale Spieldauer erreicht hat (Seite A = 10 Minuten), schaltet rekordbox automatisch um, jedoch nicht in den praxisnahen „Relative Mode“ wie Traktor, sondern in den Internal-Mode, der völlig unabhängig vom Control-Vinyl funktioniert. DJs, die keine Tracks mit Überlänge spielen, werden das unter Umständen aber niemals bemerken. Wer während des Gigs nicht mit der Maus in der GUI herumfummeln will, sollte sich die einzelnen Abspielmodi flott auf einen MIDI-Controller mappen. (Wie das geht, erfahrt ihr in diesem Crashkurs) Mappings mit komplett belegten Controllern wie dem Pioneer DDJ-SP1 bringen das Problem mit sich, dass man gegebenenfalls erst andere Verknüpfungen entfernen muss, um eine neue Zuweisung festlegen zu können. Natürlich kann DJ auch einen weiteren Controller dafür anschließen, muss dann bei Laptops mit nur zwei USB-Ports aber einen Hub einplanen. Also, hier könnte Pioneer noch nachbessern.

rekordbox dvs

Es ist erstaunlich, wie gut sich rekordbox dvs anfühlt. Galt Serato vor ein paar Jahren noch als das DVS-System für DJs, die nicht viel mappen, sondern „einfach nur auflegen“ wollen, so hat sich Pioneer dort sehr viel abgeschaut. Es funktioniert nach wenigen Einstellungen „out of the box“ und mit einem Add-On-Controller wie dem Pioneer DDJ-SP1 zur Steuerung von Effekten und Hotcues dazu ist man eigentlich schon komplett ausgerüstet. Ursprünglich wurde der DDJ-SP1 übrigens zur Steuerung von Serato entwickelt. Die Wellenformen-Ansichten lassen sich für zwei oder vier Decks horizontal oder vertikal einstellen, letzteres erinnert dann auch sehr an Serato. Besser gefällt mir jedoch die Horizontal-Anordnung. Hier laufen die Tracks parallel über den Bildschirm und DJ kann schon fast optisch mixen, so ist schön präzise zu sehen, ob die Beats matchen oder nicht. Hotcues können im absoluten Modus gesetzt, aber nicht abgerufen werden. Immerhin praktisch als Track-Preparation und Positionsmarker. Um sie trotzdem aktiv zu nutzen, muss DJ, während die Platte läuft, auf den Relative-Modus umschalten. Das geht ohne Ruckeln vonstatten. Gleiches gilt wie schon beschrieben auch für andere Aktionen, die die Zeitachse beeinflussen wie Loops, Slicer Mode und Beatjump Mode.

Fotostrecke: 5 Bilder Super übersichtlich: rekordbox dvs in der „2track horizontal“ Ansicht

In Sync

Der Sync-Button funktioniert in allen drei Modi etwas unterschiedlich. Obwohl er sich auf dem DDJ-SP1 beispielsweise einschalten lässt, taucht er im GUI im absoluten Modus gar nicht erst auf. Klar, hier ist die absolute Nadelposition gefragt. Kollegen der alten Mixing-Schule werden das begrüßen. Im Internal-Modus dagegen nagelt der Beatsync die Rhythmen regelrecht aufeinander, auch wenn der Sync-Master-Track im absoluten Modus läuft, folgt der gesyncte Track klaglos – vorausgesetzt, der Grid bei beiden Tracks sitzt tight. Das geht auch bei extremen Pitchfader-Veränderungen bis hin zum beliebten „Austrudelnlassen“ per Power-off am Plattenspieler – der gesyncte Track folgt im Internal-Mode dem Mastertempo. Ist das Taktraster unsauber, haben wir es womöglich gar mit handgemachter Musik ohne präzises Computertempo zu tun oder möchte DJ einfach mal wieder selbst Hand an die Platte legen (was im Internal-Modus ja nicht geht), kommt der Relative-Mode gerade recht. Hier sorgt Temposync dafür, dass die BPM-Geschwindigkeit des gesyncten Tracks identisch zum Master-Track ist. Natürlich laufen beide Stücke schon allein aufgrund der Gleichlaufschwankungen eines Plattenspielers irgendwann leicht auseinander, aber die Geschwindigkeit bleibt gleich und DJ kann per Hand nachjustieren, ohne den Pitchfader zu bemühen.
Wird der Pitchfader des gesyncten Decks trotzdem bewegt, verändert sich die relative Geschwindigkeit des Decks auch bei aktiviertem Sync, aber der kleine Ausreißer kann per Re-Sync schnell wieder eingefangen werden: Sync kurz aus- und anschalten und das Tempo stimmt wieder, egal wie der physikalische Pitchfader des Plattenspielers eingestellt ist. Die Nadelposition ist dann aber natürlich eine andere, die Track-Geschwindigkeiten zwar synchron, aber nicht unbedingt auf dem Beat. Entweder dreht DJ den Track per Vinyl wieder ins Lot oder aktiviert bei eingeschaltetem Sync den Internal-Mode. Und schwupps laufen beide Tracks wieder richtig tight. Sehr praktisch, wenn mal der Mix komplett aus dem Ruder läuft. In den folgenden Audiobeispielen führe ich einige Spezialitäten des Sync-Mode vor. Dabei ist das linke Deck hart nach links gepanned, das rechte nach rechts. Im ersten Beispiel starte ich auf Deck 1 im absoluten Mode mit meinem Remix von Henning Richters Track „Animal“ und scratche nach vier Takten ebenfalls im gleichen Modus auf Deck 2 das gleiche File ein. Wenn beide synchron laufen, aktiviere ich Temposync im Relative-Mode und lasse fortan die Finger von den Decks und dem Mixer. Bis zu sechs Minuten laufen beide Tracks schön parallel, dann laufen sie etwas auseinander, aber alles im grünen Bereich. Im zweiten Beispiel liegt links wieder mein Remix an, rechts hingegen das Original des Tracks. Wieder starte ich im Absolute-Mode und wechsle dann auf relativ mit aktiviertem Temposync. Erneut laufen beide Tracks ohne jegliches Zutun meinerseits schön lange parallel. Herrje, man muss diesen Temposync doch aus der Ruhe bringen können!
Gedacht, getan: Im dritten Beispiel starte ich wieder mit zwei identischen Tracks im Absolute-Mode, switche wieder in den tempogesyncten Relative-Mode, verändere dann aber bei Deck B mehrmals das Tempo mit dem Pitchfader. Hui, wie das plötzlich schön holpert! Nach etwa zwei Takten rhythmischer Unordnung aktiviere ich dann den beatgesyncten Internal-Mode und zack sitzt der Beat wieder tight. Verändere ich hingegen den Pitch am Fader des Mastertracks, folgt der gesyncte Track brav, wie bei 2:10 Minuten schön zu hören ist. Ab 2:50 Minuten schalte ich dann den Schallplattenspieler aus, Deck 1 wird immer langsamer bis zum Stillstand und auch hier folgt Deck 2 mit Temposync brav. Dann ein interessanter Effekt: Deck 1 ist stehengeblieben, Deck 2 übernimmt automatisch als Tempomaster, denn die Platte auf Deck B dreht sich ja nach wie vor mit normaler Geschwindigkeit weiter. Aber da Deck 2 quasi bei null BPM übernimmt, schleicht die Musik in Slow-Motion. Sobald Deck 1 wieder als Tempomaster akzeptiert ist, groovt auch Deck 2 wieder los. Wilde Scratches auf dem einen Deck bringen das andere nicht aus der Ruhe. Wird das Mastertempo-Deck gescratcht, übernimmt automatisch das andere Deck als Master. Das klappt toll!

Audio Samples
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Relative Mode und Temposync mit gleichen Tracks Relative Mode und Temposync mit verschiedenen Tracks Geschwindigkeitsspielereien

Preisgestaltung

Die Vorbereitungssoftware rekordbox ist bekanntlich kostenlos. Das Add-On rekordbox dj kostet im Pioneer Download Shop 139,- Euro inkl. MwSt. Für rekordbox dvs muss DJ dann noch mal 109,- Euro inkl. MwSt. drauflegen. Dann noch die beiden Control-Vinyls für je 15,- Euro und diverse Kabel. Da kommen schnell fast 300,- Euro zusammen. Und genau soviel kostet das Interface 2 mitsamt Zubehör. Der Käufer bekommt das Interface selbst also quasi „on top“. Wenn man sich für rekordbox dvs interessiert, ist das Interface 2 Paket ein No-Brainer.

Blick in die Zukunft

Die rekordbox 5.0 Public Beta ist seit dem 7. Juli verfügbar und bietet einen Ausblick auf ein durchaus spektakuläres Update, das viel aufholt, was Traktor seit Jahren voraus hat (z.B. Key-Pitching), aber auch Neues bringt, was User anderer DJ-Software durchaus neidisch machen könnte.
Neben Verbesserungen wie leicht überarbeitetem, frischerem Look, 16 statt nur acht Hotcues und Pad FX, einem neuen Beat Loop Mode, Quantisierung für jede Funktion, optionale Nichtquantisierung für Hotcues und Support für den Battlemixer Pioneer DJM-S9 gibt es auch Spektakuläres: Mit rekordbox 5.0 lassen sich auch Tracks mit halber oder doppelter Geschwindigkeit zum Mastertrack syncen, wichtig für DJs, die gerne zwischen Genres wie Hip Hop oder Drum’n’Bass hin- und herwechseln. Noch interessanter klingen die tonhöhenbezogenen neuen Features wie Key Shift zum Verstellen der Tonhöhe und sogar Key Sync, wodurch zwei Tracks ähnlich wie bei Beat Sync in der Tonhöhe angeglichen werden sollen.
Außerdem gibt es einen neuen Keyboard-Modus, mit dem DJ fixe Tonhöhen via Soft-oder Hardware-Pads wie mit einem Keyboard spielen kann. Und endlich kann rekordbox 5.0 auch auf USB-Sticks mit Playlisten zugreifen. Das ist interessant, denn dadurch kann DJ auf seinen rekordbox USB-Stick über den Laptop eines anderen DJs zugreifen. Gut für B2B-Sets. Auch könnte ein Club ein rekordbox DVS-Setup inklusive Computer und ohne aufgespielte Musikdateien fest installieren und DJ käme dann nur mit seinem USB-Stick und Control Vinyl zum Gig. Ach ja, Kopfhörer nicht vergessen!

Utopische Gedankenspiele?

Und hier noch ein zugegebenermaßen kühner Blick in die Zukunft: Pioneer verfügt jetzt über alle Komponenten, um aus dem firmeneigenen Baukasten ein komplettes standalone DVS-System zu bauen. Stellt euch einen Controller à la DDJ-SP1 mit einem Display à la XDJ-RX oder gar Touchscreen à la XDJ-1000 MK2 vor, der per rekordbox USB-Stick mit Musik befüttert wird und über einen DJ Pro Link LAN-Anschluss und ein internes oder externes Interface 2 verfügt. Dann könnten auch DVS-DJs ganz ohne Laptop performen. Pure Utopie? Die Zukunft wird es zeigen.

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MP sagt:

#1 - 04.07.2018 um 09:19 Uhr

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Hi,Just to add a comment to this review, the Interface 2 has either bad phono preamps or A/D converters. The sound output when used in thru mode is just horrible: unclear mids and cutted highs. The sound is not crisp and the analog vinyl sounds like a magnetic tape.Because of this issue my recently purchased Interface 2 was returned.

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