Pioneer DJ DJM-S11 Test

Praxis

Voreinstellungen

Für meinen Testlauf des Flaggschiffs hole ich folgendes Equipment ins Boot: zwei Technics SL-1210 M5G inklusive Ortofon Concorde Digital, zwei Rane Twelve MKII, ein Sennheiser HD-25 und ein Shure SM58. Das Master-Signal spiele ich über zwei an die XLR-Ausgänge angeschlossene Genelec Aktiv-Monitore aus.
Serato DJ Pro auf die neueste Version aktualisiert, dazu Mixer-Treiber installiert und die Software gestartet, wird der DJM-S11 direkt erkannt. In den Setting Utilitys, im Serato DJ Pro-Setup über den Tab „Audio“ und durch Anklicken von „Customs“ aufzurufen, öffnen sich zwei Registerkarten für die Kanal-Zuweisung der In- und Outputs. Interessanter finde ich hingegen den Reiter „FX Bank“, in der 22 On-Board-Effekte (wie Echo, Duck Echo, Echo Out, Helix, Spiral, One Shot- und Vinyl Brake und vier Fader-Effekte) den sechs vorbelegten FX-Tastern zugewiesen werden können. Obendrein stelle ich diverse Parameter ein, sperre sie mit entsprechend gesetzten Haken. Auch die bereits beim DJM-S9 eingesetzte und beliebte Smoothing-Funktion hält Einzug. Der Filter-Knob agiert wahlweise als Noise, Pitch, Dub Echo und Wide Filter, deren Resonanz ebenfalls einstellbar ist. Wer ständig auf andere Effekte schnell zugreifen möchte, der speichert die gewählten mit ihren Einstellungen in den vier Bänken A bis D.
Auch den Preferences sollte man Aufmerksamkeit schenken: In den „Loop Options“ definiere ich die voreingestellte Länge der Auto-Loops, von Haus aus ist es ein Takt, sprich vier Beats. Wer Faderstart für die Decks mag, der setzt seinen Haken. Für Scratch-DJs dürfte besonders die bis zu 0,1 mm verkürzbare Cut-in-Länge interessant sein, die in Minimaleinstellung nur 0,1 mm beträgt. Selbst durch den Crossfader hervorgerufene Lautstärkeschwankungen können um eine gewisse einstellbare Zeitdauer gedämpft werden.
Zu guter Letzt sollte man den DVS-Steuertonsignalpegel reduzieren, sofern Cuepoints zwischen Platte und Software beim Scratchen driften.  
Wer als Windows-User den Datentransfer-Puffer und damit die Latenz seiner Rechnerleistung anpassen möchte, bitte die ASIO-Registerkarte aufschlagen. Die meisten dieser Einstellungen können auch schneller und während der Performance on the fly über das Display vorgenommen werden.

Fotostrecke: 2 Bilder On-Board-Effekte können zugewiesen werden

Verarbeitung und Haptik

Der DJM-S11 präsentiert sich generell sehr hochwertig. Die Alu-Faceplate wurde laut Herstellerangaben im Bereich des Crossfaders härter beschichtet, um auftretende Kratzspuren durch sehr schnelle Cuts zu verringern. Inwiefern der Lack den Cut-Salven tatsächlich standhält, werden wohl erst die in den nächsten Wochen bei YouTube hochgeladenen, mit dem DJM-S11 praktizierten Hardcore-Routines der Turntablisten zeigen.
Die Tasten schätze ich als solide mit einem schnellen Reaktionsvermögen ein. Die Regler sind sehr angenehm gedämpft, rasten spürbar in der 12-Uhr-Position ein. Die großen, gummierten und damit äußerst griffigen Kappen heben sich dank der weißen Markierung vom dunklen Finish gut ab.
Die angewachsene Länge zahlt sich in der großzügigen vertikalen Anordnung der Knobs ab. Sie bieten sehr viel Spielraum selbst bei dicken Fingern, da stößt man bei heftigen Schraubmanövern beim Nachbar-Knob nicht an.        

Klang

Pioneer DJ spendiert dem DJM-S11 die vom DJM-900NXS2 hochgepriesene Sound-Engine, bestehend aus einem DSP mit 64 Bit Mix- und Dithering-Verarbeitung samt 32 Bit-D/A-Wandler. Damit rangiert er momentan zu einem der bestklingenden Battle-Mixer, begründet in einem sehr rauscharmen, kristallklaren und drückenden Sound. Drehe ich beide Line-Kanäle ohne Zuspielung eines Signals samt Gain und Master auf Anschlag, ist kein Grundrauschen zu vernehmen. EQs und Filter reagieren beim kleinsten Dreh, wobei ich besonders das Filter lobe, das linear und smooth auf das Signal greift.
Auch mein Shure SM-58 gibt am DJM-S11 eine hervorragende Figur ab, nicht zuletzt dank getrennter Klangregelung für Bass und Höhen. Mit dem zugeteilten Echo klingt dessen Signal je nach eingestellter Intensität und Beatlänge, nur über das Bildschirmmenü einstellbar, weniger trocken, wobei ein Reverb meiner Meinung nach effektiver wäre. Besonderes Lob kassiert die Talkover-Funktion, nicht nur für ihre sehr kurze Reaktionszeit fast ohne Verzögerung, sondern auch für die unterschiedlichen Dämpfungspegel und den Advanced Modus, der das Hintergrundsignal per HP-Filter drosselt. Der Kopfhörerausgang klingt mit meinem Sennheiser HD-25 ebenfalls lautstark und sehr homogen.

Audio Samples
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Pioneer DJM-S11 Mikrofon

Fader

Zu den Kaufargumenten des DJM-S11 zählt erneut der verschleißfreie Magvel Crossfader Pro mit seinem am Frontpanel einstellbaren Gleitwiderstand und den je nach Härtegrad (weich, mittel, hart) entsprechend zurückfedernden und auswechselbaren Crossfader-Kissen, die sich unter der Deckplatte verstecken. Außerdem erhöhte Pioneer DJ die vertikale Steifigkeit des Crossfaders um 30 %. Der Fader rutscht sehr leicht und geschmeidig über die Fader-Bahn, wobei im direkten Vergleich zum DJM-S9 dessen Crossfader noch etwas leichter flutscht. Mit dem bereits erwähnten ultrakurz, allerdings für beide Seiten nicht getrennt einstellbaren Cut-in schießen definitiv die schnellsten und schärfsten Cuts aus dem Crossfader.
Die Linefader kommen allerdings nicht in den Genuss verschleißfreier Technik. Von ihrem leicht gedämpften und damit geschmeidigen Gleitwiderstand profitieren smoothe Blenden. Auch schnellere Upfader-Cuts gelingen. Letztlich bleibt die Frage offen, wie viele Zyklen sie durchhalten.

Perfomance-Pads

Die Performance-Pads punkten durch ihre neue Größe, denn so finden auch zwei Finger genügend Platz zum Triggern. Die gummierten Flächen reagieren sensibel und geben beim Anschlag nicht nach, wodurch sehr schnelles Finger-Drumming völlig latenzfrei gelingt. Dank der farbtreuen RGB-Darstellung erkennt man sehr gut auch ähnliche Farben wie Gelb und Orange. Zwar wurde auch die Helligkeit verbessert und ist nun in drei Stufen individuell anpassbar, dennoch kann sie sich gegen Sonnenlicht vermutlich nur spärlich durchsetzen.
Die 16 Pads unterliegen in drei Ebenen 12 verschiedenen Pad-Modi plus Benutzerebene zum individuellen Mappen von MIDI-Funktionen. Der Combo-Pad-Mode erlaubt dazu eine duale Nutzung zweier Modi in einem Deck. Befinde ich mich beispielweise mit Deck A im Hotcue-Modus und drücke dessen Taste gleichzeitig mit der des Samplers, wird die zweite Reihe der Hotcues gegen die erste Reihe des Samplers getauscht. 
Ein weiteres Highlight: die neue Scratch Bank, die exklusiv in Serato DJ Pro momentan nur in Verbindung mit dem Mixer neben dem Sampler als Button der Toolbar Einzug hält. Damit parkt ihr in acht Slots pro Bank, von denen es vier gibt, jeweils ein Soundfile mit wählbaren Startpunkt, aktivierbaren Keylock und Repeat, um es durch Triggern des jeweiligen Pads sehr schnell in das jeweilige Deck zu laden. Sehr hilfreich, nicht nur zum Scratchen verschiedener Soundfiles on the run, sondern auch für noch schnellere Track-Wechsel im Mix. Selbst Tracks aus den Slots instant und beatgenau in das laufende Deck zu schießen, funktioniert, sofern der Cuepoint als Startpunkt exakt dem Downbeat entspricht.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Perfomance-Pads sind zum DJM-S9 deutlich gewachsen

Display

Generell bescheinige ich dem Touch-Display eine sehr durchdachte und übersichtliche Oberfläche. Sämtliche Buttons fallen gut ins Auge und lassen sich auch aufgrund ihre Größe schnell triggern. Der Bildschirm arbeitet ohne Verzögerung, sei es beim Wechseln der Ansicht und auch Auslösen gewisser Aktionen. Die Wellenformen laufen zudem recht flüssig.
Das Browsen in der Library über den Bildschirm eines Mixers war für mich bisher noch keine Option, das könnte sich allerdings beim DJM-S11 tatsächlich ändern. Dafür spricht die gute Übersicht dank verkleinerter Schriftgröße und zweizeiliger Liste, obendrein die einstellbaren Attribute (Key, BPM, Song, Artist, Track#), nach denen sich die Tracks im Crate sortieren lassen.

Fotostrecke: 2 Bilder Hier lässt sich gut stöbern

Steuern von vier Decks

Für mich ist dieses Feature mit das innovativste Kaufargument für den DJM-S11. Zugegeben, alle vier Decks gleichzeitig zu bändigen, gleicht einer Herausforderung, der man aber dank dem Mash-up-Modus mit Deck Move und Dual Deck durchaus gewachsen ist. Vor allem Deck Move habe ich mir schon lange von Serato gewünscht, zwar eigentlich für den Sampler, aber für die unbenutzten Decks … noch besser! 
Einfach Track im Main Deck 2 reingemixt und Deck Move gedrückt, verschiebt es den Track in Deck 3 und Main Deck 2 steht für den nächsten Track bereit. Allerdings funktioniert dies leider nicht umgekehrt, wie auch die Kontrolle über Deck 3 und 4 per Turntable oder Controller zu übernehmen. Was noch nicht ist, kann aber vielleicht noch kommen.
Das Starten des Tracks vom virtuellen Deck im Simple Mode gelingt auf den Beat. Wer beim Triggern die Phase dennoch verfehlt, der korrigiert per Pitchbend oder nochmaliges Drücken von Sync. Mit aktivem Dual-Deck steuert ihr in den Decks 1 und 3 sowie 2 und 4 gleichzeitig Gain, EQ, Line- und Crossfader, Filter, Effekte, Performance-Pads und Loops, Sync und Key Lock. Vorausgesetzt, das duale Deck läuft auch gleichzeitig. Schaltet ihr die laufenden Main-Decks per Silent Cue stumm, greifen Regler, Fader und Pads des Mixers ausschließlich hörbar auf die Decks 3 und 4. Serato DJ Pro bestätigt die aktive Dual-Deck-Funktion in der Software visuell, indem es von intern auf dual umschaltet. Kurzum, ein bahnbrechendes, durchdachtes und fast ausgereiftes Feature, das nur etwas Übung vom Anwender abverlangt.

Effekte

Die beliebten, blau beleuchteten FX-Hebel, die wie gehabt nach oben einrasten und damit den Effekt halten, fertigt Pioneer DJ abermals aus Kunststoff, was ihrer Leichtgängigkeit und ihrem schnellen Zurückfedern zugutekommt, um im Beat auf den Hebel geklopfte FX-Akzente zu setzen. Auch die FX-Batterie begeistert, nicht nur wegen der üppigen On-Board-Batterie mit 22 Effekten inklusive den 15 Beat-Effekten und der Smoothing-Funktion, die der S11 vom DJM-S9 erbte. „Smoothing“ dämpft einen eingeschalteten Effekt trotz aufgedrehter Intensität beim Ein- und Ausblenden. Beim Smooth Echo, das unterhalb des Sampler-Reglers zugeschalten wird, triggern Crossfader, Hotcue, Silent Cue, Channel Fader, Gate Cue und Load (bei Instant Play) ein Echo.

Die Einstellungen für die Effekte on Board
Die Einstellungen für die Effekte on Board
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Pioneer DJM-S11 Effekte
Cutte ich einen Track aus dem Deck oder tausche diesen instant aus, verstummt dessen Kanal nicht trocken, sondern hallt ohne aktivem FX-Hebel noch etwas nach, je nach eingestellter Echo-Lautstärke, Beat-Länge sowie der Mindestanzahl der Beats vor dem Echo beim Crossfader in den FX-Settings. Letztes deaktiviert das Echo bei sehr schnellen, kurzen aufeinanderfolgen Cuts, wie bei einem Transformer.

Für spielerischen Aktionismus sorgt Touch FX, das zwei Effekte gleichzeitig in der X- und Y-Achse des Bildschirms bedient. Dessen Setting bietet neben dem Hold Mode-Button die Presets Roll&Pitch und Echo&Filter, alternativ kombiniert einen der On-Board- oder Software-FX eurer Wahl mit dem Filter, der vom Mixer stets als zweiter Effekt festgelegt ist.

Die Software FX können unter den FX-Settings kombiniert und durch gleichzeitiges Drücken der Software FX-Buttons verkettet und sogar auf beide Decks gleichzeitig greifen. Den momentan gewählten Effekt mit seiner Beatlänge bestätigt der untere Bildschirmbereich, der auch bei gedrückter FX-Taste und gedrehtem Browse-Encoder auch den gerade ausgewählten Effekt anzeigt.

Serato DJ Pro vs. rekordbox

Obwohl der DJM-S11 sich beiden DJ-Programme unterwirft, schauen die Rekordboxer bezüglich Scratch Bank, Deck Move, Dual Deck und Combo Pad Mode in die Röhre, da sie momentan ausschließlich mit Serato DJ Pro funktionieren. Rekordbox liefert auch keine adäquaten funktionellen Argumente, um den Serato DJ Pro Anwender zu rekordbox zu bekehren. Sofern wäre es von Pioneer DJ clever, wenigstens Control-Vinyls für rekordbox zum Lieferumfang beizusteuern, um damit unbeleckte DJ-Software-User für sich zu gewinnen.
Der DVS-Betrieb funktioniert bei Serato DJ Pro im Zusammenspiel mit dem Mixer wie gewohnt latenzfrei und ohne im Test auftretende Bugs. Rutscht das Signal unter den Fingern gefühlt leicht weg, dann kurz in den besagten Preferences der Setting Utilitys den Signalpegel verkleinern. Das verbessert die Performance spürbar.
Übrigens unterstützt der DJM-S11 über seine beiden USB-Hubs auch den Rane Twelve MKII plug ’n’ play. Allerdings steuert er nur die beiden Main Decks 1 und 2, Deck 3 und 4 bleiben damit dem Mixer vorbehalten, obwohl der Twelve MK II eine Vierdeck-Kontrolle zulässt.    

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