Pioneer DDJ-T1 Test

Details

Befreien sie den Controller!
Nichts lieber als das. Und so ziehe ich einen gut gegen Transportschäden verpackten und mächtig großen Traktor-Dirigenten aus einem schicken Karton in Foto-Optik, der ferner ein Multinorm-Netzteil, mehrere Handbücher, eine Treiber-CD und die Traktor-Sonderedition enthält. Ich muss ehrlich zugeben, dass mich der Bolide bereits auf den ersten Blick in seinen Bann ziehen kann. Irgendwie weckt er bei mir aufgrund seiner Form Assoziationen an Siebziger-Jahre Wega-Stereoanlagen. Ich würde ihn glatt auf einem Standfuß im Wohnzimmer positionieren, so stylish kommt er in seinem zugegebenermaßen moderneren Zwanzigelfer-Space-Look rüber. Der Boden ist aus Blech, die Oberschale aus mattem, steinfarbenem Kunststoff, der anders als manche auf Hochglanz getrimmte Fingerabdruck-Fallen keinen Dauereinsatz eines Poliertuchs erfordert. Und wo wir gerade bei den Gliedmaßen sind. Die „Füße“ sind beim DDJT-1 recht voluminös ausgefallen, und der Platz dazwischen dient als Aussparung für ein Notebook. Ich schätze, bis zum 18-Zöller passt alles drunter, was nicht zu hoch ausfällt. Erst mal eine gute Idee.

Alle nötigen Anschlusskabel und Software sind enthalten
Alle nötigen Anschlusskabel und Software sind enthalten

Die Bedienelemente können ihre Anlehnung an andere Pioneer–Produktreihen nicht verleugnen. Ich sehe Jogwheels und Tasten im Stile eines CDJ-400. Obendrein einen Pitch mit Führung wie beim Achthunderter und Fader, die einem DJM-Mischpult entnommen scheinen. Yeah. Die Bedienelemente sind fest verbaut, die Gehäusekanten abgerundet, der Raum auf der Arbeitsoberfläche ist als großzügig zu bewerten. Bereits im Trockenlauf zeigen die Bedienelemente eine erwartungsgemäß solide Qualität, vermitteln Kompetenz und schüren ein gewisses Vertrauen in die Hardware. Nur der rückseitige Kabelhalter könnte bei unsachgemäßer Handhabung in Mitleidenschaft gezogen werden. Sicherlich kann man darüber streiten, ob dem Gehäuse ein komplett metallenes Antlitz besser gestanden hätte, doch die Kommandobrücke wiegt bereits ohne Stahlpanzer satte fünf Kilogramm, was uns zum Thema Mobilität führt. Der T1 sprengt mit Maßen von 680 x 95,2 x 317,7 Millimetern so ziemlich jedes Backpack und ist daher kein Kandidat für die Fahrradfahrt zum DJ-Set, es sei denn, der DJ ist Besitzer eines Lastenfahrrades. Aber selbst dann gehört der Pioneer in ein Flightcase, das seinen wertvollen Inhalt sicher vor äußeren Schadeinwirkungen schützt. Ein Exemplar von Swanflight etwa schlägt mit weiteren sieben Kilo zu Buche. Das macht zusammen 12 Kilo. Eine Gewichtsklasse, welche ohne Auto oder S-Bahn ungern bewältigt wird. Ein Direktvergleich mit einem VCI-100 MKII, der ebenfalls für vier Decks (via Kippschalter) ausgelegt ist, soll den Mobilitätsfaktor unterschiedlicher Konzepte verdeutlichen.

David und Goliath in trauter Zusammenkunft
David und Goliath in trauter Zusammenkunft

Interface
Der Pioneer-Bolide beheimatet ein Vierkanal-Audio-Interface, das mit 44,1 kHz bei 16 oder 24 Bit arbeitet. Der Hersteller gibt den Frequenzbereich mit 20 Hz bis 20 kHz an. Die Verbindung mit der Haupt- und Monitoranlage erfolgt über eine 6,3-Millimeter-Klinken-Schnittstelle oder über ein Stereo-Cinch-Paar. Es handelt sich dabei um einen geklonten Masterausgang, somit ist ein individuelles Pegeln der Booth-Anlage über den Controller nicht möglich. Das sieht man in letzter Zeit häufiger – zum Beispiel beim Vestax VCI-100 MK2 oder beim Traktor Kontrol S4. Schade. Möchte der DJ einen weiteren Line-Zuspieler einbinden, wie etwa einen CD-Player oder einen iPod, geschieht dies über den regelbaren Stereo-Cinch Aux-Input. Wer es gewohnt ist, während eines digitalen DJ-Sets auch mal das eine oder andere Vinylschätzchen in den Mix zu integrieren, kann einen Plattenspieler mit externem Phono-Vorverstärker oder ein Gerät mit Line-Pegel einschleifen. Als eigenständiger Notfall-Input im Falle eines Softwarecrashs kann der Aux-In leider nicht dienen.

Dual-Master Out für PA und Monitorboxen
Dual-Master Out für PA und Monitorboxen

Die Kommandobrücke kann sowohl per USB als auch mit dem beiliegenden Netzteil gespeist werden. Pioneer empfiehlt in diesem Zusammenhang, den Controller direkt an den USB-Port zu stöpseln und nicht über einen Hub zu gehen. Seine Größe sollte ihn gewiss vor ungewolltem Abhandenkommen schützen, dennoch ist es sehr begrüßenswert, dass an der Hinterseite eine Aussparung für eine Kensington-Diebstahlsicherung integriert ist.

Fotostrecke: 2 Bilder Kensington-Lock Aussparung gegen den Fünf-Finger-Rabatt

Vorne rechts ist ein Mikrofoneingang platziert. Er teilt sich den Weg mit dem Aux-In, sodass angeschlossene Geräte nur alternativ und nicht simultan betrieben werden können. Im Gegensatz zu dem Serato S1-Modell kann der Testkandidat nicht mit zwei separaten XLR Mikrofon-Kanälen und nachgelagertem 3-Band-EQ dienen. Das mag zum Teil daran liegen, dass der Signalfluss in Traktor auf ein Deck geschaltet wird und diesem somit der komplette Equalizer, die Effekte und das Kanalfilter zur Verfügung stehen, wie im nachfolgenden Beispiel zu hören. Die Kopfhöreranschlüsse befinden sich auf der linken Seite.

Fotostrecke: 2 Bilder Für Moderatoren unverzichtbar
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Mikrofon-Feed

Vier Fader können mehr als zwei
Zentrales Element eines jeden DJ-Sets ist das Mischpult, welches mit vier sanft über die Leiterbahnen gleitenden Fadern in Clubstandard-Länge von 50 Millimetern aufwartet. Die Kanäle tragen von West nach Ost die Bezeichnungen C/A und B/D – anders als in Traktor, wo die beiden Decks auf der linken Seite A/C sind und auf der rechten B/D. Die Hauptkanäle liegen also im Zentrum. C/A sind der rechten Crossfaderseite fest zugewiesen, B/D der linken. Jedes Software-Deck kann über einen MIDI-Impuls in Form einer individuell zuschaltbaren Faderstart-Funktion der Kanalfader – auch synchronisiert – eingestartet werden. Der Crossfader selbst ist schön leichtgängig und fühlt sich an wie ein Scratch-Kandidat, allerdings stehen ihm (anders als beim DDJ-S1) keine Schalter für die Flankensteilheit zur Verfügung, was den Verdacht nahe legt, dass der Kandidat eher elektronische Spielrichtungen fokussiert, wohingegen der Namensvetter mit einstellbaren Wheels, regulierbarem Anlauf- und Bremsverhalten sowie dreifachem Schalter für die Flankensteilheit des Crossfaders eher den Hip Hop- und Breakbeat-Aktivisten zuzuordnen ist. Warum es beim nahen Verwandten in Verbindung mit Serato Itch nicht für vier Kanäle (wie beim Numark NS6 oder Xone:DX) gereicht hat, ist eine Frage, die wir demnächst im DDJ-S1 Review erörtern werden. Hier mal ein Beispiel, in dem vier zufällig ausgewählte Tracks während des Abspielvorgangs mit gerade mal insgesamt acht Tastenhieben (je einmal Loop und Sync) zu einem Masterdeck synchronisiert, geloopt und per Faderstart-Option eingemixt werden.

Die Fadersektion geht mit Autostart ins Rennen. Leider sind am Gerät keine Pegelmeter vorhanden
Die Fadersektion geht mit Autostart ins Rennen. Leider sind am Gerät keine Pegelmeter vorhanden
Audio Samples
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Faderstart Punch-Inserts

Streifzug durch die EQ-Sektion
Die EQ-Sektion steigt mit einem Dreibänder nebst Gain in den Ring. Die geriffelten Equalizer-Potis sind aus hartem Kunststoff gefertigt und verfügen über eine rastende Nullstellung. Sie arbeiten prozentgenau und können einen natürlichen Regelwiderstand für sich beanspruchen, gefallen mir aber nicht so gut wie ihre gummierten Brüder am DJM-2000. Eine Kill-Funktion ist ihnen nicht anheimgestellt, daher bleiben auch nach kompletter Linksdrehung Signalanteile hörbar. Der Gain-Regler ist etwas kleiner als seine Frequenz-manipulierenden Mitstreiter, was eine gute optische Trennung verursacht, aber zumindest für meine Finger etwas schwieriger zu handeln ist.

Fotostrecke: 2 Bilder Auch hier keine Spur von optischer Pegelkontrolle

Zwischen den Kanalzügen ist die Master-Sektion beheimatet. Genauer gesagt besteht diese aus einem Mastervolume- sowie einem Cuemix- und einem Kopfhörer-Poti. Auch sie haben das kleinere Format für sich adaptiert. Gerade den Cuemix hätte ich persönlich lieber in größerer Form an der Position des Volume-Knopfes für den Kopfhörer gesehen. Etwas ungewöhnlich erscheint mir zudem, dass Pioneer weder für die Hauptlautstärke, noch für die einzelnen Kanalzüge Pegelmeter am Gerät vorgesehen hat. Ich finde, die sollten in dieser Preisklasse einfach zur Grundausstattung eines DJ-Controllers gehören.

Es geht weiter in Richtung Norden…
Die Kopfzeile offeriert einen Browse-Encoder, der sich die Navigation im musikalischen Datenbestand auf die Fahne geschrieben hat. Wird er niedergedrückt, blendet sich Traktor´s Deck-View aus und der Screen zeigt stattdessen ein Vollbild der Baumansicht und der Playlist. Das ist ein sehr nützliches Feature, vor allem wenn man während des Sets öfter von der Reihenfolge vorgefertigter Playlisten abweicht, oder wenn die vier Abspieleinheiten grundsätzlich in voller Pracht, also mitsamt ihren Panels, den Großteil des Bildschirms einnehmen. Tree und Favourites wandern durch die Verzeichnisstruktur, respektive die Favoritenlisten. Per Tastendruck gelangt der aktuelle Titel in das Deck der Wahl. Die Schalter sind direkt über den Kanälen angeordnet, was den Nachladevorgang in der Praxis sehr beschleunigt – da der DJ nicht erst einen Hebel umlegen oder eine Umschalt-Taste betätigen muss. Daumen hoch, Pioneer. Fehlen noch die Deck- und Effekt-Sektionen, die wir uns im Praxisteil genauer anschauen wollen.

Browserencoder und Ladebuttons the nice way
Browserencoder und Ladebuttons the nice way
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