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Orange OR15H Test

Praxis

Der Orange OR15 ist ein puristischer einkanaliger Röhrenverstärker mit einer Class A Endstufenschaltung. Vielleicht ist das der Grund dafür, das der Amp den fließenden Übergang zwischen clean und angezerrt besonders gut hinbekommt. Hier erinnert der Sound fast schon an einen guten alten AC 30, obwohl der Ton oben herum nicht ganz an den Glanz herankommt, den mein alter Vox-Combo bringt. Wirklich clean bekommt man den Amp im Grunde genommen nur bei sehr geringen Lautstärken, die weder im Proberaum noch auf der Bühne ausreichen, sich durchzusetzen. Aber dazu wurde dieser Amp auch nicht konstruiert, denn hier geht es um klassische rockige Gitarrensounds.

Ab Einstellungen um die 11-Uhr-Marke des Gainreglers bietet der Verstärker schon ein beachtliches Pfund. Hier lassen sich, je nach Ausgangsleistung der Tonabnehmer, bereits fleischig Riffs und zerrige Gitarrenflächen erzeugen. Dreht man den Gainregler noch weiter auf, kommt man mit dem Amp schnell in klassische Rockdimensionen – Verzerrungen in Stil von AC/DC bis hin zu Gary Moore sind für ihn kein Problem. Dieser Bereich ist meiner Meinung nach die Domäne dieses Verstärkers. Der Amp bringt schöne Obertöne und klingt im oberen Frequenzbereich immer frisch, ohne dabei zu harsch zu werden. Mit dem Gainregler auf Maximum lässt sich der OR15 sogar zu Metallsounds hinreißen, wobei auch dann der Sound immer fett und dreidimensional bleibt – also nix mit Kindergartenzerre und Gleichmachersounds.

Orange_OR15_015FIN

Die Kompression der Endstufe färbt den Sound zwar etwas schön, dieser Effekt hält sich aber in Grenzen, solange man den Master nicht zu weit aufdreht. Bei meinen Audioeinspielungen stand dieser immer zwischen 11 und 12 Uhr, wobei der Amp bestens mit Singlecoils und Humbuckern klarkommt und man beim Wechsel zwischen Strat und Les Paul keine klanglichen Einbrüche befürchten muss. Wegen seiner Vielfalt sehe ich das Einatzgebiet des OR15 übrigens auch im Tonstudio, wo man ihn für Blues, Rock, Country und teilweise auch für Metal einsetzen kann. Einen ausgewachsenen Marshall wird er hier zwar nicht toppen können, seine Sounds können trotzdem überzeugen, besonders, wenn es stilistisch nicht ganz so brachial sein soll. Aber auch als Übungsamp in heimischer Umgebung macht der orangefarbene Zwerg eine gute Figur, da die Endstufe von 15 auf 7 Watt umgeschaltet werden kann. Bei kleinen Gigs und im Proberaum kann man den Amp ebenfalls problemlos nutzen, wenn man den Master nicht zu weit aufdrehen muss. Je nach Verzerrungsgrad wird es ab 2 Uhr bereits zu komprimiert und die Dynamik leidet. Aber keine Sorge, bis es so weit kommt, dürften den Mitmusikern im Proberaum bereits die Ohren glühen.

Kommen wir zu den Hörbeispielen.

Im ersten Audiobeispiel habe ich meine Kloppmann Stratocaster mit der ersten Zwischenposition von Steg- und Mittelpickup verwendet.

GitarreGainTrebleMidBassMaster
Strat9Max.141412
Audio Samples
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Beispiel 1

Obwohl der Sound clean klingt, ist der Amp schon leicht angezerrt. So kommen die Obertöne besonders schön zur Geltung, und gleichzeitig geht die Endstufe etwas in die Kompression und verdichtet so den Sound. Dieses Klangverhalten erinnert an einen behutsam angezerrten Vox AC 30, wobei mir der Sound des Orange OR 15 insgesamt etwas sperriger vorkommt. Trotzdem gefällt mir das Ergebnis sehr gut, denn gerade diese Schwelle zwischen clean und angezerrt ist eine der härtesten Disziplinen, die längst nicht alle Amps beherrschen.
Im zweiten Audio habe ich den Gainregler noch weiter aufgedreht, um einen schmatzigen Riff-Charakter hinzubekommen. Wieder ist die Stratocaster an der Reihe, die dank der leichten Endstufenkompression nie zu spitz klingt.

GitarreGainTrebleMidBassMaster
Strat1113131712
Audio Samples
0:00
Beispiel 2

Solche Sounds eignen sich im Studio sehr gut für knarzige Riffs und flächige Arpeggien.
Um zu testen, ob der Amp auch mit Humbuckern klarkommt, habe ich für das nächste Audiobeispiel meine Gibson Les Paul angeschlossen.

GitarreGainTrebleMidBassMaster
Les Paul141414Max.11
Audio Samples
0:00
Beispiel 2

Im Zusammenspiel mit den Dommenget Humbuckern generiert der kleine Amp problemlos sehr amtliche Mainstream-Rocksounds. Mit dem Gainpoti knapp über der Mittelstellung bringt der Amp amtliche Classic-Rocksounds à la Gary Moore und Joe Bonamassa. Obwohl ich den Bassregler voll aufgedreht habe, fehlt naturgemäß der massive Wumms, den man von einem gut abgehangenen Marshall her kennt. Trotzdem hat der Sound etwas sehr Organisches und Natürliches und wirkt nicht plastikmäßig überbraten.
Der Orange OR15H kann auch richtig böse, besonders dann, wenn man ihm die Mitten wegnimmt. Hier ist aber Vorsicht geboten. Dreht man zu viele raus, geht gleichzeitig auch die Definition der gespielten Noten verloren und der Sound brutzelt nur noch vor sich hin. Deshalb habe ich die Mitten im nächsten Beispiel auch nicht komplett eliminiert, sondern das Poti auf 9:30 gestellt, um ein Minimum an Definition zu erhalten.

GitarreGainTrebleMidBassMaster
Les PaulMax.15101511
Audio Samples
0:00
Beispiel 4

Der Sound ist jetzt schon sehr komprimiert und meiner Meinung nach nicht die wirkliche Stärke des Amps. Aber selbst mit maximaler Verzerrung klingt er nicht nach billiger Plastikzerre, sondern immer noch nach einem echten Röhrenverstärker.

Kommentieren
Profilbild von wilinus

wilinus sagt:

#1 - 06.02.2013 um 03:12 Uhr

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das mit dem Clean Sound bekommt man einfach durch den Tausch von Vorstufenröhren mit weniger Gain hin (die Originalröhren sind no-name China).
Je nach Klangcharakter der Röhren ist auch etwas mehr Tiefgang im Bass zaubern, dann ist der Amp in Blues und Classic Rock Gefilden kaum zu schlagen.

Profilbild von BonedoMalte

BonedoMalte sagt:

#2 - 06.02.2013 um 19:19 Uhr

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Hey Wilnius! Danke für den Tipp! Schreib doch gerne mehr über deine Erfahrungen! Was für Röhren du genommen hast beispielsweise! Das interessiert bestimmt viele Orange-Fans!

Profilbild von wilinus

wilinus sagt:

#3 - 10.02.2013 um 17:26 Uhr

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Update Röhrentuning :-)
Ich habe alle Vorstufenröhren (China no-name) getauscht. Mein Favourite für einen fetteren Sound ist die ECC83 Cz von TAD als V1 und V2, alternativ für die V1 (wenn es noch cleaner sein soll) eine 12AY7 (die von EH finde ich ganz gut). Für den Phasentreiber V3 habe ich eine 12AU7 / ECC82 eingestzt.
Jetzt noch den FX Loop mit einer schönen 12AT7 aufrüsten und das mit der extrem frühen Verzerrung sollte vorbei sein.

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BonedoMalte sagt:

#4 - 11.02.2013 um 15:40 Uhr

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Interessant! Danke für die Infos!

Profilbild von Peter Bader

Peter Bader sagt:

#5 - 11.02.2013 um 21:45 Uhr

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sehr guter test mit guten soundbeispielen.
vor allem auch die sache mit dem einschleifweg ist vielen sicher nicht ganz klar gewesen
Grüsse Peter

Profilbild von goatmachine

goatmachine sagt:

#6 - 07.08.2013 um 22:30 Uhr

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Grüße! Irgend wer Erfahrungen, wie er sich mit OD/Distortion Pedalen verträgt? Hab' interesse an dem Amp, würde ihn aber über ein externes Pedal verzerren wollen, um "2 Kanäle" zu bekommen und einen metallischeren Sound zu bekommen! :)

Profilbild von givemeajackson

givemeajackson sagt:

#7 - 09.11.2013 um 17:50 Uhr

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@goatmachine dafür würde ich eher einen mehr clean-orientierten amp nehmen.

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