Microtech Gefell M 295 Test

Praxis

Eigentlich heißt es ja “First things first”, doch ich möchte zunächst etwas loswerden, was mit dem Sound des 295 nichts zu tun hat. Allerdings wird man nicht selten ein Mikrofon erst sehen und dann hören. Und ich muss schon sagen: Das Microtech Gefell M 295 sieht einfach spitze aus! Die charakteristische Gitterform ist beileibe nicht neu, sondern folgt den Traditionen des Unternehmens – also um Himmels willen bitte nicht ändern. Die matt glänzende Nickeloberfläche ist ein Gedicht, wie auf den Fotos sicher deutlich wird – zudem habe ich bei einem Mikrofon aus Gefell noch nie die Nase rümpfen müssen, was die Verarbeitungsqualität angeht. Wer mag (oder aus Gründen der Unterwürfigkeit gegenüber bildgebender Systeme vielleicht muss), kann die Mikros der Serie auch in Mattschwarz bestellen. 

Fotostrecke: 4 Bilder Beide 295 im XY-Betrieb

Klanglich war ich kurz verwirrt und habe zunächst noch einmal in die Unterlagen gesehen: Nein, es ist kein Ausgangsübertrager im Spiel. Ich hatte dennoch das Gefühl, einen zu hören. Man kann im Signal feststellen, dass besonders die Hochmitten ein wenig “gepackt” klingen. Dies geht jedoch nicht so weit, dass man dem Mikrofon mangelnde dynamische Fähigkeiten zuschreiben müsste, denn es ist gleichzeitig insgesamt schnell, doch lässt sich die Tendenz zur Kompaktheit nicht leugnen. Unterdessen behalten die Höhen trotz ihrer nominell eher geringeren Repräsentierung die Feinheit, die man von einem Mikrofon dieser Preisklasse erwarten kann. Funkelnd-brillant klingen Signale über das M 295 aber in keinem Fall, eher ist das Air-Band edel-belegt und leicht sämig, wie man es von einem durch einen Übertrager gefärbten Signal erwarten würde. Am Gitarrenbeispiel kann man es gut festmachen: Über das Gefell aufgenommen, klingt diese ganz leicht körniger und dadurch deutlich griffiger. Was für reine Soloaufnahmen vielleicht nicht die erste Wahl ist, kann es im Mix dann vielleicht doch sein. Bei der Aufnahme der Akustikgitarre für die Testmarathon-Videos ist absolut deutlich geworden, was viele amerikanische Engineers an diesem Kondenser finden: Im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten, besonders aber mit Gesang, verleiht der leichte Charakter des 295 dem Signal eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit – zudem lässt es sich bei Bedarf noch per EQ mit kräftigen Veränderungen formen, ohne auseinanderzufallen. Ich möchte sogar sagen: Für diese Anwendung, also für diese Gitarre, diesen Gitarristen, dieses Stück, diesen Raum und diese Mikrofonanordnung wäre das MG M 295 unter den getesteten Mikrofonen womöglich meine erste Wahl. Mit keinem anderen Mikrofon klingt das Instrument so präsent und nah, wie mit den beiden Gefells – die ganz leichte Tendenz zur Undifferenziertheit in den Mitten scheint das dabei sogar noch zu unterstützen. Als verhaltenes Arbeitstier für alle möglichen Recording-Einsätze würde ich etwa die Schoeps vorziehen. Natürlich wäre ich froh, ein Pärchen dieser Mikros im „Mike-Locker“ zu haben, doch muss man überlegen, ob man für diesen Preis nicht zunächst andere anschafft. Dennoch: Für Menschen, die ihre Kleinmembraner vor allem für Signale verwenden, die ein gewisses Stückchen zusätzlichen Charakter zeigen sollen und sich eher ein wenig weiter vorne positionieren, als neutral (oder gar unterwürfig) im Mix das Geschehen zu dokumentieren, können die 295er genau die richtige Wahl sein. Neben Akustikgitarre denke ich an die Overheadmikrofonierung von Jazz- und Pop-Kits. Gerade im Vergleich zu den schnell etwas zu eigensinnigen und “rockigen” sE RN17 zeigen die MGs, dass es eben nicht die todernste Linearität sein muss. Hier erkennt man, welchen Weg Microtech Gefell mit manchen Produkten geht: Wie auch manche Großmembraner liefert das M 295 ebenfalls – eigentlich wollte ich diesen Begriff vermeiden, aber hier ist er nun mal – Vintage-Attitüde. Gut ist, dass man es damit nicht maßlos übertreibt, wenngleich ich mir ein bisschen weniger davon wünschen würde. Das Mikrofon ist charaktervoll, aber eben kein One-Trick-Pony. 

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Microtech Gefell M 295
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