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Korg Electribe SX – SD Test

Details

Aber der Reihe nach. Die Electribes dürften wohl vielen schon einmal ins Auge gesprungen sein, ob online oder in echt, denn sie sind ein ziemlicher Hingucker. Zentrales optisches Feature und Prunkstück sind dabei sicherlich die beiden Röhren, die hinter einer ovalen Plexiglasscheibe zentral auf dem Panel thronen und im Betrieb verheißungsvoll glühen. Das verleiht dem Electribe die Anmutung von erdigem Analogsound und beeindruckender Kraft – Assoziationen, die das Gerät beim Sound durchaus bestätigt.

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Auch ansonsten überzeugt die Machart der Box auf ganzer Linie: Ein komplett stählernes Gehäuse, hochwertige, beleuchtete Druckknöpfe und haptisch edle Drehknöpfe lassen den Electribe fast erhaben wirken. Eine Solidität, die eigentlich auf einen weitaus höheren Preis schließen lässt. Lediglich der Schieberegler des Arpeggiators wirkt billig und ist es wohl auch. Wackelig in der Führung, fühlt er sich durch und durch nach Plastik an. Das ist natürlich zu verschmerzen, stört aber die Perfektion der übrigen Erscheinung ein wenig. Und eine weitere, etwas unbegreifliche Trübung fällt ins Auge: Das, was sich auf Fotos als funky rot metallic ankündigt, strahlt in echt, man muss es leider sagen, doch ziemlich rosa. Will heißen: Die dominierende Farbe des Bedienpanels ist rosa metallic. Sei’s drum: alles Geschmacksache.
Konzept
Wer nie ein Gerät aus der Electribe-Serie – oder ein anderes, ähnliches Gerät – in der Hand hatte, wird sich sicherlich fragen, was man mit dem SX-SD überhaupt tun kann. Verkürzt gesagt kann man sich die Kiste als Drumcomputer oder Groovebox vorstellen, mit der sich allerdings nicht nur Drumbeats programmieren lassen, sondern ganze Soundtracks inklusive Bassline, Synth-Parts und sogar gesampelten Vocals. Die schon recht zahlreich vorhandenen Sounds sind komplett samplebasiert und lassen sich per SD-Card mit eigenen Soundfiles ergänzen. Seine Kreationen kann man in insgesamt 265 Patterns speichern, die bis zu acht Takte lang sein können. Aus diesen Patterns lassen sich wiederum Songs zusammenbauen, von denen 64 im Speicher des SX-SD abgelegt werden können. Weiterhin verfügt der Electribe über eine umfangreiche Effekt-Sektion, Modulation und Filter. Und zuguterletzt kann man das Ganze zur Sättigung oder gar Verzerrung noch durch Röhren jagen. So lassen sich mit dem Electribe SX-SD komplette kleine Produktionen realisieren, die schon recht rund die Ausgänge des Gerätes verlassen.
Anschlüsse
Bevor wir erste Hand anlegen, noch kurz ein paar Worte zu den Anschlüssen: Der Electribe verfügt natürlich über einen Kopfhörerausgang (6,35 mm Klinke) und einen Stereo-Line-Out, also zwei Klinkenbuchsen, ebenfalls in 6,35 mm. Erfreulicherweise gesellen sich zu Letzteren die Outputs 3 und 4, auf die man die Sounds ebenfalls routen kann. Zudem verfügt der Electribe über einen Stereoeingang, der zwischen Line und Mic umgeschaltet werden kann und es ermöglicht, externe Signale durch die internen Effekte zu schicken, in Patterns einzubauen oder zu samplen – ein klarer Pluspunkt! Abgerundet wird die Anschlusspalette durch MIDI-In, -Out und -Thru. Vorderseitig befindet sich der Card-Slot für die SD-Karte.

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Bedienung
Korgs “Music Production Sampler” gehört vermutlich nicht zu den Geräten, die man als Einsteiger in die Hand nehmen und sofort loslegen kann. Einige kleine Hürden sind doch zu überwinden, will man die komplexen Möglichkeiten überblicken.
Die deutsche Bedienungsanleitung ist leider keine große Hilfe. Sie liest sich über weite Strecken kopfschmerzverdächtig. Zwar ist es nicht ganz so schlimm wie bei mancher „maschinell“ angefertigter Übersetzung, verständliches Deutsch sieht aber trotzdem anders aus. Da gehören Sätze wie “Die Geschwindigkeit hängt vom Tempo ab” noch zu den Liebenswürdigkeiten. Nein, deutlicher Punktabzug. Eine so schlecht strukturierte, halbdeutsch formulierte und schwer verständliche Bedienungsanleitung darf bei einem Konzern wie Korg nicht vorkommen. Kurioserweise hatte der japanische Austauschstudent wohl ab Seite 60 für ein paar Tage Urlaub. Und schon versteht man plötzlich, worum es überhaupt geht und es fällt auf, dass das Gerät sehr logisch strukturiert ist und mit seinen vielen Controllern zu viel Spaß und flotten Ergebnissen führt.
Bei der Orientierung hilft das gut dimensionierte, funktionale Display, das sich neben einem Wahlrad, dem Regler für die Gesamtlautstärke, einigen Funktionstasten, den Transporttasten (Start, Stop, Rec etc.) und anderen Elementen in einer Art Global-Sektion befindet.

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Patterns
Die Elementarteilchen der Electribe-Welt sind, genau wie bei alten Hardware-Sequenzern oder bei Drumcomputern, Patterns, die hier bis zu acht Takte lang sein können. Ihre “Auflösung” lässt sich auf Sechzehntel, Zweiunddreißigstel, Achtel- oder Sechzehnteltriolen einstellen. Damit wird auch bestimmt, wo im Takt sich jene 16 Tasten (Lauflichter) befinden, mit deren Hilfe man die einzelnen Sounds für die Zählzeiten ein- oder ausschalten kann.
Beispiel: Habe ich das übliche Sechzehntelraster gewählt und schalte bei einem Sound die Taste 11 ein, erklingt dieser Sound in meinem Pattern auf der “3 +”. Wähle ich hingegen Achteltriolen als Grundeinteilung, bedient dieselbe Taste die zweite Triole auf der 4. Das klingt theoretisch ein bisschen kompliziert, ist aber, wenn man das Ganze vor Augen hat, bald sehr einleuchtend. Für Leute, die Drumcomputer-Erfahrung besitzen, ist das Prinzip ohnehin altbekannt. Korg bohrt die Sache dadurch noch etwas auf, dass man immer einen “last step” festlegen kann. So ist es möglich, dass ein Takt nicht wie üblich mit dem zwölften oder sechzehnten Schritt endet, sondern auf Wunsch auch mit dem dreizehnten. So sind auch krumme Taktarten kein Problem.
Wenn sich also mithilfe der sechzehn Taster ganz unten auf dem Panel des Electribe rhythmische Muster zusammenstellen lassen, wie baut man dann einen komplexen Beat mit Bassline, Synth-Melodie und anderen Elementen zusammen? Der Electribe verfügt über insgesamt 14 sogenannte “Parts”. Diesen Parts ordnet man jeweils einen Sound (also ein Sample) zu, z. B. einen Bassdrum-Sound zu Part 1, eine Snare zu Part 2 etc., und bastelt dann für jeden Part über die Länge des Patterns eine Rhythmusfigur. So schichtet sich nach und nach ein komplexer Groove über- und nebeneinander. Die Parts sind allerdings nicht alle gleich, sondern unterscheiden sich in einigen Details, vor allem aber in der Art, wie sie die jeweiligen Samples abspielen. Die neun Drum-Parts arbeiten alle im Modus “one shot”, das heißt, sie spielen das gewählte Sample immer bis zum Ende ab, egal, ob man den Taster beim Einspielen längere Zeit oder nur kurz gedrückt hält. Ganz anders die beiden Keyboard-Parts, bei denen es selbstverständlich eine Rolle spielt, wie lange man eine Taste drückt. Sie spielen die Samples so lange im Loop, bis sie ein Note-Off-Signal erreicht. Eine weitere Besonderheit der Keyboard-Parts gegenüber den Drum-Kollegen liegt auf der Hand: Irgendwo her muss ja die Information über die jeweilige Tonhöhe kommen. Deshalb fungieren beim Einspielen dieser Parts die erwähnten 16 Taster nicht als An-/Ausschalter für bestimmte Zählzeiten, sondern als Klaviatur. Die Macher waren sogar so freundlich, hier die schwarzen und weißen Tasten anzudeuten, sodass man recht leicht tonal sinnvolle Melodien einspielen kann. Da sich über weitere Schalter zudem die Oktave verschieben lässt, kommt man hier in Sachen Basslinien ebenso schnell zum Ziel, wie bei einer hohen Moog-Melodie.
Ein Wunsch vieler User wären sicherlich anschlagsdynamische Tasten gewesen, die ja bei den großen Brüdern wie Akais MPC selbstverständlich sind. Zwar erlaubt der gute alte Accent-Knopf immerhin zwei Dynamikstufen pro Note. Aber für moderne R’n’B-Beats, und besonders für Basslinien, dürfte es schon ein wenig mehr sein.

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Die verschiedenen Parts bieten noch weitere Besonderheiten. So kann man mit den sogenannten “Stretch-Parts” (zwei an der Zahl) Samples so einsetzen, dass sich ihre Geschwindigkeit der Song- oder Pattern-Geschwindigkeit anpasst, ohne dass sich dabei die Tonhöhe ändert. Diese Funktionalität kennt man z. B. von Ableton und sie leistet wertvolle Dienste, wenn man seine Lieblings-Drumbeats auch einmal in einer Nummer einsetzen möchte, die zehn Schläge schneller ist als das Originaltempo der Samples. Ein weiterer Spezialagent unter den Parts ist der “Slice-Part”. Dieser ist in der Lage, ein Sample (leider nur mono) zu analysieren und (soweit es denn funktioniert) seine Bestandteile in einzelne Slices, also Scheiben, zu zerlegen. Füttert man die Funktion z. B. mit einem Schlagzeug-Groove, so kann man bei gelungener Mission explizit auf die einzelnen Teile des Samples zugreifen und so Bassdrum, Snare oder Sonstiges einzeln triggern. Auch diese Funktionalität ist von diversen Software-Tools bekannt. Dass Korg sie diesem kleinen Powerhouse spendiert hat, überrascht aber durchaus.
Die einzelnen Parts arbeiten alle erst einmal auf der Basis von Mono-Samples. Es lassen sich jedoch auch Stereo-Samples zuordnen, wobei dies nur bei 3 der 14 Parts möglich ist. Außerdem schlägt der Stereowunsch Lücken in unsere Part-Vielfalt, da der Electribe in diesen Fällen intern einfach zwei Parts zusammenfasst. Da Stereosamples gerade bei Schlagzeugsounds aber nicht die Norm sind und wir zudem insgesamt nicht wenige Parts zur Verfügung haben, ist diese Einschränkung zu verschmerzen.
Die Möglichkeiten, musikalische Elemente für die einzelnen Parts aufzunehmen und sie nach der Aufnahme zu editieren, sind durchaus beachtlich. Beim Einspielen kann man sich beispielsweise nicht nur step-by-step vortasten, sondern Phrasen für alle Parts auch live einspielen. Dies ist vor allem bei den Keyboard-Parts sehr sinnvoll. Möchte man das Ergebnis einer Aufnahme noch verbessern, kann man diese zudem recht detailliert manipulieren, indem man einzelne Noten wieder löscht oder ihre jeweilige Position und Länge ändert. Es stehen dem Nutzer also ausreichend Mittel zur Verfügung, dem Electribe auch ausgechecktere Details beizubringen.
Ein gerade bei elektronischer Musik gerne verwendetes Hilfsmittel ist der Arpeggiator, der deshalb auch beim Electribe nicht fehlen darf. Hier lässt er sich über den bereits erwähnten wackligen Schieberegler und einen Ribbon-Controller steuern, wobei einer die Höhe des Arpeggio-Grundtons verändert, der andere die Tonlänge. Der Benutzer kann sogar wählen, wem dabei welche Aufgabe zufällt.
Songs
Sobald wir genügend Patterns zusammenprogrammiert haben, können wir daraus auch einen Song erstellen. Dazu wechseln wir in den Songmodus. Dort werden zunächst die einzelnen Patterns wie in einem Baukasten beliebig aneinandergereiht, sodass eine komplexe Songstruktur entsteht. Allerdings wäre diese Funktionalität alleine ein wenig schlicht und würde uns doch sehr einschränken, da in diesem Fall die Patterns einfach unverändert und statisch hintereinander ablaufen müssten. Aber der Electribe gibt uns einige Mittel an die Hand, auf Songebene noch einmal ordentlich zu variieren. Ein sehr einfaches Feature ist die Tonhöhenveränderung. Damit kann ich einem Pattern an einer bestimmten Position im Song einen Pitch zuweisen, sodass die tonal relevanten Parts transponiert werden. Sehr viel ausgefuchster ist die Option, auch auf der Songebene noch einmal Manipulationen aufzunehmen, die in diesem Fall “Song-Events” heißen. Das können wiederum Bewegungen der Drehregler sein, also z. B. Cut-off, aber auch Spielereien am Arpeggiator oder sogar Sounds, die ich auf den Part-Tasten oder der Klaviatur dazu spiele. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, im Grunde noch mal Spuren über den gesamten Song hinweg aufzunehmen. Sehr fein. Besonders interessant bei diesen Events ist die Möglichkeit der Solo- und Stummschaltung einzelner Parts. Damit kann ich ein und dasselbe Pattern sehr unterschiedlich im Song einsetzen.

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