Hercules DJ 4Set Test

DETAILS

Ausgepackt
Bisher haben es die Franzosen jedes Mal geschafft, mich bereits beim Auspacken mit einem unerwarteten Gimmick zu verblüffen. Zum Beispiel stellte sich die Konsole MK4 mit einem Plastikdeckel nebst Overlay-Klebefolien vor. Der Control-Steel wie auch die 4MX hatten sogar eine gepolsterte Transporttasche an Bord. Im aktuellen Fall findet sich außer der Kontrolleinheit selbst, einem USB-Kabel, dem Handbuch und der Installations-CD nichts dergleichen im Paket. Umso größer ist die Neugier, was Hercules denn am Gerät für den anvisierten Verkaufspreis von knapp 250 Euro auffährt – die großen Jogwheels, das aufgeräumte Oberflächenlayout und das mattschwarze Design setzen jedenfalls bereits positive Akzente.   Das gedruckte Manual ist in sechs Sprachen abgehalten und erklärt auch in Deutsch die Handhabung des Controllers auf dreißig Seiten weitestgehend schlüssig. Ferner gibt es dem Neuling ein paar nützliche Tipps zum Thema Deejaying und dem Profi ein Appendix, welches die MIDI-Codes der einzelnen Bedienelemente enthält.

Lieferumfang_DJ4-Set_28

Erster Eindruck
Bei rucksackfreundlichen Maßen von 35 x 25 Zentimetern wiegt der Hercules gerade mal zwei Kilogramm. Das ist schon ziemlich leicht, wenn man bedenkt, dass im Inneren ein Interface werkelt und sich insgesamt fünf Fader, zehn Drehregler, 39 Schaltflächen und zwei Jogwheels a 12 cm Durchmesser auf der Oberfläche tummeln. In Kombination mit den dedizierten Shift-Tasten ist der Controller so in der Lage, auf zwei Kanälen der Wahl im Zweideck-Set 60 MIDI-Kommandos zu senden, respektive 112 Befehle im Quad-Betrieb (Einzustellen im Software-Panel). Das Layout wirkt dabei recht übersichtlich und aufgeräumt, weil die Bedienelemente zum Teil großzügig arrangiert und obendrein beschriftet oder bedruckt sind. Das sollte selbst Neulinge nicht überfordern. Die Platine sitzt in einem Kunststoff-Case, das sehr ordentlich verarbeitet ist. Die Schrauben sind versenkt, die Ecken abgerundet. Grate oder scharfe Kanten sind nicht vorhanden. Letztlich kann das Gehäuse aber nicht mit einer Vollmetall-Konstruktion konkurrieren, wenn es um die Road-ability im täglichen mobilen Einsatz geht.   Erfreulich groß fallen die vier Gummifüße an der Unterseite aus und sorgen für einen sicheren Halt. Stellt man den Controller auf den Kopf, blickt man zudem auf zwei Einstellschrauben für den Jogwheel-Widerstand.

Große Standfüße und Einstellschrauben für den Jogwheel-Widerstand
Große Standfüße und Einstellschrauben für den Jogwheel-Widerstand

Frontpanel und Backpanel
Über das Innenleben hüllen sich Verpackungsaufdruck und Handbuch in Schweigen. Der Mac weist zunächst ein 16Bit/44,1kHz-Interface aus, was in Anbetracht der anvisierten Käufergruppe und der Preisklasse in Ordnung ginge. Im Control-Panel gibt es jedoch einen Audioreiter, der die Hardware auf 24Bit-Betrieb umschaltet. Das ist erfreulich, richtig schön wär an dieser Stelle noch eine Rate von 48 kHz gewesen. Ist aber nicht.  
Etwas unkonventionell sind für mich die Audio-Ausgänge auf der Rückseite, denn hier sehe ich neben dem obligatorischen Master Cinch-Out einen geklonten Ausgang im Miniklinken-Format, der sich direkt weder an die Mehrzahl handelsüblicher Monitorboxen noch an eine zweite Stereo-Anlage anschließen ließe. Also nix mit Klinken, XLRs oder einem zweiten Cinch-Paar. Für den Profi ärgerlich, für den Einsteiger vielleicht gerade richtig, denn so kann er sich ganz einfach in sein Kämmerlein zurückziehen, sich vor den Desktop-Computer setzen, die PC-Boxen einstöpseln und erst mal ein wenig bei gemäßigtem Pegel üben, bevor er die Freundin, den Rest der Familie oder die Studenten-WG mit seinen Künsten beglückt und sich Beschallungsgerätschaften mit mehr „Rums“ kauft. Wer keine PC-Boxen nutzen möchte: Zum Abhören gibt es bereits unter 100 Euro interessante Nahfeld-Monitore, wie die Alesis M1Active 320USB mit Bass-Boost (Test hier), die mit einer 3,5mm-Buchse aufwartet.  
Neben den Audioausgängen findet sich am hinteren Anschlussfeld noch die USB-Buchse Typ-B, die den MIDI-Controller und das Interface mit Betriebsspannung versorgt. An der Vorderseite sind zwei 6,3 Millimeter Klinkenbuchsen eingelassen. Rechts für das Mikro, links für den Kopfhörer. In Anbetracht der Zielgruppe hätte hier vielleicht ein zweiter Kopfhörerausgang mit 3,5 mm nicht geschadet, denn dieses Format ist bei vielen Consumer-Ohrschellen – im Gegensatz zu Studio-Kopfhörern – vorherrschend.

Fotostrecke: 3 Bilder

Layout
Der Testkandidat legt das bewährte Deck-Mixer-Deck-Layout an den Tag. Links oben ist die Mikrofonsektion beheimatet, die aus einem Gain-Regler nebst Einschaltknopf besteht, rechts oben befindet sich die Kopfhörer-Sektion mit Cue-Mix und Volume-Drehknopf. Im Zentrum residiert der Mixer. Er startet mit einem griffigen Dreiband-EQ und dem Regler für die Hauptlautstärke, dessen Faderkappen für meinen Geschmack etwas weit über der Bedienoberfläche schweben und Aufgrund mangelnder Einlagen etwas anfällig für den Staubeintritt erscheinen. Darauf folgen die Vorhörtasten, zwei 45-Millimeter-Upfader mit angenehmem Widerstand, ein leichtgängiger Überblendregler von vier Zentimetern Länge sowie je ein Button, um die Scratch-Funktion und das Harddisk-Recording einzuschalten. Die Channel-Fader gleiten ohne zu haken, sind aber etwas locker eingebaut, was sich in seitlichem Spiel bemerkbar macht. Heruntergezogen stehen sie ziemlich nahe am Jogwheel, so dass nicht einmal mein kleiner Finger gefahrlos dazwischen passt. Fairerweise muss ich aber sagen, dass es beim Mixen nicht zu Komplikationen kam. Das kann allerdings anders sein, wenn man mit großen Fingern ausgestattet ist.  
Der Crossfader kann zwei Blendausrichtungen (Mix und Scratch) annehmen, was im Softwarepanel festzulegen ist. Zudem lässt sich die Zuweisung der vier Softwaredecks auf die Crossfader-Pole frei verteilen. Einen Kontur-Regler für Scratch-Deejays bietet die Hardware nicht.

Jetzt fragt sich vielleicht mancher aufmerksame Leser, ob ich vergessen habe, die Channel-Gains  zu erwähnen. Nein, habe ich nicht. Ich muss vielmehr feststellen, dass sich zum wiederholten Male ein Einsteigercontroller ohne Aufholverstärkung ins Haifischbecken Deejay-Gear wagt. Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob dies eine gute Entscheidung ist. Meiner Vorstellungsweise einer rundum gelungenen Mixersimulation entspricht das jedenfalls nicht. Selbst unter Beachtung, dass die Lautstärke der Titel meiner Musikbibliothek sehr gut aufeinander abgestimmt ist. Hier verbirgt sich meiner Meinung nach ein gewichtiger Kritikpunkt.    
Den Abschluss in dieser Sektion bilden sechs Steuerelemente auf 12Uhr-Position – sie navigieren durch die Musikbibliothek auf dem Computer. Einer mauslosen Performance steht von dieser Seite somit nichts im Wege, wenngleich ich zugeben muss, dass ich eher ein Fan von Encoder-Browsing statt Tastennavigation bin, weil man damit doch deutlich zügiger unterwegs ist. Die Hercules-Buttons sind im Übrigen aus einem milchigen Kunststoff konstruiert und vergleichsweise hart. Den Druckpunkt finde ich etwas gewöhnungsbedürftig. Zudem hätten Cue und Play ruhig  größer ausfallen dürfen. Viele der am Gerät befindlichen Schaltflächen sind beleuchtet, aber nicht alle. Sowohl die Up- und Down-Buttons der Navigation als auch die Pitchbend- und Spultasten blinken bei Betätigung nicht auf. Da sie allerdings nur punktuell getriggert werden und keinen Dauerstatus anzeigen müssen, ist das zu verschmerzen.

Tasten statt Browser-Encoder
Tasten statt Browser-Encoder

Etwas schade finde ich, dass sich die Entwickler nicht für eine (dimmbare) Grundbeleuchtung der Tasten entscheiden konnten, was dem Testkandidaten in dunkleren Umgebungen deutlich zum Vorteil gereicht hätte. Klar, Tante Trude´s 70. Geburtstagsparty wird vielleicht im Festsaal des Pfarrheims stattfinden und nicht in einem Darkroom des Berghains – aber man weiß ja nie, wo es einen im Laufe der Zeit so hin verschlägt.  
Jogwheels
Eine der Hauptattraktionen sind die großen 120Millimeter-Jogdials, die mit 256 Schritten pro Umdrehung, was 1,4 Grad pro Teilung entspricht, durch die Partylandschaft ziehen. Das ist doppelt so fein aufgelöst wie beim MK4 oder RMX und geht für den Preis absolut  in Ordnung. Zum Vergleich: Der viermal so teure Numark NS6 (UVP: 1199 Euro) hat eine Auflösung von 3600 Ticks pro Umdrehung.  
Die Jogwheels reagieren auf Druck, sind also mit einer Button-Funktion ausgestattet. Laut Herstellerangaben reagieren sie bei weniger als 1,5 Gramm und einem Millimeter Hub. Da es sich um einen mechanischen Auslöser handelt, ist es nicht möglich, den Druckauslöser an individuelle Anforderungen anzupassen – wie etwa bei einem metalloxidbeschichteten Touch-Sensor.  
Der physische Widerstand des Jogwheels kann beim Drehen jedoch mittels der Einstellschraube unter dem Gerät reguliert werden. Er reicht von eher weicheren Drehungen mit starkem Nachlauf, über ein CDJ-artiges Verhalten mit einem hörbaren Laufgeräusch und kürzeren Pitchbends, bis hin zum quasi deaktivierten Teller. Der DJ kann die für ihn aus haptischer Sicht beste Voreinstellung treffen. Außerdem kann er die Teller in basslastigen Umgebungen einfach etwas anziehen und ist relativ gut gegen Vibrationen geschützt. Reicht dies bei der Baustellenbeschallung neben einem Presslufthammer nicht aus, einfach komplett in der Software deaktivieren.  
Die Räder zeigen einen inneren Leuchtring (leider ohne Positionsindikator), der je nach gewähltem Deck grün oder rot illuminiert – und erlöscht, sobald der Button auslöst. Während der Wiedergabe arbeiten die Jogwheels im Pitchbend-Modus. Die Scratch-Funktion ist mit dem Scratch-Button einzuschalten. Im Pausenmodus ist es möglich, mit den Tellern durch den Song zu navigieren. Das lässt sich gleichfalls mit den Spultasten realisieren, die etwas weiter nördlich untergebracht sind. Über das Control-Panel ist es obendrein möglich, die Teller für jedes einzelne Deck zu deaktivieren. Das i-Tüpfelchen ist für mich indes die vierstufig anpassbare Übersetzung. Im Auslieferungszustand bedeutet eine Umdrehung des Jogwheels am Controller ebenfalls einer Umdrehung in der Software, was etwa drei Sekunden bei einem 120 BPM Track entspricht. Wem das zu grob erscheint, der kann ein Verhältnis von 1:2, 1:4 oder 1:8 angeben, was nicht nur eine Auswirkung auf das Spulen im Song, sondern vor allem auch aufs Pitchbending beim manuellen Beatmatchen hat, weil die Temposchubser bei kleineren Unterteilungen filigraner sind. Kurz gesagt: Ich hatte schon deutlich schlechtere Jogwheels für deutlich mehr Kohle unter den Fingern. Prima! Nachstehend ein Vergleich.

Fotostrecke: 5 Bilder Die Teller sind wirklich klasse geraten…
Audio Samples
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Pitchbend 1:1 Pitchbend 1:4 Pitchbend 1:8

Tempobezogenes
Der Pitchfader ist leicht erhöht über den Jogwheels zu finden und hat eine Länge von 45 Millimetern. Er dirigiert die Abspielgeschwindigkeit eines Songs in einem zuvor in der Software festgelegten Rahmen (+/- 6,12, 25, 50, 100). Die Standardeinstellung beträgt +/- 12 Prozent, wobei der Fader Feinanpassungen in Zehntel-BPM zulässt. Er kann sowohl mit 7 Bit als auch mit 14 Bit operieren. Voreingestellt sind 14 Bit, jedoch ist nicht jede DJ-Software in der Lage, diese zu interpretieren – daher die Wahlmöglichkeit. Gut so.  
Eine Zeile höher sitzen die Pitchbends. Sie beschleunigen oder bremsen einen Titel kurzzeitig mit ansteigendem Zuwachs, bis sie den Maximalwert erreicht haben. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Beats zweier temposynchroner Songs mit zwei, drei kleinen Tastenhieben übereinanderlegen. Wer noch üben muss, löst alternativ die automatische Angleichung mittels SYNC aus. Aber Vorsicht, das kann auch schief gehen. Dazu mehr im nachfolgenden Praxisteil, wo wir unter anderem auch den klanglichen Aspekten, dem Workflow und den Kreativsektionen auf den Zahn fühlen.

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