Gemini CTRL-One Test

PRAXIS
Zunächst gilt es, die beiliegende Software aufzuspielen und mit der Seriennummer freizuschalten, was reibungslos funktionierte. Von Gemini-Groove fehlt leider jede Spur, dabei wäre es doch eine gute Gelegenheit, die eigene Software mal ein wenig unters Volk zu bringen. Auf der CD befindet sich stattdessen ein alter Bekannter: Virtual DJ Version 6.12. Leider steht auf der Website aktuell kein kostenloses Versionsupgrade auf Nummer 7 bereit. Wer mit der aktuellen Vollversion liebäugelt, die als Einzige in der Lage ist, individuelle Controllermappings einzubinden, muss zum Testzeitpunkt 141,50 Euro berappen. Das deckt sich in etwa mit der Investition, die Traktor-User heuer für den Sprung von Light auf Pro zahlen. Davon abgesehen benötigt der DJ-in-Spe ein geeignetes Audio-Interface, um ein Signal an die Stereoanlage auszugeben und gleichzeitig die Vorhörfunktion einer DJ-Software zu nutzen. Ich persönlich empfinde das Audio2-DJ von Native Instruments als geeignete Wahl, weil es über solide Klangeigenschaften verfügt und mit 72 Gramm auch vom Gewicht her gut zum CTRL-One passt. Das Interface besitzt zwei 6,3-Millimeter-Klinken-Ausgänge und wird mit den benötigten Adapterkabeln geliefert. Ein Kopfhörer kann daher auch direkt oder mit 3,5 Millimeter Adapterstück in eine der Klinkenbuchsen eingesteckt werden. An der Seite ist für jeden Kanal ein kleines Einstellrad für die Lautstärke auf dem Kopfhörer angebracht.

Native Instruments Audio 2 - Der ideale Reisebegleiter für unseren Controletti?!
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Ein Blick in die Preferences zeigt, dass Virtual-DJ LE in sämtlichen seiner Feintuning-Optionen beschnitten wurde und lediglich die Einstellung des Audio-Routings erlaubt, wobei die Timecode-Kontrolle und das Ausspielen von zwei separaten Kanälen an ein externes Mischpult nicht vorgesehen sind. Für den Gemini wird in den meisten Fällen die PA/Kopfhörer-Einstellung gewählt werden, die mit jedem angeschlossenen Audio-Interface zu realisieren ist. Unter Virtual-DJ muss nicht unbedingt ein Vierkanal-DJ-Interface eingesetzt werden. Wer zum Beispiel bereits über ein Studio-Interface verfügt, kann dieses genauso verwenden. Zudem akzeptiert VDJ auch die Ausgabe über unterschiedliche Soundlösungen, wie zum Beispiel die Notebook-Soundcard und einen USB-Audio-Stick zum Vorhören, was Einsteigern sicherlich zunächst ausreichen könnte, wäre da nicht die fehlende MIDI-Learn Funktion. Wieso? Lest weiter …

Master_Volume

VDJ 6
VDJ6 ist ein Programm zum Abspielen und Mixen digitaler Audio- und Videodateien der Formate MP3, AAC, AIFF, WAV, WMA, OGG., DIVX, MPEG oder MOV. Spielt ein Deck einen Titel ab, beginnen die mittleren virtuellen Plattenteller zu rotieren. Jede der beiden Abspieleinheiten zeigt die aktuelle Wiedergabeposition eines Musiktitels in einer farbigen Wellenübersicht an. Die clickbare Waveform dient auch zur Navigation im Song. Kleine Rechtecke repräsentieren die einzelnen Takte im Audiostrom und erleichtern dem Einsteiger und dem fortgeschrittenen DJ das holperfreie Beatmatching. Ferner visualisiert die Software bis zu drei Cue-Punkte, die sich bequem vom Controller setzen und abrufen lassen. Auch die Loop- und Effekt-Sektionen sind derart gestaltet, dass der DJ an der Hardware einen intuitiven Zugriff erhält, ohne lange nachzudenken, welche Taste wohl welches Feature auslöst – eine ziemlich nahtlose Integration. Die Musikverwaltung ist im unteren Teil des Bildschirms untergebracht. Der Dateibaum gibt Zugriff auf Partitionen, Musikordner, iTunes, USB-Sticks, Wechselfestplatten und MP3-Player. Zudem hat der DJ die Möglichkeit, eigene virtuelle Plattenkisten anzulegen. Datei-Informationen und Tags werden bequem über den VDJ-Editor editiert. Ferner kann der DJ mit Net-Search Audio- und Video-Streams aus dem Internet einbinden. Hier gibt es einen ausführlichen Test zu Atomix Vorzeigeapplikation.

Fotostrecke: 4 Bilder Screenshot der GUI von VDJ6

Workflow und Handling
Sobald der Controller an den USB-Port angeschlossen ist, signalisiert die rote Power-LED Betriebsbereitschaft. Die Stromversorgung geschieht wahlweise über den USB-Anschluss oder ein optionales 5V/1A-Netzteil. Dann noch die Software hochfahren und es kann losgehen. Schön, dass man sich bei GEMINI für einen Master-Volume Drehregler entschieden hat, der oben rechts eine passable Position einnimmt und sicherheitshalber erstmal runtergeregelt wird. Mit dem Encoder und den Browser-Buttons sind die beiden ersten Songs meiner Playlist schnell geladen und mit den Sync-Buttons auf Gleichlauf gestellt.

Sync

Dies umfasst Takt und Geschwindigkeit – vorausgesetzt das Beatgrid stimmt. Die Wellenform bestätigt in diesem Fall übereinanderliegende Downbeats. Doch ob sie wirklich bis ins Millisekündchen synchron sind oder ob eine Kick-Drum hinterherschleift, kann nur der Hörtest belegen – bevor die Equalizer und Fader ans Werk gehen. Doch Stop. Mir stockt fast der Atem, wo sind denn die Vorhörtasten? Die obligatorischen Cue-Buttons zum inoffiziellen, unbemerkten Belauschen der einzelnen Kanäle? Nicht da? – Nicht da! Für mich persönlich ein absolutes No-Go, das einen Einsatz in elektronisch verwurzelten, in housigen oder technoiden Partykellern quasi unmöglich macht und daher wertvolle Punkte kostet. Auch wenn im Mainstream, auf der Abi-Party, im Fitnessstudio oder in manchem Webcast nicht so viel beatgemixt wird – Vorhören ist auch hier meist unerlässlich. Einen kleinen Kritikpunkt sehe ich auch in der Positionierung der Flachbahnregler: Die Linefader liegen gerade mal rund sieben Millimeter vom äußeren Rand des Jogwheels entfernt, sodass man die Fadercap bei impulsiven Cuts nicht zu weit auf der jeweiligen Außenseite erwischen sollte, um nicht am Jogwheel hängen zu bleiben.

BPM

Aufgrund der kompakten Bauweise sind die Pitchfader zum manuellen Angleichen der Geschwindigkeit – wie bei vielen anderen DJ-Controllern – auf die mittlere Flankenposition gewandert. Daran gibt es nichts auszusetzen. Der Regelbereich lässt sich in neun Schritten von 6 bis 100 Prozent festlegen. Auf den unteren Stufen sind somit Tempoanpassungen von 0,1 Prozent Pitch oder 0,1 BPM bei einem 127 BPM-Track möglich. Gute Werte. Die Deadzones sind zudem erfreulicherweise sehr klein ausgefallen, sodass sie in der Praxis kaum eine Rolle spielen sollten. Zwei Bend-Taster liegen ein Stück weit darüber, ebenso wie der Button für das Master-Tempo, zum Einschalten des gut drei Prozent artefaktfreien Software-Keylocks. Die Tempobeuge der Bends ist im Übrigen nicht von der ausgewählten Pitch-Einstellung abhängig, sondern liegt durchweg auf gleichem Niveau. Mit dem Wheel im Nudge-Modus hingegen ist quasi ein punktueller Stillstand möglich. Eine Visualisierung der Geschwindigkeitsabweichung in Prozent führt die Software während des Nudge-Vorganges nicht aus.

Audio Samples
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Autopitch Pitchbend Nudge Fine

Auf die Implementierung des Samplers wurde bei Gemini besonders viel Wert gelegt, was sich in zwei Encodern, einer Taste und sage und schreibe 12 LEDs pro Bank widerspiegelt. Mit dem Sampler-Selector fährt der DJ einen Sample-Slot an und kann ihn dann über den Encoder oder den Sample-Play Button abfeuern, was im Falle eines beladenen Platzes mit einer blinkenden LED quittiert wird.  Dadurch ist eine Übersicht über laufende Slots jederzeit gegeben. Für das jeweils aktive Schnipsel setzt Sampler-Volume die Lautstärke. Damit lässt sich arbeiten. Der DJ sollte aber nicht erwarten, Echtzeit-Remix-Manöver im Stile eines NI-S4 abfeuern zu können. Das liegt natürlich zum einen an der VDJ-Software selbst, zum Anderen an fehlenden Schaltflächen und Optionen zum gleichzeitigen Steuern der gesamten Bänke. Aber der Vergleich hinkt eh, denn zum Preis eines NI-S4 (899 Euro Street) bekommt man auf der Straße fast vier CTRL-One Einheiten. Nein, ich sehe den Sampler hier eher als eine gute Option, unkompliziert einen Webcast-Opener oder Werbe-Jingle abzufeuern oder einen Break einzuspielen. Zwölf Plätze würden dafür ausreichen, doch leider fiel die Option ein Sample zu laden dem Rotstift zum Opfer. Das bedeutet für den Anwender, daß er ohne Vollversion lediglich die vorgegebenen Audioschnipsel nutzen oder neues Material nur aus dem laufenden Master-Mix extrahieren kann. Jammerschade. Hier mal etwas Sampler-Eigenfutter:

Audio Samples
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Sample Pump it Sample Push Sample Sax Sample Siren Sample This

Eine kleine Anmerkung zu den mitgelieferten internen Samples sei mir noch gestattet. Der Copyright-Text im Ordner Samples besagt:
„Some of the samples provided with this software ARE NOT FREE OF RIGHT. If you include any or all of them in an original composition of your own, you are responsible for getting clearance of use from the original owners of these samples.“
Liebe Atomix-Crew, ja muss das denn wirklich sein? Kann man statt dessen nicht lizenzfreie Sounds ins Paket packen?
Je zwei Schaltflächen und Drehregler widmen sich der Effektsteuerung. Taste eins wählt einen der fünf implementierten VDJ-FX aus, Taster zwei schaltet scharf. Die Effektracks sind ihrem jeweiligen Deck fest zugeordnet und werden über PARAMETER 1 und PARAMETER 2 dirigiert. Wobei zu erwähnen ist, dass Gemini das Konzept gut auf die Hardware projiziert, Virtual-DJ allerdings nur beim Flanger und beim Backspin beide Parameter Encoder nutzt. Beim Break funktioniert nur einer, bei den beiden restlichen keiner. Auch klanglich können die FX nicht mit den Platzhirschen Traktor und Serato mithalten, aber das ist ein Thema, welches wir in einem anderen Artikel näher betrachten werden.
Das Beleuchtungskonzept wiederum ist unterm Strich als gelungen zu bewerten. Wo es nötig ist, respektive Statusmeldung erforderlich ist, illuminieren die Tasten, sodass der DJ auch in dunklen Umgebungen zielsicher unterwegs ist.
Die Anordnung der Hotcues über dem Teller ist aus Cuejugglers-Sicht nicht meine favourisierte Lösung. Um damit Intro, Hauptteil, Outro oder Scratchmarker anzufahren, ist die Position indes geeignet. Vom Controller aus lassen sich die Marker recht komfortabel positionieren, wenn man im Pausenmodus bei aktivierter Search-Taste grob an die gewünschte Position navigiert (eine Umdrehung macht rund zwanzig Sekunden aus), und dann bei deaktivierter Search-Taste die Feineinstellung (0,4 Sekunden pro Turnus) vornimmt. Am besten bei hochskalierter Wellenform.

HotCues

Loops werden über die obligatorischen Tasten IN und OUT definiert. Was die Positionierung der Marker angeht, konnte ich keine Quantisierung auf den nächsten Beat feststellen. Allerdings wird die Länge des Loops automatisch auf die Länge des Auto-Loops gesetzt (1/8 bis 32), was auch der möglichen Teilung über zwei separate Tasten entspricht. Beim Upscaling ab ¼ können je nach Auslösezeitpunkt wie bei den meisten Softwares Taktversätze stattfinden.

Loops

Gemini Groove
Obwohl nicht zum Lieferumfang gehörend und zudem nur für Windows-User gedacht, lassen wir Groove trotzdem nicht außen vor, sondern werfen im Bootcamp einen kurzen Blick auf die Software. Nachdem die Installationsroutine ihre Arbeit beendet hatte und die erforderlichen Audioroutings in der Setup-Datei in Groove vorgenommen waren, gilt es den Controller einzubinden, was aufgrund der bildhaften Darstellung in den Preferences kein Problem darstellte. Die Funktionen sind in vielerlei Hinsicht identisch, sieht man einmal davon ab, dass der Sampler Dateien laden kann und die Effektabteilung Flanger, Phaser, Reverb und Delay im Programm hat. Bei den Effekten ist je ein Parameter- und ein Dry-Wet-Regler am Start. Ansonsten gibt es clicksensitive Wellenformen, mit den „typischen“ 3 Zoomfaktoren und eine Musikverwaltung mit Datenbank.

Fotostrecke: 2 Bilder Screenshot der GUI von Geminis Groove

Bevor es nun ans Fazit geht, möchte ich noch einmal erwähnen, dass sich der CTRL-One, trotz seines in einigen Punkten durchaus vorhandenen Verbesserungspotenzials, nicht hinter den Konkurrenten der Interface-losen Dualdeck MIDI-Controller verstecken muss. Vor allem, wenn man sich die direkten Mitbewerber im Preissegment um die 200 Euro anschaut.  Zum Beispiel dem fast doppelt so großen Numark Mixtrack oder dem, was die Bedienelemente angeht, qualitativ und quantitativ unterlegenen DJ-Tech iMix USB. Meine anfängliche Frage, ob die DJ-Welt in Zeiten wandelnder Software-Features tatsächlich eine weitere oder immer wieder neue Controllerpaletten benötigt, möchte ich daher so beantworten: immer wieder aufs Neue und immer wieder gern. Stellt euch mal vor, man hätte in den fünfziger Jahren einfach aufgehört, Gitarren zu bauen, nur weil Elvis ein ordentliches Exemplar hatte!?

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