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FOH-Engineer, warum tue ich mir das nur an?

Regelmäßige Arbeitszeiten werden ohnehin überbewertet

Die Medien sind voll von Diskussionen über Arbeitszeiten, für die Techniker der Event-Szene vermutlich gar nicht erst aufstehen würden. Ist bestimmt sinnvoll. Für die soziale Marktwirtschaft, für den Zusammenhalt der Gesellschaft und was weiß ich nicht alles. Für dich als weitreisender FOH klingt das vielmehr nach Kindergarten mit einem Hauch von Bullerbü. Was würden die da unten wohl denken, wenn du nach dem dritten Song des Abends deine Klamotten zusammenpackst, kurz noch die Karte in die Stechuhr schiebst und nach Hause fährst? Über derartigen Wohlstandsluxus brauchst du dir den Kopf nicht zermartern.

(Bild: Fotolia; Credits: WavebreakMediaMicro)
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Wenn andere Leute Dienstschluss haben, fängt der Job oftmals gerade erst an. Klingt dämlich bis schlecht? Nein. Klingt es nicht. Wer hat denn behauptet, der 9-to-5 Job sei erstrebenswert? Du gehörst zur bodenständigen Spezies Mensch und magst dich nicht rastern lassen. In einem korrektiven Raster kämst du nicht zurecht. Und in ein kaufmännisches Büro kann man dich schon lange nicht mehr zwängen. Für dich ist es gut so, wie es ist. Hat schließlich auch automatisch eine Portion Freiheit mit Outlaw-Nimbus im Gepäck.

Was soll am Kindheitstraum negativ sein?

Wer sich nur ausgiebig Mühe gibt, kann sich mit ein bisschen Fantasie auch die allerbesten Dinge schlecht reden. Glücklicherweise hat jede Medaille mindestens zwei Seiten. Da nörgeln die Menschen gerne mal darüber, dass man im Tour-Betrieb fast nie zu Hause ist, wenigstens nicht in der Hauptsaison. Ständig müsse man in anderen Städten übernachten, womöglich sogar im Ausland. Ja, geht’s noch? Das war doch mal der Traum der Jugend. Eines Tages wolltet ihr rumkommen und vieles von der Welt sehen. Andere Mentalitäten und Menschen kennenlernen, sämtliche fernen Eindrücke in euch aufsaugen. Und plötzlich habt ihr das vergessen und wollt dem FOH den Job miesmachen?
Zugegeben, manchmal sieht man von den Städten, in denen die Gigs abgehalten werden, außer Hotel und Location nicht viel. Dann sind wieder Unterbrechungen im Tour-Plan oder wenigstens für ein paar Stunden und man kann sich doch mal umsehen. Städte erleben, die die meistens Kumpels aus der Schule nur von der Landkarte oder aus dem Internet kennen. Auf interessante Menschen treffen, mit denen sich im Laufe der Jahre förmlich ein weltweites, kollegiales und oftmals auch freundschaftliches Netz der Kontakte spannen lässt. Das sind Eindrücke und Kontakte, die dem Tour-erfahrenen FOH und Stage-Techniker keiner mehr nehmen kann. Nie wieder.

In der zweiten Reihe aus gesicherter Überzeugung

Klingt in den Ohren von Künstlern und Musikern fremd, ist aber eine Tatsache: Es gibt durchaus Menschen, die haben keinerlei Interesse daran, permanent im Mittelpunkt zu stehen. Die haben die lobenswerte Einstellung, es gäbe durchaus noch einen anderen Sinn im Leben, als sich ständig bejubeln und beklatschen zu lassen. Musik macht ihnen Spaß. Aber man muss ja nicht zwangsläufig on-stage seine Brötchen verdienen. Ist ohnehin der vielzitierte Sechser im Lotto, ob man’s in die vorderen Ränge schafft. Und falls ja, dann ist die Karriere meistens ähnlich kurz wie der Lebenszyklus einer Fliege, die sich auf dein Frühstücksbrot traut.
Die langlebigen Bühnen-Dinosaurier kann man an wenigen Händen abzählen. Die aktuellen Stars sind meistens von einer gigantischen Medienmaschinerie gepuscht und in gleichem Maße auch von ihr abhängig. Wer nicht mehr in den Marketingplan der A+R-Abteilung passt, wird fallengelassen wie die berühmte heiße Kartoffel. Klar ist, dass die vorderste Künstlerreihe immer die wackligste überhaupt ist. Und Kunst kam ja eigentlich mal von Können. Mit einigermaßen verlässlicher Lebensplanung oder sogar einem wenigstens in Eckdaten geregelten Alltag hat das herzlich wenig zu tun. Trotz aller Unwägbarkeiten bietet der FOH-Job demgegenüber gefühlte Sicherheit. Ist doch auch was.

Es ist nun mal so

FOH-Techniker sind (meistens) auch Musiker. Musiker im Umkehrschluss nicht zwangsläufig Techniker. Höchstenfalls auf ihr eigenes, spezielles Equipment bezogen. Und mal unter uns: Das fühlt sich durchaus gut an, wenn man als Techniker dafür sorgt, dass die Band da oben ein geiles Konzert abliefern kann. Es geht nicht um Macht. Es geht um Hilfestellung. Nicht im Sinne der Samariter, aber doch im Sinne der gegenseitigen Wertschätzung und der kollegialen Verbindlichkeit. Jeder macht schlichtweg das, was er kann. Arbeit, Interesse und Lebenseinstellung reichen sich beim FOH-Job die Hand. Und das Interesse liegt möglicherweise nicht bei irgendeinem speziellen Instrument, sondern – und das ist letztlich der Grund, weshalb man die Ausbildung gemacht hat – eher bei der Technik selbst.

Fällt eine Tür zu, geht eine andere auf

Übrigens war es lange Zeit so, dass es zwar Ausbildungsmöglichkeiten gab. Wirklich genutzt wurden die nur von einem geringen Teil. Häufig saßen Autodidakten an den Pulten. Und die mussten keinesfalls schlechter oder weniger sachkundig sein. In der Schule oder auf der Uni lernt man Theorie. Eine Ausbildung zum Tontechniker dauert üblicherweise 12 – 18 Monate.
Das heißt, viele Soundzauberer sind einfach ihren ganz individuellen Weg gegangen. Sie haben sich vielleicht im Laufe ihrer Bühnenzeit die speziellen Kenntnisse angeeignet und sind dann gewissermaßen vom Spielfeld auf die Trainerbank gewechselt. Andere haben vielleicht bei einer Rental Company gearbeitet und haben sich dann im Laufe der Zeit auf Tontechnik spezialisiert. Warum? Keine Ahnung, ist schon so lange her. Es war einfach gerade mal kein anderer da. War wie bei den Beatles. Die hatten keinen Bassisten, also hat Paul McCartney sich das Ding umgeschnallt. Irgendwer muss es ja machen. Kurze Rede, langer Sinn. Der Weg ist nicht immer wirklich geplant. Viele Dinge im Leben ergeben sich einfach. Fällt eine Tür hinter dir zu, geht vor dir plötzlich eine andere auf. Und schon hast du eine neue Aufgabe. Und das ist bei aller branchenüblicher Nörgelei doch toll, oder?

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