Focusrite Midnight Plug-in Suite Test

Details:

Die ISA110 und ISA130 Kanalzüge sind echte Klassiker im Tongeschäft und wurden in der berühmt-berüchtigten Focusrite Forte Konsole verbaut, welche hervorragend klang, aber leider zum finanziellen Fallstrick für den Focusrite-Gründer Rupert Neve wurde, so dass er die Firma letzten Endes verkaufen musste. Und um genau deren klangliche  Nachbildung geht es bei dieser Software-Emulation. Herr Neve war hierbei allerdings nicht weiter beteiligt.

Klar, dass ein PlugIn nicht über Mic-Pres verfügen kann, deshalb präsentiert man sich auch rein optisch nicht ganz am Original, sondern spendiert dem PlugIn-Interface ein komplett neues und moderneres Design, optimiert für die Hand-Maus-Bedienung. Anstelle des originalen Mattlacks gibt es jetzt also eine Glossy-Photoshop-GUI, die nur noch an echte Hardware erinnern soll.
Aber zurück zu den Fakten: Die Focusrite Midnight genannte PlugIn-Suite ist ein eigenständiges Produkt und keine Version 2 der Forte Suite und bietet einen Stereo-EQ und einen Stereo-Kompressor im Bundle. Nach der Installation finden sich also zwei neue PlugIns im Effekt-Ordner, auf explizite Mono-Versionen hat man allerdings verzichtet.
Neben dem RTAS-Standard wird nun auch direkt VST und AU unterstützt, sogar 64Bit Versionen sind dabei. Den TDM-Support gibt es weiterhin nur exklusiv mit der Forte-Suite (RTAS und TDM). Dieses Bundle bietet zwar noch einiges mehr, kostet aber auch rund viermal so viel.

Beginnen wir bei dem Vierband-EQ, der ist recht pragmatisch aufgebaut und erklärt sich eigentlich fast von selbst:

Oben, links und rechts, stehen zum “Eintopfen” des Signals je ein Hoch- und ein Tiefpassfilter mit fester Flankensteilheit zur Verfügung. Direkt darunter, und für die Bearbeitung der Bässe und Höhen gedacht, findet sich je ein Shelf-Band, wovon jedes seinen eigenen Arbeitsbereich kennt: 33 bis 270 Hz bzw. 3,3 bis 15 kHz sind hier jeweils möglich. Die Pass-Filter arbeiten in etwa ähnlich großen Frequenzbereichen und sind damit sehr großzügig ausgelegt. Eine Regelung der Güte ist allerdings bei beiden nicht vorgesehen. Hier hält man sich strikt an das Original, dessen weiche und sanftmütige Flanken bereits für seidige Höhen bekannt sind.
Die Mittenbearbeitung ist den beiden vollparametrischen Glocken-EQs vorbehalten, die natürlich in der Filtergüte regelbar sind und zwar von 0,67 bis 4. Im Gainbereich bieten beiden Bänder einen Arbeitsumfang von etwa +/-16 dB. Der untere Mittenentzerrer verrichtet seine Dienste dabei im Bereich von 40 Hz bis 1,2 kHz, der obere im Bereich von 600 Hz bis 18 kHz.
Um Übersteuerungen abzufangen oder aber um das PlugIn bewusst „heiß zu fahren“,   gibt es einen Output Gain-Regler, der den Ausgangspegel im Bereich von +/- 18dB regelt und dabei direkt neben dem VU-Ausgangs-Meter sitzt. Dieses optische Kontrollorgan vermittelt dank seiner virtuellen Trägheit einen guten Überblick über die Ausgangsdynamik und warnt einen so vor Übersteuerungen, bleibt aber leider das einzige Monitorelement seiner Art. Ein „fancy“ Graphic-EQ war den Grafikern wohl nicht 80s genug…
Der Compressor hingegen ist nicht mehr ganz so Original: Ihm fehlen Expander/Gate, ein De-Esser und Side-Chain, was die Forte-Suite noch alles mitbrachte. Bis auf den Side-Chain ist das aber gar nicht so tragisch: Gates benutze ich persönlich nur als Effekt und dann die meiner DAW. Zur Spurensäuberung benutzte ich hingegen lieber „Cut“ und schneide den Schmutz so per Hand weg.

Doch nun genug der Kritik! Was sichtbar besser geworden ist, ist der „größere“ Look der PlugIns, was die Bedienung enorm vereinfacht und einen nicht permanent zwingt, die Augen zusammenzukneifen.
Beginnen wir links bei dem In Gain-Regler, der für eine Eingangsverstärkung sorgt, die vor allem im Zusammenspiel mit dem Threshold-Regler rechts davon ihre volle Wirkung bezüglich leichter Sättigungseffekte ausspielt. Wieder sind -18 dB über 0 bis +18 dB vorgesehen. Der Threshold regelt das Einsetzen der Komprimierung ab einem bestimmten Wert und kann hier von -50dB bis -10dB eingestellt werden. Damit komprimiert der Kompressor quasi schon im „Leerlauf“, denn auch der daneben befindliche Ratio-Regler ist mit dem Minimalwert von 1,5 schon im aktiven Arbeitsbereich. Dieser lässt sich für den Limiting-Betrieb auch auf das übliche „Unendlich“ erhöhen.
Im darüber befindlichen Threshold In/Out-Meter kann anhand der Nadel entweder der Input- oder der Output-Pegel abgelesen werden. Das ist ähnlich wie beim EQ gelöst, der allerdings nur die Output-Darstellung kennt. Die träge Nadelvisualisierung hilft dabei den ungefähren RMS-Wert lesen zu können, Peaks werden so eher nicht erkannt, aber die hört man schon auch. Außerdem wird der Threshold mittels blauer Pseudo-Lichterkette dargestellt, was es erleichtert, „die Nadel einzufangen“. Klar, befindet sich die Nadel unter dem Treshold und überschreitet diesen nicht, findet auch keine Regelung statt.
Dieser Kniff hilft auch bei Einstellung der Attack- und des Release-Zeiten und sollte bei dem rechten Gain Reduction VU-Meter angewandt werden. Das hat Focusrite ganz gut umgesetzt. Viele „digitale“ Anzeigen helfen dabei meist nicht so gut. Das Gehör sollte natürlich immer das Maß der Dinge darstellen, aber als Einstiegs-Hilfe oder aber bei Gehörermüdung hilft einem das „Hüpfen“ der Nadel auch so weiter. Sonderbare Nadelbewegungen sind indes oftmals ein Indiz für Programmfehler. Doch weiter im Verlauf: Unter dem zweitem Meter finden sich eben diese Regler – für die Release Zeit, von 0,1 bis 4 s regelbar und mit einem Auto-Release versehen, und der Attack-Regler, der sich in nebulös von „Fast“ (peak-detection) zu „Slow“ regeln lässt.
Daneben befindet sich der Make-Up-Gain zur Signalaufholung nach erfolgreich verrichteter Verdichtung mit maximal +40 dB Gain. Mit dem Regler-Nachbarn Dry/Wet lassen sich hingegen Parallelkompressionseffekte erzielen. Dies wird vor allem bei Drums gerne mit extrem strammen Einstellungen gemacht, um etwas mehr Kick oder Druck zu erhalten. Allerdings ist der Midnight-Kompressor wegen der permanenten Soft-Knee Charakteristik dafür fast ein wenig zu brav, doch dazu später mehr. Die wichtigste Verwendung für diesen Regler wird wahrscheinlich der Bypass sein, denn einen solchen Schalter sucht man leider vergebens.

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