Bricasti M1 USB Test

Praxis

Ein Handbuch braucht man für den Bricasti M1 eigentlich nicht, sollte man sich aber doch einmal die Zeit nehmen, es zu lesen, wird man vor allem etwas über die vielen, besonderen Konstruktionsmerkmale und deren klanglichen Auswirkungen lernen können. Die wichtigsten Informationen beherbergt allerdings eine Tabelle, welche die vielen Filter-Settings und deren klangliche Unterschiede aufzeigt. In der aktuellen Version (1.14) sind das immerhin 18(!) Filter.

Fotostrecke: 2 Bilder Beispiel-Kennwerte der Filter bei einfachen Samplerates. Besonders auf das variierende Passband sollte man achten.

Jetzt mag der eine oder andere von dem Wort Filter eventuell zu viel erwarten, schließlich geht es hier ausschließlich um die Parametrisierung der internen Rekonstruktionsfilter und nicht etwa um irgendwelche Raum-EQs oder dergleichen. Trotzdem bringen diese Filter am Ende den größten Unterschied bei der klanglichen Beurteilung verschiedenster Wandlerkonzepte, denn „pure“ D/A-Chips gibt es ja nun gar nicht so viele, und somit unterscheiden sich viele Hersteller vor allem in der Implementierung dieser Chips. Und bei Bricasti ist man eben besonders passioniert vorgegangen, denn allein die schiere Anzahl der verschiedenen Filter ist überwältigend, wenn sie auch sicherlich für manch einen zu viel des Guten sind. Ich bin zwar kein HighEnd-HiFi-Fachmann, trotzdem fällt auch mir jetzt spontan kein Kandidat ein, welcher überhaupt – und wenn auch nur ansatzweise – hier in diesem Bereich Konfigurationen zulässt. Sicherlich sind diese vielen Möglichkeiten auf den ersten Horch auch vollkommen überfordernd, weil sie im „Prinzip“ gleich klingen, dennoch haben alle feinste Nuancierungen zu bieten und haben damit in diesem Wandler auch ihre absolute Daseinsberechtigung. 
Bevor ich nun blumig und weit aushole, sollte noch der theoretische Unterschied zwischen den beiden Hauptgruppen der Filter geklärt werden. Zum einem gibt es die sogenannten Linear-Phase-Filter, welche durch ihren Einsatz absolut keine Veränderung im Phasengang erzeugen, allerdings wiederum das Problem haben, dass sie Ripples (Welligkeiten durch Einschwingvorgänge) erzeugen – und zwar zeitlich VOR den Transienten. Damit sind diese „Fehler“ für musikalisch empfindliche Ohren durchaus mehr hörbar, als wenn sie nach den Transienten auftreten würden. Und genau da setzt wiederum das Minimum-Phase-Filter an, welches allerdings mit dem „Nachteil“ behaftet ist, dass der Phasengang über alle Frequenzen nun nicht mehr gleich ist. Dennoch klangen diese Minimum-Phase-Filter in meinen Ohren viel „richtiger“, sprich subjektiv musikalischer. In der Natur gibt es übrigens keinerlei Klangquellen, deren Phasengang starr ist. „Ripples“ konnte ich allerdings beim besten Willen und trotz meiner direkt-verbundenen Referenz-Abhöre RL-901 von ME Geithain nicht heraushören, vielleicht fehlt mir da aber auch einfach nur die Geduld pensionierter, äh passionierter HiFi-Enthusiasten. Andererseits, die Veränderung des Phasengangs ist spürbar, wenn auch nur schwerlich mit Worten greifbar.

Um den Klang des Bricasti innerhalb meiner vertrauten Umgebung beurteilen zu können, bot sich natürlich auch der direkte A/B-Vergleich mit meinem RME Fireface UFX an, von dem ich behaupten würde, es wie meine Westentasche zu kennen. Es fiel hier zunächst auf, dass sich eine Einschätzung der Klangqualität im Bereich feiner Nuancen abspielen wird, da beide Geräte über wirklich ausgezeichnete Wandler verfügen. Kommen wir nun zuerst zum Frequenzbild des M1, welches sich als äußerst linear und überaus ausgewogen bezeichnen lässt, wodurch erstmal wenig Unterschiede zu dem ebenfalls sehr nüchtern abgestimmten RME bestehen. Dabei wurden sowohl rockige Titel á la Smashing Pumpkins als auch elektronische Musik mit knackigen und satten Bässen extrem präzise und fast schon chirurgisch genau abgebildet. Hier wirkt der Bricasti sogar fast ein wenig leblos, während der RME durch seinen organischeren Grundsound manchen Titeln sogar schmeichelt, anderen hingegen einen etwas deutlichen, unpassenderen Stempel aufdrückt. Der RME klingt beim genauen Hinhören auch nicht ganz so detailliert und agiert teils auch etwas “kühler”. Und das geht auf Kosten der Transparenz, die ja vor allem im Mastering-Bereich gar nicht hoch genug ausfallen kann. Hier kann der M1 hingegen vollends punkten, zumal man durch die Wahl der passenden Filter auch noch seinen persönlichen Geschmack mit einbringen kann bzw. kompensieren kann.
In Sachen Stereo-Abbildung ist der Bricasti weitehin eine Offenbarung und präsentiert eine deutlich breitere Bühne, was den Sound offener und vor allem nochmals eindeutiger lokalisierbar macht. Erstaunlich ist auch, dass der Bricasti mit einer hörbar tieferen Raumabbildung aufwarten kann, wodurch gerade das Mittensignal differenzierter, vor allem aber „fest wie eine Eins“ erscheint. Das Phasenverhalten zwischen L/R des M1 ist außerdem besonders akkurat, was mir vor allem im Vergleich zu meinem RME auffiel, bei dem ich immer das Gefühl hatte, meinen Kopf leicht zu Gunsten der rechten Speakerseite eindrehen zu müssen. Bei dem Bricasti war dem hingegen überhaupt nicht so! Natürlich ist dieser Eindruck aber auch vom Signal selbst abhängig.
Beachtlich ist auch die pfeilschnelle Transientenwiedergabe des M1, welche vor allem bei perkussiven Instrumenten Eindruck hinterlässt. Nüchterne Single-Mic Signale ohne auffällige Bearbeitungen wirken dabei besonders plastisch und realistisch, sodass nicht selten der Eindruck entsteht, das Instrument stehe direkt vor einem, was vor allem Freunde puristischer, „hand-gemachter“ Musik und Klassik-Konsumenten die Tränen in die Augen treiben dürfte.
Selbstverständlich habe ich mir auch die bereits erwähnte Filtersektion genau angehört, jedoch recht schnell feststellen müssen, dass hier vor allem Unterschiede im Pass-Band, sprich der spezifische Abfall der Höhen vor der Nyquist-Frequenz, maßgeblich den Klang beeinflussen, sodass sich die Unterschiede zu meinem RME bei der Wahl von „Linear 1“ weitestgehend eliminieren und der Klang der beiden nun annähernd identisch ist. Der Bricasti bleibt aber immer noch, vor allem was die Phasentreue von L und R betrifft, souveräner, was sicherlich auch dem Dual-Mono Aufbau geschuldet ist. Nach langem Experimentieren habe ich mich persönlich allerdings auf das Minimum 4 Preset eingeschossen, was auch etwas die Härte der Geithains dämpft – und so ein wirklich atemberaubendes Setup schafft. 
Sicherlich werden die ein oder anderen HiFi-Enthusiasten eine Einschätzung von den DSD-Eigenschaften vermissen, jedoch sollten hier keine Überraschungen, sprich Klangunterschiede auftauchen, zumal die wahren Vorteile von DSD auch nur bei einer Berücksichtig von einer zu 100% mit DSD durchgeführten Aufnahme relevant sind. Spätestens das benutzte Hallgerät wird aber immer PCM basiert sein, sodass hier nur ein Wort meinerseits angebracht ist: Esoterik. Weiterhin habe ich natürlich auch versucht, Unterschiede zwischen dem eingebauten USB-Interface und dem AES-Anschluss zu erhören, welchen ich mit AES vom RME UFX gefüttert hatte. Aber auch hier gab es keinen Unterschied zu vermelden, wenn denn Luftdruck und -feuchte konstant sind.
Der Bricasti macht seine Sache also mehr als gut, und auch die vielen kleinen Details lassen ihn mich schon jetzt vermissen: Die Volume-Taste dient beispielsweise auch als Mute. Mit dem Status-Taster kann man sich wiederum auch die Temperatur des Boards anzeigen lassen, welche mit ca. 40°C molliges Wohlfühlklima versprüht. Weiterhin zeigt der Status-Screen nach dem Starten auch die gewählte Lautstärke – ist diese allerdings auf „0 dB“ eingestellt, weil man noch eine weitere Komponente seines HiFi-Türmchen nachgeschaltet hat, so zeigt der Bricasti beim Start-Up eben den gewählten Eingang anstatt die unnötige 0dB „keine Lautstärkeänderung“-Meldung. Clever.
Da der Bricasti mit seinem Alu-Encoder die Lautstärke ändern kann (LEVEL) bzw. auch über eine optionale Fernbedienung verfügt, geht er also auch als simpler, aber durchaus eleganter Monitorcontroller durch. Die beiden analogen Ausgänge (XLR symmetrisch und Cinch unsymmetrisch) sind allerdings leider nicht umschaltbar, sondern nur permanent aktiv. Im Studio-Kontext dient der Bricasti also nicht unbedingt als Speakerumschalter, hier könnte für meinen Geschmack noch ein kleines Software-Update Abhilfe schaffen. Die Ausgänge sind allerdings voneinander getrennt gepuffert und auch absolut identisch in ihren Ausgangswerten.
Das einzige, „richtige“ Manko des Bricasti ist sicherlich sein hoher Preis. Auch wenn ich grundsätzlich überzeugt bin, dass Pioniergeist nicht mit „normalen Preisen“ verglichen werden sollte, dünkt es mir, dass der Bricasti auch aus Markt-strategischen Gründen ein hohes Preisschild erhielt. Nichtsdestotrotz, es bleibt ein tolles Gerät.

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