Darum werden Popsongs immer kürzer: Aufmerksamkeitsspanne sinkt um ein Drittel

2030 laufen Hits nur noch 2 Minuten 

FOTO: Shutterstock / insta_photos
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Es ist schon lange kein Geheimnis mehr: Die großen Hits werden immer kürzer. Einen fast 10-minütigen Klopper auf Platz Eins der Charts zu sehen ist 2021 so gut wie unmöglich. Selbst Songs mit einer Spielzeit von über vier Minuten scheinen in der Pop-Musik ausgestorben. Den Grund dafür hat nun eine Studie des Technik-Konzerns Samsung offengelegt: Die Aufmerksamkeitsspanne für Musik ist in den vergangenen Jahren extrem gesunken. 
Ganze acht Sekunden gibt der durchschnittliche Hörer einem Song noch Zeit, bis ein Urteil über Top oder Flop gefällt wird. Anders gesagt: Nach acht Sekunden wird geskippt. Für das Jahr 2030 sagen die Forscher eine noch kürzere Zeitspanne vorraus. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 lag die durchschnittliche Aufmerksamkeit noch bei 12 Sekunden. Sie ist also bereits um ein Drittel gesunken!

Es ist also davon auszugehen, dass Songs in Zukunft sogar noch kürzer werden. Spielzeiten von einer Minute sollten in zehn Jahren keine Seltenheit mehr sein. Sicherlich ist auch der Übergang der Musikindustrie in das Streaming-Zeitalter ein Grund dafür. Spotify und Co. erkennen einen Stream ab der magischen Grenze von 30 Sekunden an. Wenn die halbe Minute durchgehalten ist, bekommen die Künstler ihr Geld. Was nach den 30 Sekunden passiert, interessiert den schwedischen Streaming-Giganten nicht. 
Diese Entwicklung bedeutet also auch, dass man eigentlich nur 30 Sekunden braucht, um Geld zu verdienen. Alles darüberhinaus ist aus Business-Sicht überflüssig und kann wegrationalisiert werden. Die Gleichung ist simpel: Warum sollte mein Song acht Minuten dauern, wenn in der Zeit auch acht oder sogar bis zu sechzehn einzelne Songs abgespielt werden können, die mir zusammen das acht oder sogar sechszehnfache an Geld einbringen? 
Ebenfalls bieten mehrere Songs eine höhere Trefferwahrscheinlichkeit. Die Möglichkeit, dass ein Fan den einen achtminütigen Song nicht mag ist deutlich geringer, als dass dieser zumindest einen von acht Songs gut findet und diesen mindestens 30 Sekunden anhört. 
Auch die Struktur eines Songs ändert sich
Einen weiteren Faktor bildet zudem die Song-Struktur. Je kürzer die Aufmerksamkeit, desto schneller und heftiger muss etwas passieren. Lange Intros mit ewigen Instrumentalpassagen gehören der Vergangenheit an. Es geht meistens sofort richtig los, der Refrain steht direkt zu Beginn des Stücks. 
Aber zurück zu den nackten Zahlen: Ganze 80% der meistgestreamten Songs auf Spotify überschreiten die vier Minuten Marke nicht. Das wird auch in den Charts spürbar: In England dauerten Nummer Eins Songs 1988 im Durchschnitt noch satte 4 Minuten und 16 Sekunden. Heute kommen die Hits an der Spitzenposition der Charts gerade mal auf 3 Minuten und 3 Sekunden. Es wird über eine Minute eingespart. 
Ist das alles wirklich so schlimm? 
Der Reflex als alteingesessener Musikfan nun zur großen Wutrede auf das digitale Zeitalter und Spotify & Co. anzusetzen, hat sicherlich bereits an diesem Punkt eingesetzt. Es ist jedoch Vorsicht geboten, was allzu wilde Anschuldigungen angeht. Denn: die Länge oder Kürze von Musik bestimmt traditionell das Medium, über welches es veröffentlicht wird. Als die Schallplatte den Markt beherrschte waren die meisten Alben exakt so lang, wie es das Medium zulässt, oder eben Doppel-LPs. Als die CD in den 80er Jahren übernahm, brachte sie mit ihren 74 Minuten Abspielzeit einen neuen Standard für die Länge eines Albums mit sich. Falls ihr euch fragt warum Pop-Songs meistens um die drei Minuten andauern: Das habt ihr den Radiostationen zu verdanken. 
Am Ende ist die Frage nach dem aktuellen Standard in der Musikindustrie also historisch gesehen immer eine Frage des Mediums. An der Qualität der Musik ändert sich nichts. Wenn die Vision eines Künstlers groß genug ist, wird sich mit Sicherheit sowieso nicht an irgendwelche Industrie-Vorgaben gehalten. Und die Musiker, die sich daran halten, haben das auch schon immer so gemacht. Bis hier war das nur für euch die Normalität. 

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JB sagt:

#1 - 27.01.2021 um 11:13 Uhr

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Das heißt im Klartext: Beethoven, Mozart, Tschaikovski - haben alle keine Chance mehr und werden verbannt von den Streaming -Plattformen.Im Ernst: der Bezug auf das Medium ist falsch. Sicher war die Länge einer Plattenseite limitiert, das hat aber Künstler wie beispielsweise Mike Oldfield nicht davon abgehalten, längere herausragende Stücke zu komponieren und zu produzieren.Die Wahrheit ist: Wir sind endgültig in einer Atemlos - Popcorn - MacDonalds - Kultur angekommen. Wer braucht schon noch gutes Essen, Drive In und Cheeseburger reicht für Alle. Ein bisschen Dschungelcamp im Fernsehnen vielleicht noch.....! Dabei sind 8 oder 12 Sekunden nicht der Punkt. Das Problem ist, daß wir musikalisch seit 20 Jahren im Mainstream nur noch Fastfood haben. Und kaum qualitativ hochwertige Musik.Parallel dazu geht die Kultur zu Grunde, insbesondere wenn man sieht, wie während des Corona - Lockdowns die ganze Branche zum Opferaltar geführt wird. Dafür wächst in einem gewissen Grade die Dekadenz, aber vielleicht ist das ja so gewollt?.Wahrscheinlich werden sich in 50 Jahren die Menschen nur noch Werbejingles anhören, maximal 30 Sekunden lang, verknüpft mit Verkaufsabsichten für jede Art von Waren und Produkten. Das würde dann ja auch dem Grundprinzip unteres Wirtschaftens entsprechen - Wachstum und Verkaufen ohne Ende.

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meike sagt:

#2 - 04.04.2024 um 16:39 Uhr

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"Als die Schallplatte den Markt beherrschte waren die meisten Alben exakt so lang, wie es das Medium zulässt, " Ähh, nö!

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