Shure Beta 98A/C und Beta 98AMP/C Test

PRAXIS

Über die Verwendung von Schwanenhälsen kann man geteilter Meinung sein. Zwar ermöglichen sie äußerst schnelle und flexible Ausrichtung, doch haben diese Bestandteile oft etwas Mühe, ihre Traglast zuverlässig und langfristig an einem Ort zu halten – vor allem, wenn die Mechanik etwas in die Jahre gekommen ist. Man ist übrigens gut beraten, die Halterung am unteren Rim zu befestigen, da bei Rimshots die Übertragung von Schwingungen auf den Befestigungsmechanismus oft zu hoch ist – und übrigens durch die Körperschallübertragung auch im Signal enthalten. Allerdings konnte meinem Erfahrungsschatz zufolge die Shure-Miniaturserie mit einer anderen Eigenschaft dagegenhalten. Das Spektrum beginnt erst bei recht großer Winkeländerung von der Hauptaufsprechrichtung in den Höhen wegzubrechen, obwohl ich auf dem 98er an meiner Snare die Supernierenkapsel benutze. Wenn das Mikro also “erwischt” wurde oder sich durch die Schläge verdreht, heißt das noch lange nicht, dass man das auch wirklich hört. Gute Sachen sollten sich nicht ändern, so auch hier: Sowohl mit dem 98A als auch dem 98AMP kann man durchaus etwas fahrlässig umgehen, ohne dass die Höhen sofort in sich zusammenfallen.

Shure_Beta_98er17

Auch der Abstand zur Schallquelle artet nicht in extreme Bassänderungen aus, das ist natürlich ebenfalls hilfreich. Allerdings zeigen sich sofort Unterschiede von 98AD/C und 98AMP/C zum 98A/S: Anders als beim Supernierenmikrofon ist natürlich die Signaltrennung nicht mehr so groß, aber auch die rückwärtige Empfindlichkeit geringer. Kanaltrennungsfetischisten sollten also eher schmale Polar-Patterns wählen und sind daher mit der Superniere besser bedient als mit der “echten” Niere. Gleichzeitig sind die Audiofiles aber auch ein Paradebeispiel für die unterschiedlichen Klangcharakteristika der verschiedenen Richtwirkungen: Wie es im Buche steht, klingt die Superniere etwas schärfer als die Nieren der beiden Testmikrofone. Nun, bei der Snare ist das zu verschmerzen, außerdem klingen die beiden Nieren weitaus bassiger als die “Schmalhans”-Charakteristik – und das nicht nur im Nahbereich. Das Bleeding von Bassdrum und Toms wirkt dadurch noch stärker als alleine durch die breitere Richtwirkung. Vorteilhaft ist das natürlich nicht und (außer vielleicht bei 16er oder 18er Toms) würde ich direkt einem Hochpassfilter einen Job verschaffen.

Audio Samples
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Snare Beta 98AD/C Snare Beta 98AMP/C Snare Beta 98AD/S Tom Beta 98AD/C Tom Beta 98AMP/C Tom Beta 98AD/S Hi-Hat Beta 98AD/C Hi-Hat Beta 98AMP/C Hi-Hat Beta 98AD/S

Der ausgeprägte Nahbesprechungseffekt kann bei Toms bei Bedarf für einen ordentlichen Schlag in den Magen sorgen – falls gewünscht. Die Überschrift des Testberichts ist also gerechtfertigt, denn die Winzlinge machen einen großen, voluminösen Sound. Vorsicht sollte man allerdings bei Becken walten lassen, den bei diesen klingt eine Bassüberhöhung durch den Proximity-Effekt eigentlich immer grauenhaft. Insgesamt präsentieren sich die beiden Nieren-98er aber als vielseitige und ausgewogenen Mikrofone, die sich – wie aufgrund der Daten zu erwarten – auch durch brutale Hiebe auf ein Schlaginstrument nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das gilt sogar schon für das diesbezüglich schlechter aufgestellte 98AD/C. Besonders im Live-Einsatz wird man zu schätzen wissen, dass es trotz der tendenziell weicheren Richtcharakteristik Niere bei beiden Mikrofonen noch mehr als ausreichend viel und schnellen Attack gibt, ohne dass man direkt eine ganze Effektbatterie bemühen müsste. Klar: Das ist der Vorteil einer sehr kleinen Membran. Übrigens sind es klanglich nur marginale Unterschiede, die sich zwischen A- und AMP-Version feststellen lassen. Die Entscheidung für das eine oder andere der beiden wird also sicher aufgrund der Bauart gefällt werden.

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