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Music Man HD 130 R Top und 412 GS Cabinet Test

Fällt der Name Music Man im Zusammenhang mit Gitarrenverstärkern, verhilft das älteren Gitarristen in der Regel zu einem Déjà-Vu, während die jüngere Generation eher etwas ratlos reagiert. Music Man und Amps? Tatsächlich baute Music Man in den Siebziger und Achtziger Jahren eine Reihe von Gitarrenverstärkern, die allerdings nach der Übernahme der Firma durch Ernie Ball 1984 aus dem Programm verschwand.

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Seit 2014 erweitern die Klassiker aber wieder das Music Man Produktangebot, und das Gespann Music Man HD 130 R Top und 412 GS Cabinet fand seinen Weg zum bonedo-Test. Und der wird nicht nur klären, ob die Verstärker tatsächlich die Gene der glorreichen Vergangenheit tragen, sondern auch, was der Name DV Mark mit der ganzen Angelegenheit zu tun hat.

Details

Tatsächlich war ein Gitarrenverstärker das erste Produkt, das Leo Fenders neue Marke Music Man 1974 produzierte. Tom Walker, einer der Mitbegründer, hatte die Amps designt, die unter der Ägide von Ernie Ball schließlich 1984 von der Bildfläche verschwanden. Es sollte 30 Jahre dauern, bis auf der Musikmesse 2014 wieder neue Music Man Amps zu sehen waren. Bei ihnen handelt es sich um sogenannte Hybrid-Amps, also Verstärker mit Transistorvor- und Röhrenendstufen, in unserem Fall bestückt mit vier EL34 Glaskolben und einer ECC83 Treiberröhre. Optisch könnte man die Wiedergeburten leicht mit Silverface Fender Amps verwechseln – die Nähe zu Leo Fender manifestiert sich auf jeden Fall zumindest in der Optik.
Angeblich hatte Marco de Virgiliis, seines Zeichens Gründer von Mark Bass und DV Mark, den Ernie Ball Chef Sterling Ball gefragt, ob es nicht Zeit für eine Neuauflage der in den 70er und 80er Jahren populären Amps sei, und ein Ja erhalten. Immerhin spielten damals so illustre Namen wie Eric Clapton oder Mark Knopfler die Marke, und wie es heißt, hält sich auch die Neuauflage an die Vorgaben der original Schaltpläne.
Das HD 130 R Topteil bringt exakt 15,1 kg auf die Waage und misst 68,6 x 30,4 x 25,6 cm (B x H x T) – nicht gerade klein, aber dank des verhältnismäßig geringen Gewichts komfortabel zu transportieren. Gefertigt werden die Verstärker und Boxen in Indonesien, was aber an dem recht hoch erscheinenden Preis von runden 1700 Euro allein für das Topteil nichts ändert. Wie gesagt, das Erscheinungsbild wirkt vertraut, und was die Verarbeitung anbetrifft, gibt es auf den ersten Blick nichts zu beanstanden. Alle Ecken sind mit metallenen Kantenschützern versehen, unterhalb des Bedienfeldes kommt silberfarbener Stoff zum Einsatz.

Fotostrecke: 4 Bilder Homogenes Erscheinungsbild: Head und Box im Beauty-Shot

Wer genauer hinschaut, der wird feststellen, dass beide Kanäle mit Eingangsbuchsen versehen sind, und das hat seinen Grund. Die beiden Kanäle sind tatsächlich komplett getrennt, das heißt, sie lassen sich weder per Hand noch Fuß umschalten – der optionale Fußschalter aktiviert lediglich Hall und Tremolo. Möchte man also die Kanäle wechseln, hat man zwei Möglichkeiten: Man steckt das Kabel um, oder man bemüht eine A/B-Box und ein Y-Kabel. Eine Vorgehensweise, die meiner Ansicht nach alles andere als zeitgemäß ist – Vintage hin oder her (dazu später noch mehr).
Der erste Kanal, zu finden auf der linken Seite, lässt sich ganz klassisch mit Volume, Treble, Middle und Bass bearbeiten, wobei Volume auch den Verzerrungsgrad steuert. Zwei Eingangsbuchsen bieten bei beiden Kanälen Anschluss für passive (links) oder aktive Instrumente (rechts), ein Normal/Bright-Kippschalter verändert das Höhenbild und sorgt im Bright-Modus, wie der Name schon verrät, für ein offeneres Klangbild, besonders bei geringen Lautstärken. Der zweite Kanal ist prinzipiell gleich aufgebaut, allerdings kommt hier ein Federhall mit entsprechendem Regler hinzu, außerdem zwei Potis, die für den Tremolo-Effekt verantwortlich sind. Der Intensity-Regler besitzt eine Doppelfunktion – Potistellung null bedeutet keine, Poti auf fünf hundert Prozent Modulation. Über fünf kommt ein zweiter Modulationsimpuls hinzu, was per Doppler-Effekt einen Rotary Speaker imitieren soll. Speed ändert die Geschwindigkeit des Tremolos. Dazu kommt ein Normal/Deep-Kippschalter, der dann greift, wenn vor allem bei hohen Lautstärken der Bass zur Überbetonung neigt. Ein weiteres Merkmal von Music Man Amps ist der Power-Schalter. Neben der OFF-Stellung in der Mitte stehen eine HI- und eine LO-Position zur Auswahl. HI ist zu empfehlen, wenn der Sound eher clean bleiben soll, auch wenn es lauter wird. Mit LO lässt sich der jeweilige Volume-Regler im Kanal weiter aufreißen, ohne dass man den Gehörtod stirbt, wenn es mal rockiger sein soll.

Fotostrecke: 4 Bilder Das Top-Teil im klassischen Music Man Look, wiegt gerade einmal 15,1 kg

So weit die Vorderseite, aber auch rückseitig gibt es einiges zu berichten. Das beginnt mit einem Umschalter für die vorhandene Netzspannung, die entweder 110 oder 230/ 240 Volt betragen darf. An der Footswitch-Buchse findet der Dual-Fußschalter Anschluss, der leider nicht zum Lieferumfang gehört. Boxenseitig lassen sich Cabinets ansteuern, die entweder 1x 4 Ohm, 2x 8 Ohm, 1×8 Ohm oder 1x 16 Ohm Impedanz anbieten. Außerdem findet sich hier auch der Standby-Schalter, den wohl nicht wenige auf dem Frontpaneel vermisst haben. Was man allerdings tatsächlich vermissen darf, ist ein Effekt-Einschleifweg, denn den hat Music Man seinem neuen alten Topteil nicht mitgegeben. Transportiert wird der Amp an einem schwarzen Griff auf der Oberseite und vier Gummifüße sorgen für einen sicheren Stand.

Fotostrecke: 3 Bilder Die Rückseite präsentiert sich übersichtlich

Was auch das Stichwort für die 4×12″ Box wäre, denn auf ihr soll der Amp bekanntlich ruhen. Die 412 GS wird ebenfalls in Indonesien hergestellt und ist eine recht imposante Erscheinung. 71,6 x 71,6 x 34,4 cm (H x B x T) bei erstaunlich geringen 19,3 kg lassen die Augenbrauen nach oben schnellen und spätestens hier weiß man, das Marco de Virgiliis von DV Mark seine Finger im Spiel hat. Er ist der Meister des geringen Gewichts – Bassisten können das sicherlich bestätigen, und jeder, der einmal ein Produkt von Mark Bass in der Hand hatte, weiß, wovon ich rede. Die vier Speaker kommen aus seinem Haus, nennen sich DV Mark Neoclassic und sind gut für insgesamt 600 Watt bei 8 Ohm mono oder 2 x 16 Ohm stereo – die Box lässt sich für Stereoanwendungen splitten. Zugunsten des Gewichts hat man sich bei der Box relativ weit vom Original der Siebziger entfernt. Zur Leichtbauweise kommen vier hochmoderne Neodym-Lautsprecher, die mit ihren leichten Magneten ebenfalls zur geringen Masse beitragen, aber in Gitarristenkreisen nicht unumstritten sind. Wer im Internet unterwegs ist, kann sich in diversen Foren an kontroversen Diskussionen über den Einsatz solcher Lautsprechern in Gitarrenboxen beteiligen. Dazu noch ein Wort am Ende des Praxisteils, in dem sie – so viel vorweg – eine durchweg gute Figur machen.
Die Frontbespannung ist abnehmbar, um Mikrofone besser platzieren zu können, und spätestens jetzt offenbart sich auch die Leichtbauweise – der Rahmen samt Bespannung dürfte kaum etwas wiegen. Aber das soll keinesfalls ein Vorurteil sein, denn die Verarbeitung ist ansonsten gut und das Cab macht einen robusten Eindruck. Wer den Tragegriff an der Oberseite des Kastens vermutet, liegt falsch. Dieser befindet sich an der Seite, was ich ganz praktisch finde, denn so ruht das jeweilige Topteil entspannt auf einer ebenen Fläche. Bei manchen Verstärkern stellt das ein echtes Problem dar, weil bei ihnen die Gummifüße sehr flach ausfallen und das Gerät so auf dem Griff hin und her kippelt.

Fotostrecke: 7 Bilder Trotz ihres imposanten Erscheinungsbildes ist die Box ein Leichtgewicht
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Profilbild von IbanezArtistMusicmanRD65_1984

IbanezArtistMusicmanRD65_1984 sagt:

#1 - 01.06.2017 um 13:48 Uhr

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Als glücklicher Besitzer eines Musicman RD65 von 1984 kann ich nur sagen, dass die Einschränkung auf Clean / Crunch korrekt ist, ich aber diesen Verstärker nie verkaufen würde. Diverse Distortion-Sounds bekomme ich über einen alten H&K-Tubeman, bzw. diverse Boss-Pedale. Und in meinen Ohren klingt das alles "amtlich".
Der Clean-Sound ist mit einer Ibanez Artist 300 von 1982 sehr voll, geht schon in Richtung Jazz-Ton, aber mit viiiieeeel Sustain.
Für einen Combo kommt auch recht viel Bass-Druck. Das reicht auch für Metal-Sounds (wenn man nicht meint, mit dem Gitarren-Verstärker den Schlagzeuger und die PA überbrüllen zu müssen).Im Übrigen waren schon andere Leute (gerade, wenn man den Verstärker etwas lauter spielen kann) der Überzeugung, ich würde einen Vollröhrenverstärker spielen.Die 65 Watt sind übrigens extrem laut, ich habe nie Leistungsreserven vermisst.Die Preise für die neuen Teile sind allerdings Phantasiepreise. Manchmal taucht ein alter Musicman-Verstärker bei eBay um die 1200 EUR auf. Ich würde mir eher einen solchen gebrauchten Verstärker kaufen. Die Elektronik ist relativ simpel und sehr solide aufgebaut. Um so einen Verstärker kaputt zu bekommen, muss man schon brachiale Gewalt anwenden.
Also von meiner Seite klare Kaufempfehlung für einen gebrauchten Musicman-Verstärker!

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