Backstage-Quickie: John Petrucci von Dream Theater

John Petrucci bedarf keiner weiteren Vorstellung. Immerhin haben wir den Gitarristen und seine Band Dream Theater schon in mehreren Workshops mit Aufmerksamkeit bedacht. Ein Virtuose wie Petrucci darf natürlich auch bei unserem Stelldichein hinter der Bühne nicht fehlen!

Foto: Hiroyuki Yoshihama
Foto: Hiroyuki Yoshihama

Dream Theater gehört zu einer der wenigen Bands, die in Musiker-Kreisen fast durchweg respektiert werden. Auch die Leute, die den teils überlangen Songs und ausladenden Soli als Mucker-Firlefanz verdammen, müssen doch vor den reinen technischen Fähigkeiten der New Yorker den Hut ziehen. Allen voran vor dem Mitgründer und Produzent der Metal-Progger: Gitarrist John Petrucci!

Ehrensache, das wir uns den angebotenen Telefon-Termin nicht nehmen lassen. Schließlich war uns Dream Theater und der sympathische Klampfer mit den italienischen Wurzeln schon zwei Folgen unserer Play-Alike Serie wert. Auch sein Signature Equipment, wie das Dreamscape Pedal von TC Electronic oder die Music Man JP70, wurden von uns immer wieder unter die Lupe genommen. Zeit für einen aufgebohrten Backstage-Quickie mit einigen Zusatzfragen zum neuen Album und der Arbeit mit Dream Theater als Produzent und Gitarrist muss sein. Ralf Schlünzen interviewed John Petrucci:

Bonedo: Wie wurde Musik dein Leben und deine Karriere?

Talent und Disziplin – aber es gibt natürlich viele talentierte Leute. Es ist nicht nur Üben. Man braucht auch soziale Kompetenzen und muss sich mit Leuten auseinandersetzen können.

B: Man sagt, dass du mit Gitarrenstunden angefangen hast, weil deine Schwester wegen ihrer Klavierstunden länger aufbleiben durfte. Stimmt das?

Ja! Das stimmt. Aber ich habe mich vertan: Meine Gitarrenstunden waren mittags, so durfte ich am Ende doch nicht länger aufbleiben. Aber als ich angefangen hatte wurde die Gitarre zu einer waren Obsession.

B: Hatte das vielleicht damit zu tun, dass du beim Gitarre spielen Grimassen schneiden durftest?

(Lacht) Genau deshalb habe ich Gitarre gespielt und sechs Stunden am Tag geübt.

B: Was würdest du machen, wenn du kein Musiker wärst?

(Lacht) Ich würde mir einen anderen Job suchen, in dem ich Grimassen schneiden darf. Ich weiß nicht, vielleicht Koch. Ich liebe Kochen!

B: Was ist das Besondere an deinem Instrument?

Gitarre ist einfach faszinierend. Eine Akustikgitarre sieht so simple aus. Es sind nur Saiten in die eine Richtung, Bünde in die andere. Aber es gibt so viele Möglichkeiten sie zu spielen. Sie wurde noch nie gemeistert, noch nie perfektioniert. Das ist ziemlich beeindruckend für sechs Saiten und ein Griffbrett. Jeder klingt anders und ist einzigartig.

B: Was ist die wichtigste Musikequipment-Erfindung aller Zeiten – und warum?

Eine der besten Sachen die in letzter Zeit rausgekommen sind ist die Entwicklung der Music Man Gamechanger von Earnie Ball. Die Tatsache, das die einen Weg gefunden haben wie du deine Gitarre mit einem einfachen Knopfdruck komplett neu verdrahten kannst ist unglaublich! Ich hab keine Ahnung wie sie das machen! Das wird ein integraler Teil der Zukunft der Gitarre sein, ganz sicher!

B: Spielst du eine Gamechanger?

Ich werde. Im Moment noch nicht, aber es wird gerade eine für mich entwickelt.

B: Ich habe mich gefragt, wer so etwas braucht – neben dir natürlich. Schließlich kauft man seine Gitarre ja wegen des speziellen Klangs.

Das stimmt, aber zur gleichen Zeit sind Gitarristen berühmt dafür, immer auf der Suche nach dem perfekten Sound zu sein. Nach dem Motto, alles klingt großartig, lass uns was ändern. Die Suche nach Klang, Gear, Gadgets hört niemals auf. Dazu sind Gitarristen halt die größten Gear-Nerds überhaupt. Deshalb glaube ich, dass die meisten diese Möglichkeiten zu experimentieren haben wollen.

B: Erinnerst du dich an deine erste Studio-Erfahrung und wie war das für dich?

Ich erinnere mich an einige frühe Erfahrungen als ich für einen Freund aufgenommen habe. Er brachte mich in sein Studio und wollte, dass ich seinen Song spiele. Ich erinnere mich wie ich da saß, mit Kopfhörern und sehr angespannt. Ich wusste überhaupt nichts übers Aufnehmen. Es wäre wohl etwas übertrieben dabei von “Studio-Erfahrung” zu sprechen. Es ist auf jeden Fall sehr enthüllend. Du sitzt zu Hause und klingst klasse, alle deine Freunde sagen du klingst klasse usw. Wenn du dann wirklich etwas aufnimmst und es dir danach anhörst, realisierst du wie viel du noch zu tun hast. Es ist schwerer als es scheint, aber wie alles andere ist es eine Kunst die man lernen kann.

Vor Kurzem habe ich einen Freund getroffen, mit dem ich früher gespielt habe. Wir hatten diese Jams wo man stundenlang zusammensitzt und Blues und das ganze Zeug spielt. Und wir haben immer alles auf Kassette aufgenommen. Von den Aufnahmen hat er mir jetzt Jahre später eine CD gemacht. Ich habe sie meiner Frau vorgespielt und sie war der Meinung ich spiele immer noch genauso.

B: Du sagst also, du hast dich nicht mehr verbessert seit dem du 16 warst?

(Lacht) Natürlich gibt es immer Luft für Verbesserungen. Aber ich habe mit einer Menge Gitarristen gesprochen, die auch angefangen haben als sie Teenager waren. Es gibt diesen Punkt nach ein paar Jahren, an dem man sich zu dem Gitarristen entwickelt hat, der man für den Rest seines Lebens bleiben wird. Ziemlich interessant.

B: Wie entwickelt man sich denn weiter, wenn man bereits ein so großartiger Gitarrist ist? Hast du bestimmte Strategien dafür?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Eine der besten und spaßigsten ist mit anderen Leuten zu spielen. Am besten mit Leuten die besser oder anders spielen als du. Fragen stellen und Sachen aufschnappen macht so wirklich Spaß, weil du jemanden aus erster Hand beobachten kannst.

B: So wie bei den G3 Gigs unter anderem mit Steve Vai und Joe Satriani?

Ja, alle G3 Touren waren eine unglaubliche Erfahrung. Man konnte praktisch ständig etwas neues lernen.

B: Auf welche deiner Aufnahmen bist du am meisten stolz?

Ich weiß, es ist ein totales Klischee, aber auf unser letztes Album. Ich bin einfach glücklich über die Aufnahmen. Es wäre auch falsch nicht so zu denken, weil man sich ja ständig verbessern möchte.

Auf diesem Album habe ich einfach die beste Gitarre, die JP 13, benutzt. Die Gitarre klingt sehr offen und hat ein klasse Knurren an sich. Sie klingt sehr lebendig.

B: Erzähle uns von deiner schönsten oder schlimmsten Erfahrung auf der Bühne.

Oh, wie viel Zeit haben wir? (Lacht) Ich erinnere mich an so viele lustige, peinliche und schmerzhafte Momente. Ob es aus Versehen von der Bühne gehen war, Stolpern über einen Monitor oder mit den Haaren in der Gitarre hängen bleiben. Aber diese Momente passieren und dann lernst du dazu und machst diese Dinge nie wieder. Hoffentlich…

Eine Sache ist uns in Singapur passiert. Wir benutzen alle In Ear Monitore. Deshalb gibt es praktisch keinen Sound auf der Bühne. Leider ist an unserem Monitor Mischpult der Strom ausgefallen, aber die Front der PA war immer noch an. Das Publikum hörte also immer noch was wir gespielt haben, aber wir nicht. Wir haben einige Songs komplett blind gespielt.

B: Wie habt ihr das überstanden? Gibt es Aufnahmen der Show?

Ich glaube nicht, dass das jemand aufgenommen hat. Aber es war auf jeden Fall wie durch ein Labyrinth im Dunkeln gehen. Sehr anspruchsvoll.

B: Habt ihr wenigstens Schlagzeug gehört?

Ja ein bisschen. Aber unser In Ear ist gleichzeitig Gehörschutz. Deswegen konnten wir nicht wirklich viel hören. Ein bisschen von den Drums, und ein ganz kleines bisschen von der Front PA. Es war ziemlich nah an der Unmöglichkeit, aber wir sind irgendwie durchgekommen.

B: Was ist deine Lieblingsbeschäftigung auf Tour?

Ich versuche nur Fit zu bleiben und viel Sport zu machen wenn wir auf Tour sind. Eine der Herausforderungen besonders in manchen Ländern ist ein Fitness Studio zu finden. Manchmal bist du mitten im Nirgendwo oder es ist Sonntag und alles hat geschlossen. Es ist nicht einfach unterwegs gesund zu bleiben.

B: Und bevor es auf die Bühne geht? Irgendwelche Rituale?

Ein paar Hühner opfern! (Lacht) Nein nicht wirklich. Wenn es etwas gibt, dann ist es das aufwärmen. Normalerweise spielen wir im Backstage, vielleicht haben wir sogar eine kleine Jam Session. Es ist ziemlich ähnlich wie bei einem Sport Event. Du machst dich locker, wärmst dich auf und wartest das es losgeht. Aber es gibt kein spezielles Ritual.

B: Was würdest du ändern, wenn du im Musikbusiness das Sagen hättest?

Ich würde die Art und Weise ändern, wie das Musik-Biz immer der Technologie hinterher jagt. Es wäre schön, wenn es umgekehrt wäre und die Technologie der Musik folgen würde. Es würde vielleicht etwas zivilisierter zugehen.

B: Was hältst du von Neil Youngs Pure Tone Initiative? Er behauptet, dass aufgrund von Mp3 der Spaß am Musikhören abnimmt, weil man sie nicht mehr in der Tiefe und Dynamik wahrnehmen kann, wegen der starken Kompression. Deshalb arbeitet er an einem Format mit hoher Sample Rate, dass er zur Marktreife bringen möchte.

Ich wusste gar nicht das er das macht, aber es ist großartig! Wir machen etwas auch schon etwas ähnliches. Es gibt eine Firma namens HD Tracks, die Dream Theater Music in High Def veröffentlichen. Es wäre wirklich schön, wenn Musik immer auf diese Art veröffentlicht würde.

Ich finde es etwas komisch, dass man in dieser hohen Sample Rate aufnimmt, und dann veröffentlichst du eine CD in 16 Bit, oder schlimmer als Mp3. Aber man kann das nicht mehr rückgängig machen. Aber oft wenn wir im Studio sitzen und einen guten Mix anhören werde ich fast ein bisschen traurig, weil niemand es so hören wird.

B: Welchen Rat würdest du jungen Musikern geben, die sich als Profi durchsetzen wollen?

Man muss sich auf mehrere unterschiedliche Dinge konzentrieren. Es ist nicht nur das Handwerk des Instruments, dass du zufällig spielst. Dann könnte man einfach sagen, üben, üben, üben. Das stimmt auch, aber es gibt noch viel mehr. Das was dich von all den anderen unterscheiden wird ist die Musik die du erschaffst. Die ist es auch, die es dir am Ende ermöglicht eine Karriere zu haben. Es reicht nicht ein Instrument spielen zu können, es gehört auch dazu Musik zu schreiben und auch die richtige soziale Einstellung um wirklich rauszugehen und etwas zu erreichen. Es gibt also verschiedene Aspekte an denen man arbeiten muss, nicht nur einen.

B: Kommen wir zu eurer neuen Produktion. Seit wann bist du auch Produzent von Dream Theater und wie hat das deine Arbeit verändert?

Ich habe auf “Scenes from a memory” angefangen zu produzieren, das war 2000. Ich habe das zusammen mit Mike Portnoy gemacht, bis er die Band vor ein paar Jahren verlassen hat. Auf “A dramatic turn of events” und dem neuen Album war ich allein verantwortlich.

Es hat meine Arbeitsweise schon verändert, aber auf der anderen Seite hatte ich schon immer eine Vorstellung von Sound und Konzepten. Glücklicherweise habe ich mittlerweile das Vertrauen der Band und kann versuchen das Beste aus jedem einzelnen herauszuholen. Wichtig ist, dass sie sich so wohl fühlen, dass sie als die Musiker strahlen können, die sie sind. Egal, ob es Schreiben, Recording oder sonst etwas ist. Das ist der wichtigste Teil der Produzenten-Rolle. Auch das ist natürlich eine Fertigkeit, die man haben muss. Aber auch die entwickelt sich.

B: Und wie schreibt ihr heute Songs? Macht ihr das zusammen, oder bist du das in erster Linie und holst dann die anderen Jungs dazu?

Das meiste machen wir zusammen, aber es gibt definitiv beides. Ich bin Gitarrist und man kann nicht anders als Songs zu schreiben, wenn man Gitarre spielt. Du nimmst sie einfach in die Hand und Riffs kommen raus. Es liegt einfach in der Natur des Instruments. Deshalb habe ich immer Ideen, Riffs und Songs, die ich einbringen kann. Aber ein wichtiger Bestandteil davon in einer Band zu spielen und bei Dream Theater im besonderen ist, dass es da so viele Talente und so viele großartige Ideen gibt und es immer das Kollektiv ist, dass es am Ende einzigartig klingen lässt. Deshalb freue ich mich immer darauf ins Studio zu gehen und diese unterschiedlichen Ideen auszubalancieren, die ich oder die anderen einbringen. Manchmal passieren aber auch ganz neue Sachen spontan, durch Improvisation. Es gibt also eine ganze Menge an unterschiedlichen Methoden. Wir spielen viel zusammen und darin liegt eine Menge Magie.

B: Wo wir bei Magie sind. Wie wichtig ist es für euch, dass Gitarrist und Bassist von Anfang an kennen?

Es ist ziemlich wild. Wir können alle kaum glauben, dass wir das immer noch machen, dass wir uns als Teenager ausgemalt haben. Es ist fantastisch! Wir haben die Entscheidung getroffen zu Üben, Musik zu machen und auf das Berkeley College zu gehen als wir zwischen 15 und 18 waren. Und wir machen das heute immer noch, auf Grund der Entscheidungen, die wir damals getroffen haben. Das ist etwas sehr besonderes und selten.

Was John angeht. Es ist ziemlich cool, wie gut man jemanden kennen kann. Du kannst voraussagen was derjenige spielen wird!

B: Danke für das Gespräch!

Update 10.09.2013: Neuer Song “Along For The Ride” veröffentlicht

Mit Along For The Ride” veröffentlichen die Prog-Virtuosen einen weiteren Vorab-Track ihres neuen Albums. Erscheinungsdatum der selbstbetitelteten LP ist der 20.09.2013.

Jetzt den Song “Along For The Ride” hören!

Update 10.09.2013: Neues Video “The Enemy Within”

Das neue Dream Theater Album ist mittlerweile erschienen. Wer sich noch nicht zum Kauf durchringen kann, der hat jetzt die Möglichkeit sich einen weiteren Song anzuhören. “The Enemy inside” präsentiert sich bildgewaltig mit neuem Video-Clip:

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Weitere Informationen

Tourdaten

Am besten überzeugt man sich Live von dem Können der Berklee-Absolventen:

  • 26.01.2014   München, Zenith
  • 30.01.2014   Ludwigsburg, MHP Arena 
  • 01.02.2014   Offenbach, Stadthalle
  • 07.02.2014   Bamberg, Stechert Arena
  • 09.02.2014   Hannover, Swiss Life Hall
  • 10.02.2014   Saarbrücken, Saarlandhalle
  • 18.02.2014   Düsseldorf, Mitsubishi Electric-Halle

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Andy sagt:

#1 - 19.06.2014 um 13:53 Uhr

0

Ich liebe diese Backstage-Quickies! Man erfährt immer wieder, wie die Musiker über gewisse Dinge denken und das macht einfach nur Spaß!

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