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Chromatics in der Improvisation #2 – Gitarren-Workshop

In der letzten Folge meines Chromatik-Improvisations Workshops habt ihr bereits einige Werkzeuge an die Hand bekommen, um euer Spiel mit Durchgangstönen und “approach notes” etwas farbiger und interessanter zu gestalten. Und auch bei der Improvisation in jazzverwandten Stilistiken werdet ihr mit diesen Tools eine grundlegende Stilechtheit an den Tag legen. Das Thema “approach notes” liefert jedoch noch einiges an Ideen, mit denen ihr noch tiefer in chromatische Sphären abtauche könnt, und damit wollen wir uns heute auseinandersetzen.

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Da sich diese Folge sehr intensiv mit der chromatischen Umspielung von Dreiklangsarpeggios beschäftigen wird, rate ich jedem, der sich für dieses Thema interessiert, sich meine entsprechende Serie noch einmal zu Gemüte zu führen. Ihr solltet nämlich mit den Arpeggiofingersätzen vertraut sein, um die folgenden Übungen gut meistern zu können. Ebenso wie es “Approach Notes” gibt, existieren nämlich auch sogenannte “Target Notes” (Zielnoten), die in den meisten Fällen Akkordtöne sind. Da wir mit der Chromatik viel tonleiterfremdes Material ins Spiel bringen, klingt es häufig am plausibelsten für das Ohr, wenn wir die “chromatic approaches” in Akkordtöne auflösen – und das sind bekanntlich Arpeggiotöne.
In Folge 1 habt ihr bereits Bekanntschaft mit dem sogenannten “one note approach” (kurz “1NA”) gemacht. Das heißt, wir haben eine Zielnote und nähern uns dieser z.B. chromatisch von unten an. Hier exemplarisch an den Tönen eines C-Dur Arpeggios:

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Audio-Beispiel 1

Eine andere Option für einen 1NA liegt allerdings auch noch in der Möglichkeit, die Zielnote diatonisch von oben anzusteuern. Richtig, das hat dann nichts mehr mit Chromatik zu tun, aber der Sinn, warum wir diese Möglichkeit einschließen, wird im Laufe der Folge noch klar werden:

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Audio-Beispiel 2

Wie ihr seht, kann es sich bei der diatonischen Annäherung von oben sowohl um Ganztöne (beim Grundton und der Quinte) oder aber um einen Halbton (bei der Terz) handeln.
Um die 1NAs gut in die Finger zu bekommen, empfehle ich euch folgende Übung:

  1.  Ihr knüpft euch eine chromatische Zufallsreihe vor, zum Beispiel: G A E F# C Bb D Eb Ab C# F B
  2. Jetzt legt ihr ein Tongeschlecht fest – Dur oder Moll.
  3. Der Ton der Zwölftonreihe markiert nun den Grundton eines Dur- oder Molldreiklangs und ihr “approacht” jede Note chromatisch.
  4. Ihr legt eine Lage fest (+/- ein Bund), in der ihr das alles ausführt.

Das könnte dann so aussehen – im folgenden Beispiel wähle ich Dur in der V. Lage:

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Audio-Beispiel 3

Wo es einen „one note approach“ gibt, da ist der “two note approach” (2NA) nicht weit. Ihr könnt euch sicherlich schon denken, was dahintersteckt, nämlich das Annähern an einen Zielton über zwei approach notes. 
Um das auszuführen, bieten sich uns vier Möglichkeiten:
1. zwei Töne von unten 
2. zwei von oben 
3. einer von oben und dann von unten 
4. einer von unten und dann von oben 
Hier seht und hört ihr alle Möglichkeiten am Beispiel von C-Dur, die Zielnote habe ich in Rautenform gesetzt:

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Audio-Beispiel 4

Diese vier einzelnen Varianten sollten wir einmal separat betrachten:
1) 2NA von unten 
Das ist die klarste Variante, da sie immer aus zwei Halbtonschritten bestehen muss (man sagt dazu „doppelt chromatisch“) und immer einen Ganzton unter der Zielnote beginnt.
Am Beispiel eines C-Dur Dreiklangs sieht das folgendermaßen aus:

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Audio-Beispiel 5

2) 2NA von oben

Hier ergeben sich zwei Möglichkeiten, da wir versuchen sollten, den Startton von oben diatonisch zu halten:
a) Vom Zielton zur nächsten diatonischen Note nach oben ist es ein Ganztonschritt, der in diesem Fall einfach chromatisch  aufgefüllt wird, was beim Durdreiklang auf dem Grundton und der Quinte der Fall ist.

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Audio-Beispiel 6

b) Vom Zielton zur nächsten diatonischen Note nach oben ist es ein Halbtonschritt: Tritt dieser Fall ein, so beginnt man mit der übernächsten diatonischen Note und spielt quasi zwei Tonleiterschritte abwärts. Das müssen wir z.B. bei der Terz machen, in unserem Fall das e. Würden wir einen Ganzton darüber beginnen, hätten wir f# – f – g und f# wäre keine diatonische Note, andernfalls haben wir g – f – e und starten diatonisch auf g. Approach-Notes klingen von oben immer plausibler, wenn sie diatonisch beginnen.
Das klingt über dem C dann so:

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Audio-Beispiel 7

3) chromatisch von unten und diatonisch von oben 
Das ergibt sich, wenn man die beiden Varianten des 1NA kombiniert, und es klingt beim C-Dur Akkord so:

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Audio-Beispiel 8

4) diatonisch von oben und chromatisch von unten (also umgekehrt)
Das klingt in C-Dur folgendermaßen:

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Audio-Beispiel 9

Wenn ihr alle diese Möglichkeiten ausgelotet habt, rate ich euch, zu Beginn erst einmal ganz ohne Playback oder Metronom einfach nur innerhalb eines Akkordes quer über das Griffbrett alle Arpeggiotöne “einzukreisen”, sei es mit 1NA oder 2NA.
Wie hier beispielsweise im Bm-Akkord auf dem gesamten Griffbrett:

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Audio-Beispiel 10

Als nächsten Schritt versucht ihr, in das ganze „Approachen“ ein paar Skalentöne zu integrieren, sei es Pentatonik oder Durscale, um etwas mehr Bezug zur Tonart herzustellen und das Ganze etwas aufzulockern. Das wird für das Solieren später noch extrem wichtig werden. Herrscht nämlich zuviel Chromatik, verliert der Zuhörer, und wenn es ganz blöd läuft, auch der Spieler, den Zusammenhang zur übergeordneten Tonalität. Chroma heißt im Griechischen bekanntlich „Farbe“, und das bedeutet, dass ihr Chromatik auch als Farbschattierung betrachten solltet, ohne gleich den ganzen Eimer darüberzukippen. Es sei denn, ihr wollt wirklich einen vollkommen atonalen Effekt erzeugen, das wäre dann natürlich auch in Ordnung.
Auch hierzu ein kleines Beispiel über einen steady Funk-Groove in Bm:

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Audio-Beispiel 11a

…und euer Playback:

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Audio-Beispiel 11b

Nichtsdestotrotz würde ich euch raten, das Gelernte auf die zugegebenermaßen etwas trockene Übung mit der Zwölftonreihe anzuwenden, nur dass ihr diesmal die Freiheit habt, wild zwischen 1NA oder 2NA mischen zu dürfen. Das wird euch helfen, in der Spielsituation maximal flexibel damit umzugehen und es trägt auch einiges zur Erforschung eures Griffbrettes bei.
In meinem Beispiel wähle ich m-Akkorde in der VII. Lage und mische alle Approaches durch:

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Audio-Beispiel 12

Auch rhythmisch sollte man diverse Ebenen parat haben. Ein 1NA besteht aus zwei Noten (nämlich Approach-Note und Target-Note)  – was eine Achtelrhythmisierung  nahelegt, aber warum nicht auch das Ganze mal in einer triolischen Quantisierung probieren? 
Im folgenden Beispiel approache ich ein Em-Arpeggio mit 1NAs , die ich aber in Triolen spiele:

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Audio-Beispiel 13

Analog dazu macht es Sinn, die 2NAs, die aus drei Tönen bestehen (zwei Approach-und eine Target-Note) auch mal in einer Achtel- oder Sechzehntel- Quantisierung auszuprobieren. Auch dieses Beispiel bewegt sich über einem Em-Akkord:

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Audio-Beispiel 14

Interessante rhythmische Effekte entstehen auch, wenn man sich ein fixe 1NA und 2NA Kombination vornimmt, wie beispielsweise, dass sich ein 1NA und ein 2NA immer abwechseln müssen. Dadurch erhalten wir insgesamt eine 5-tönige Abfolge (2 Töne aus dem 1NA + 3 Töne aus dem 2NA = 5). Spielen wir diese Abfolge, so bekommen wir einen Fünferverschieber.
Auch hier am Beispiel Em in 16teln:

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Audio-Beispiel 15

Nun können wir uns gerne an die vergangene Folge erinnern, in der wir gelernt haben, Skalentöne chromatisch aufzufüllen. Auch dieses Mittel dürfen wir gerne zur Anwendung bringen, am Besten in Kombination mit unseren Approach-Notes.
Hierzu möchte ich euch ein paar Beispiellicks an die Hand geben, die einiges von dem Gelernten zu Anwendung bringen. Versucht, diese Licks im Prinzip wie Vokabeln zu lernen – in manchen Spielsituationen ist es ratsam, ein paar Phrasen zur Hand zu haben, die man abfeuern kann. Abgesehen davon lernt man durch Licks auch einiges, was sich in den eigenen Solophrasen umsetzen lässt.
Beispiel 1:
Ein kleines Lick in Am im Pat Metheny Stil, bei dem auch die Blue Note zur Anwendung kommt.

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Audio-Beispiel 16

Beispiel 2:
Diese Phrase, hier über einem C-Dur Akkord, kann man sehr schön über einen Blues, aber auch in Popstücken anwenden.

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Audio-Beispiel 17

Beispiel 3:
Ein Lick, das wunderbar über einen Bm7-Akkord funktioniert

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Audio-Beispiel 18

Beispiel 4:
Folgende Phrase könnte von Andy Timmons stammen und funktioniert super über einen Em7-Groove oder E7#9:

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Audio-Beispiel 19

So viel zum heutigen Thema. Wenn ihr diese Übungen gemeistert habt, wird die nächste Folge ein Kinderspiel werden. Dort werden wir uns mit “three note approaches” und ein paar feinen kleinen Licks der großen Meister beschäftigen – bis dahin, stay tuned!
Haiko

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Profilbild von Joe

Joe sagt:

#1 - 20.02.2015 um 23:20 Uhr

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Hallo Haiko,ein ganz hervorragend aufgebauter Workshop.
Vielen Dank!

Profilbild von Jens

Jens sagt:

#2 - 22.02.2015 um 17:54 Uhr

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Hallo Haiko,ich finde den Workshop soweit super. Das einzige, das ich mit meinen Schülern anders mache ist das "Ziel der ganzen Geschichte" am Anfang zu zeigen. Also vielleicht zuerst ein Anwendungshörbeispiel, damit sofort klar ist wieso man die Übungen machen soll.
Gerade in Zeiten kurzer Aufmerksamkeitsspannen ist das glaube ich essentiell, um mehr Leute dafür zu begeistern.
Davon abgesehen echt super!!!

Profilbild von Jenny Holts

Jenny Holts sagt:

#3 - 24.03.2018 um 11:23 Uhr

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Hallo, klasse Workshop Danke, aber wo bleibt/ist der angekündigte nächste Teil? "Wenn ihr diese Übungen gemeistert habt, wird die nächste Folge ein
Kinderspiel werden. Dort werden wir uns mit "three note approaches" und
ein paar feinen kleinen Licks der großen Meister beschäftigen - bis
dahin, stay tuned!"

    Profilbild von Haiko Heinz

    Haiko Heinz sagt:

    #3.1 - 25.03.2018 um 13:59 Uhr

    0

    Hi Jenny, der nächste Teil wird in aller Kürze online gehen. Sorry für die Verzögerung!

    Antwort auf #3 von Jenny Holts

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