Beyerdynamic T 90 Test

Praxis

Verwendungszweck

Als offener Studiokopfhörer ist der T 90 für die Verwendung am Editier-, Misch- oder Masteringplatz prädestiniert. Aufgrund kaum vorhandener akustischer Isolation in beide Richtungen ist er als Monitor-Kopfhörer zur Aufnahme von Musikern allerdings tendenziell eher ungeeignet.

Tragekomfort

Der T 90 ist ein äußerst komfortabler Kopfhörer, dem man sein Gewicht von 340 Gramm überhaupt nicht anmerkt. Sowohl das bequem gepolsterte Velours-Kopfband als auch die äußert weichen Ohrpolster aus Microfaser sind auch über einen längeren Zeitraum sehr angenehm zu tragen. Laut Hersteller wurde bei den Materialien auf Atmungsaktivität geachtet – mit Erfolg! Im Vergleich zum Beyerdynamic DT-880 ist die Tiefe vom Ohrpolster zum Wandler vergrößert worden, sodass auch die „Problemohren“ eines Kollegen nicht mehr aufliegen.

Der Innendurchmesser der Ohrpolster ist mit zirka sechs Zentimetern um etwa einen Zentimeter größer als bei meinem K-701 von AKG, was für großohrige Menschen ebenfalls von Vorteil ist. Der mit 2,8 Newton angegeben Anpressdruck der Ohrmuscheln ist vergleichsweise gering, somit sitz der Kopfhörer viel „luftiger“ als beispielsweise der K701 und DT-88, aber dennoch fest genug, um nicht bei normalen Bewegungen zu verrutschen. Top!

Als offener HiFi-Kopfhörer beworben, taugt der T-90 dennoch genauso gut als Studiokopfhörer für die Verwendung am Editier-, Misch- oder Masteringplatz.
Als offener HiFi-Kopfhörer beworben, taugt der T-90 dennoch genauso gut als Studiokopfhörer für die Verwendung am Editier-, Misch- oder Masteringplatz.

Klang

Alle von mir getesteten Kopfhörer wurden an folgenden Kopfhörerausgängen bzw. Verstärkern betrieben:

  • iPad 4
  • Apogee Duet2
  • SPL 2Control
  • Lake People G93

Neben diversen akustischen Experimenten (Sinus Sweeps, übliche DAW Tätigkeiten u.ä.) habe ich den folgenden Mix stilübergreifender Songs auf allen zu testenden Kopfhörern gehört:

  • Charlie Haden – Cancion a Paola
  • Wolfmother – New Moon Rising
  • Alessandro Safina – Regresa A Mi
  • Johnny Cash – Desperado
  • Skrillex – Bangarang
  • Rihanna – Rude Boy
  • David Guetta – Sexy Bitch
  • Minnie Riperton – Inside My Love
  • Edward Maya – Stereo Love
  • Will.I.Am – Scream & Shout

Frequenzgang

Um es vorwegzunehmen, empfinde ich die Summe der Wiedergabequalitäten des T 90 als Zäsur in Bezug auf Kopfhörer. Der Frequenzgang ist insgesamt gutmütig und tendenziell linear, wobei das Höhenband recht prominent abgebildet wird, was beim Anhören einiger fertigen Produktion teilweise störende Zischlaute des Gesangs offenbart. Dieser Umstand, der manch einen Musikkonsumenten stören dürfte, spielt Musikschaffenden und Engineers aber unter Umständen in die Karten, weil man hierdurch diesem kritischen Bereich die notwendige Aufmerksamkeit schenkt.

Die Wiedergabe sämtlicher Frequenzen des Höhen- und Mittenbandes erlaubt präzise klangliche Eingriffe in Mix und Mastering, lediglich das quantitative Verhältnis von Höhen und Mitten hätte ich gerne eine Nuance mehr in Richtung Mitten gelenkt, wobei dies Kritik aber auf äußerst hohem Niveau bzw. auch Geschmackssache ist. Die Frequenzabbildung übertrifft dennoch alle bisher von mir „getesteten“ Kopfhörer, was insbesondere auf den Bassbereich zutrifft. Hier trifft der offene T 90 exakt in die Mitte, wo fast alle Kopfhörer knapp oder auch mal nicht so knapp daneben liegen. Der Beyerdynamic-Kopfhörer bietet hier gleichermaßen „Impact“ und Analyse bis tief in den Subbassbereich, so wie man es von einer professionellen Abhörsituation erwarten kann. Insgesamt bewegt sich die Frequenzabbildung des T 90 also auf höchstem Level.

Impulsverhalten

Eine weitere Besonderheit von Beyerdynamics  Tesla-Technologie ist die äußerst filigrane Schwingspule des Wandlers, wodurch das Impulsverhalten maßgeblich begünstigt wird. Im direkten Vergleich zu anderen Kopfhörern wirkt es, als würde man die Gardine vor dem Fenster wegziehen. Die zuvor getesteten Kopfhörer wie AKG K712 Pro, Beyerdynamic DT-880 und Audio Technica ATH-M50 können hier nicht mithalten und werden vom T 90 fast gedemütigt. Lediglich der Ultrasone Signature Pro hatte eine ähnlich beeindruckende Impuls- und Dynamikwiedergabe, wie man sie  eher von hochwertigen Studiomonitoren kennt. Laut Internet wird AKG in Kürze übrigens den „Referenzkopfhörer „K-812“ mit ähnlicher Technologie auf den Markt bringen, man darf also gespannt bleiben.

Räumliche Abbildung

Auch die räumliche Abbildung und Tiefenstaffelung des Beyerdynamic T 90 suchen Ihresgleichen. Hier tritt ebenfalls der „Gardineneffekt“ ein – mein über die Jahre treuer Gefährte AKG K701 wirkt im direkten Vergleich zweitklassig und wird nun am Stagepiano im Nebenzimmer den Ruhestand antreten.

Die Ortung einzelner Instrumente funktioniert mit dem T 90 fabelhaft, und selbst im direkten Wechsel von Studiomonitor auf Kopfhörer hat man nicht mehr dieses tendenziell unangenehme Gefühl, dass der Mix „merkwürdig anders“ klingt. Der T 90 macht an allen Zuspielern eine gute Figur, profitiert aber in Bezug auf räumliche Abbildung deutlich von einem professionellen Kopfhörerverstärker wie beispielsweise dem Lake People G93. Die zusätzliche Verwendung der Crossfeed-Funktion, wie sie wiederum im SPL 2Control und Phonitor bzw. Phonitor2 angeboten wird, erhöht den Eindruck nochmals. Selbst in diesem für einen Kopfhörer kritischen Punkt kann Beyerdynamics T 90 auf ganzer Linie überzeugen.

Kommentieren
Profilbild von Daniel

Daniel sagt:

#1 - 19.01.2015 um 17:09 Uhr

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Mich würde ein Vergleich zu den Kopfhörern PS1000e und PS500e von Grado interessieren, über die man leider sehr wenig zu lesen bekommt ...

Profilbild von Hubert

Hubert sagt:

#2 - 02.06.2016 um 12:11 Uhr

0

Bezüglich dem (etwas) bemängelten Verhältnis von Höhenband zu Mittenband, würde mich interessieren wie alt der Verfasser ist. Denn bei älteren Personen, naturgemäß, fällt die Frequenz-Gehörkurve früher ab als bei jüngeren Personen.
Insofern, da es sich um eine subjektive Bewertung dieser Eigenschaft handelt, sind vielleicht ältere Hörer größtenteils anderer Meinung. Und vielleicht ist das angehobene Höhenband für diese Klientel genau richtig.

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