5 Profi-Tipps für mehr Räumlichkeit im Mix

Nah und weit – Die Lautstärke- und Frequenzstaffelung

Eine absolut banale Feststellung ist, dass etwas umso leiser ist, je weiter es sich von uns entfernt befindet. Außerdem geht beim Signal weit entfernter Schallquellen auf dem Weg zu unseren Ohren die Energie in den hohen Frequenzbereichen verloren. Diesen Zusammenhang könnt ihr euch zu Nutze machen, indem ihr beide Parameter koppelt. Statt also einfach einige Instrumente laut und andere leise zu mischen, könnt ihr bei denjenigen Instrumenten, die sich im Mix-Hintergrund befinden sollen zusätzlich die Höhen dämpfen. Das funktioniert zum Beispiel wunderbar mit einem Kuhschwanzfilter, das ihr allmählich absenkt, bis das Signal im Verhältnis zu den im Vordergrund stehenden Klängen dumpfer klingt. Wichtig ist, dass ihr die verschiedenen Spuren dabei im Zusammenhang hört.

(Foto: Petrovich12 @ Fotolia)
(Foto: Petrovich12 @ Fotolia)

Es schadet übrigens nicht, wenn die Instrumentierung eures Songs bereits diese Idee unterstützt. Der Effekt wird nämlich umso stärker, wenn ihr die Höhendämpfung auf ein Instrument anwendet, an dessen höhenreichen Sound wir uns im Laufe vieler Jahre gewöhnt haben. Das kann zum Beispiel eine verzerrte Gitarre sein oder auch der Sägezahn-Sound eines Synthesizers.

Banal: Lautstärkeverhältnisse interpretiert der Zuhörer als Entfernungs-Information. (Foto: Alonso Aguilar @ fotolia.de)
Banal: Lautstärkeverhältnisse interpretiert der Zuhörer als Entfernungs-Information. (Foto: Alonso Aguilar @ fotolia.de)

Fächer versus LCR – Die Stereostaffelung

Eine weitere Mix-Dimension die ihr im Blick behalten könnt, ist das Stereobild. Hier gibt es grundverschiedene Ansätze, um für mehr Räumlichkeit zu sorgen. Falls ihr mit der Stereostaffelung eurer Signale nicht zufrieden seid, ist mein Tipp für euch folgender: Beschränkt euch über eine längere Zeit einfach auf den LCR-Mix und wendet euch dann langsam dem Fächer zu. Ihr versteht nur „Bahnhof“? OK, hier kommen die Details. Beim LCR-Mix setzt ihr die Pans sämtlicher Signale ausschließlich zu den Seiten oder belasst sie im Zentrum des Stereobilds. Daher rührt die Bezeichnung „LCR“, die für „Left Center Right“ steht. Mix-Entscheidungen sind dabei kinderleicht zu treffen. Die tragenden Hauptelemente eures Mixes (also etwa Gesang, Kick Drum, Snare und Bass) sollten sich dann in den meisten Fällen in der Mitte befinden. Signale, die Tiefe und Räumlichkeit vermitteln sollen (beispielsweise das Return-Signal von Hallräumen und Delays), könnt ihr dagegen zu den Seiten auslenken. Ein toller Trick ist auch, die Positionierung eines Instruments im LCR-Mix im Laufe eines Songs zu variieren. So könnt ihr etwa eine Gitarre in der Strophe in der Stereomitte platzieren, sie aber im Refrain mit einer weiteren Gitarre ergänzen, wobei ihr beide Signale vollständig nach links und rechts auslenkt. Dann geht richtig die Sonne auf! 

Immer ein guter Start – Die LCR-Technik (Foto: kevers@ Fotolia)
Immer ein guter Start – Die LCR-Technik (Foto: kevers@ Fotolia)

LCR – Left Center Right

Beim Auffächern verteilt ihr die Signale eurer Spuren dagegen über die gesamte Breite des Stereobilds, platziert sie also auch zwischen den extremen Positionen Links, Zentrum und Rechts. Habt ihr erst genug Erfahrung mit der LCR-Variante gesammelt, wird euch sicher auffallen, dass ihr mit dem rudimentären Auslenken der Signale in vielen Fällen nicht ganz zufrieden seid. Das ist der Punkt, an dem ihr auch mit den Zwischenpositionen experimentieren solltet. In der Regel kommt ihr zu guten Entscheidungen, wenn ihr beide Varianten miteinander kombiniert. Erstellt zum Beispiel ein Sound-Grundgerüst mit der LCR-Technik und mischt dann die weiteren Elemente im Fächerverfahren hinzu. Dabei könnt ihr euch stets wiederkehrende Fragen stellen, die euch die Entscheidung vereinfachen, wo ihr ein Instrument im Stereobild genau positionieren sollt. Diese Fragen können etwa lauten: Kann das neu platzierte Instrument den Kern (LCR-Mix) stören? Dann ist es ein Fall für eine Fächerposition. Unterstützt oder ersetzt das hinzukommende Instrument ein Element des Kern-Mixes? Dann könnte es ein Fall für eine der drei LCR-Positionen sein.

Hallräume und Delay – Die Tiefenstaffelung

Ähnlich banal wie der Zusammenhang von Lautstärke und Entfernung erscheint den meisten von uns wohl der Zusammenhang von Hall und räumlicher Tiefe. Doch ganz so einfach ist es nicht. Zahlreiche Parameter machen Reverb und Delay zu komplexen Tools, bei denen im Mix viel falsch laufen kann. Zu beiden Effekten findet ihr auf bonedo bereits einige Tipps. Deshalb an dieser Stelle ein paar zentrale Gedanken. Die Halldauer gibt uns Auskunft darüber, wie groß ein fiktiver Hallraum ist. Der Parameter „frühe Reflexionen“ bestimmt dabei darüber, wo wir eine Schallquelle in diesem fiktiven Hallraum einordnen. Wie dicht ein Nachhall ist, wie viele Bass- und auch wie viele Höhenanteile er beinhaltet, vermittelt uns ein Bild von der Ausstattung und Oberflächenbeschaffenheit des fiktiven Hallraums. Deshalb könnt ihr hier auch wunderbar die schon erwähnten Tipps zu Lautstärke- und Frequenzstaffelung anwenden. Kurz gesagt: Wenn ihr möchtet, dass ein Instrument weit entfernt er klingeln soll und dabei quasi im Raum verschwindet, solltet ihr möglichst kurze oder besser keine frühen Reflexionen wählen und den Höhenanteil von Instrument und Reverb dämpfen. Wann immer ihr den Eindruck habt, dass ein künstlicher Hall euren Mix zu sehr vermatscht, könnt ihr stattdessen auch auf ein Delay zurückgreifen.
Wenn ihr in diesem Punkt – im wahrsten Sinne des Wortes – weiter in die Tiefe gehen möchtet, findet ihr hervorragende Infos in unseren folgenden Workshop: 
# Crashkurs Mixing – Reverb 

Doch alle Theorie ist grau. Und so sprechen viele aktuelle Popmusik-Produktionen in puncto Hall und Delay eine andere Sprache. Sie setzen auf eine eher dünne Instrumentierung, die durch einen exzessiven Einsatz von Effekten aufgefüllt wird. Der Hall unterstreicht dabei in fast allen Fällen den emotionalen, nahezu traumhaften Charakter der Songs. Ich denke dabei beispielsweise an diesen Song von The Weeknd:

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Hart und weich – Die Transientenstaffellung

Und über den Track „Drunk in Love“ von The Weeknd komme ich auch noch zu einem echten kleinen Geheimtipp. Denn eine Technik, die selten beachtet wird, aber ganz hervorragende Ergebnisse erzielt, ist die Transientenstaffelung. Was genau soll das bedeuten? Signale von weiter entfernten Schallquellen verlieren auf ihrem Weg bis zu unserem Gehör an Energie. Wenn wir dabei an das Knallen beim Anschlagen einer Snare oder das Klicken eines auftreffenden Kickdrum-Schlegels denken, wird schnell klar, wie ihr diese in den Sound-Hintergrund mischen könnt. Genau: Durch das Abschwächen dieser Energie, sprich durch das Verringern des Transientenanteils im Verhältnis zur restlichen Signalinformation.
Das Abschwächen der Transienten könnt ihr entweder über einen Kompressor ohne Aufholverstärkung mit extrem kurzem Attack realisieren, durch ein spezialisiertes Plug-in für die Transienten-Bearbeitung oder einfach per Hand regeln. Denn es spricht nichts dagegen beispielsweise die Kicks einer Kickdrum-Spur in einzelne Elemente zu zerschneiden und die Transienten der Kickeinsätze per manuellem Fade-In abzuschwächen. Ihr werdet überrascht sein, wie effektiv diese Methode sein kann. Wendet ihr diesen Trick etwa nur in einer Strophe an, so kann die Kickdrum im Chorus eures Songs so richtig nach vorn kommen und wird den Zuhörern dann umso mehr „In The Face“ erscheinen. So schickt ihr den Zuhörer nicht nur auf eine textliche und musikalische, sondern auch auf eine soundtechnische Reise.

Es lebe der Unterschied – Es lebe der Zusammenhalt

Und damit sind wir auch schon beim großen Ganzen angelangt. Denn alle Räumlichkeit im Mix hängt vom Verhältnis der verschiedenen Signale ab. Es geht stets um Relationen. Damit etwas nah erscheint, muss etwas anderes entfernter erscheinen. Soll etwas umso weiter außen erscheinen, muss etwas anderes die Mitte betonen. Im Zusammenspiel der Informationen entsteht dann das Gesamtbild. Es reicht also nicht aus einen einzelnen Effekt anzuwenden und darauf zu hoffen, dass dieser allein und für sich genommen zum gewünschten Ergebnis führt. Um zu mehr Räumlichkeit im Mix zu gelangen, könnt ihr euch deshalb zum Beispiel bereits beim Durchhören der zu mischenden Spuren oder des Pre-Mixes einen Schlachtplan machen. In jedem Fall aber solltet ihr im Laufe des Abmischens die zahlreichen Unterschiede und Gegensätze im Auge behalten und bewusst ausgestalten, um so spielend zu mehr Räumlichkeit in euren Mixes zu gelangen.

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